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C:\B_retro\Ausgabe_13\: Windows 95

Sven Bauduin
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C:\B_retro\Ausgabe_13\: Windows 95
Bild: Microsoft

tl;dr: Vor fast einem Vierteljahrhundert erschien mit Windows 95 ein Betriebssystem, das bis heute auch durch seine Bluescreens in Erinnerung blieb. Mit dem Nachfolger von Windows 3.1 präsentierte Microsoft sein erstes 32-Bit-Betriebssystem, das aber eine weitreichende Kompatibilität zum 16-Bit-Betriebssystem MS-DOS aufwies.

Jeden Sonntag wirft C:\B_retro\ einen unterhaltsamen Blick zurück auf drei Jahrzehnte voller bewegter Geschichten und die Entwicklung der Computerszene: Was geschah in den letzten 30 Jahren zwischen 1980 und 2010 in der Informationstechnik? Geschichten von Mythen, Meilensteinen und Meisterwerken: C:\B_retro\.

C:\B_retro\Ausgabe_13\

Windows_95

Nachdem sich C:\B_retro\Ausgabe_2\ bereits mit Windows 1.0 und den ersten Fenstern aus Redmond beschäftigt hat, widmet sich Ausgabe_13 mit Windows 95 einem der weniger ruhmreichen, wenn auch extrem erfolgreichen Kapitel in der Geschichte der dominanten Betriebssysteme von Microsoft. Windows 95 ist bis heute nach wie vor der Inbegriff für Bluescreens. Dennoch entwickelte es sich zum bis dahin erfolgreichsten Betriebssystem auf dem Markt und begründete die Windows-9x-Reihe.

C:\B_retro\Ausgabe_13\Windows_95\

C:\B_retro\...\Geschichte\

Windows 4.0 („Chicago“)

Die ersten Builds von Microsoft Windows 95 lassen sich bis in den März 1992 zurückverfolgen und stammen aus der Zeit unmittelbar nach dem Release von Windows 3.1. Auf Basis eines Kernels namens „Cougar“ tauchte am 30. September 1992 die erste Vorabversion von Windows 95 auf.

Die Verantwortung für Microsofts potenziell nächstes Betriebssystem trug seinerzeit Brad Silverberg, der zwischen 1990 und 1999 als Produktmanager für Projekte wie MS-DOS, Windows, den Internet Explorer und Microsoft Office verantwortlich war.

Microsoft Chicago (Build 58)
Microsoft Chicago (Build 58) (Bild: Wikipedia, CC BY 3.0)
Microsoft Chicago (Build 73)
Microsoft Chicago (Build 73) (Bild: Wikipedia, CC BY 3.0)

Im Februar 1995 wurde Microsofts neues Betriebssystem erstmalig an eine kleine Gruppe Tester verteilt, die Windows 4.0 („Chicago“) – so der damalige Arbeitstitel – unter strengster Geheimhaltung testen durften. Alle Teilnehmer der Testphase mussten vorab einen Geheimhaltungsvertrag unterzeichnen und sich zur Verschwiegenheit verpflichten. Im Juni 1995 erschienen mit Build 490 und Build 501 noch zwei Release Candidates, bevor Microsoft das Release des Betriebssystems für den August 1995 ankündigte.

Die letzte Testversion ging im Mai 1995 in englischer und deutscher Sprache als Build 480 („May Test Release“) an eine Gruppe Tester, während die letzten beiden Release Candidates, Pre-RC1 und RC1, nur noch von Microsoft intern getestet wurden. Kurz vor der Vorstellung begann Microsoft dann mit einer ausgedehnten Werbekampagne, die bis heute zu den größten in der Konzerngeschichte gehört.

Launch („Midnight Madness“)

Als Windows 95 am 24. August 1995 erschien, löste das Betriebssystem ein wahres Computerfieber aus. Microsoft selbst nannte den Launch „Midnight Madness“ und PC-Läden in den USA öffneten ihre Türen exakt um Mitternacht und verkauften Windows 95 wahlweise auf CD-ROM oder 3,5-Zoll-Disketten.

Die 200 Millionen US-Dollar an Werbebudget hatten sich für Microsoft zweifelsohne gelohnt und nach nur vier Tagen waren eine Millionen Kopien des Betriebssystems verkauft. Innerhalb der ersten 3 Monate konnte das Unternehmen 45 Millionen Exemplare von Windows 95 verkaufen, vorinstallierte OEM-Versionen nicht eingerechnet. In Anbetracht der Tatsache, dass bis 1995 jährlich nur 60 Millionen PCs weltweit verkauft wurden, wirken diese Zahlen umso imposanter. Microsoft selbst gab bekannt, dass die Produktion in den Presswerken zu dieser Zeit rund eine Millionen Kopien von Windows 95 auf CD lieferte – wöchentlich.

Mit der größten Produkteinführung seiner Konzerngeschichte in Form von Windows 95 hatte das Unternehmen aus Redmond schlussendlich alles richtig gemacht und konnte einen riesigen wirtschaftlichen Erfolg verbuchen. Die Produktvorstellung selbst wirkt heute ein wenig eigenwillig und mitunter bizarr an, doch war 1995 nicht weniger als „State of the Art“:

C:\B_retro\...\Funktionen_und_Hardware

Neuerungen gegenüber Windows 3.x

Windows 95 Build 4.00.950 bot die folgenden neue Funktionen im Vergleich zu Windows 3.1 und dem leicht überarbeiteten Windows 3.11 for Workgroups:

  • Neue Benutzeroberfläche, mit Startmenü statt Programm-Manager
  • Windows Explorer als effektiverer Dateimanager
  • Unterstützung für lange Dateinamen
  • Verbesserte Unterstützung von Spielen und Multimedia-Anwendungen
  • Plug & Play Hardwarekompatibilität, durch die Geräte automatisch erkannt und Treiber im Idealfall automatisch installiert wurden
  • Durch präemptives 32-Bit-Multitasking konnten mehrere 32-Bit-Programme parallel laufen
  • 32-Bit-Dateisysteme wie VFAT, CDFS und Network redirectors

Noch heute wird darüber gestritten, ob Windows 95 nun das erste echte 16-/32-Betriebssystem oder wie Windows 3.x nur eine grafische Benutzeroberfläche von MS-DOS war. Unbestritten ist allerdings, dass das Betriebssystem einige der Windows-Funktionen einführte, die Anwender bis heute in modernen Betriebssystemen aus Redmond – wie dem gerade erst beerdigten Windows 7 oder Windows 10 – noch regelmäßig nutzen.

Features, die von Windows 95 etabliert wurden

  • Der Desktop als Hauptarbeitsplatz und oberste Fensterebene, welche als Ordner im Dateisystem wiederum beliebige Dateien und Ordner beherbergen konnte
  • Die neue Klasse der Verknüpfungen, die als reiner Platzhalter und Querverweis, Dateien und Programme, welche sich selbst an einer anderen Stelle des Dateisystems befanden, von mehreren Stellen aus aufrufbar machte
  • Der Arbeitsplatz und die Netzwerkumgebung als Zusammenfassung der System- und Netzwerkressourcen in Form der einzelnen Laufwerke, anderer Computer, Drucker und Netzwerke
  • Der Papierkorb als spezieller Ordner, in den Dateien oder Ordner beim Löschen bis zu einem einstellbaren Limit verschoben wurden und aus dem versehentlich gelöschte Dateien per Mausklick wiederhergestellt und an die ursprüngliche Stelle verschoben werden konnten
  • Die Taskleiste, in der alle laufenden Benutzerprogramme mit Symbol und Titel angezeigt wurden und die nicht von Programmfenstern überdeckt werden konnte
Der Desktop von Windows 95 mit geöffneten Programmen
Der Desktop von Windows 95 mit geöffneten Programmen (Bild: Wikipedia)

Hardware, die für den Betrieb von Windows 95 benötigt wurde

Um Windows 95 ordnungsgemäß nutzen zu können, waren 1995 folgende Systemvoraussetzungen zu erfüllen:

  • PC mit einem 386DX oder höherem Prozessor
  • mindestens 4 MB Arbeitsspeicher (8 MB oder mehr empfohlen)
  • 55 MB freier Festplattenspeicher (tatsächlicher Speicherbedarf hängt von den installierten Komponenten ab)
  • 8,89-cm-HD-Diskettenlaufwerk (entspricht 3,5“) oder CD-ROM-Laufwerk
  • VGA- oder höher auflösende Grafikkarte
  • Microsoft Mouse oder kompatibles Zeigegerät

Für die Versionen Windows 95b und Windows 95c musste bereits ein 486DX und mindestens 8 MB Arbeitsspeicher im Computer stecken und der benötigte Festplattenspeicher zur Installation des Betriebssystems wuchs auf 100 MB an.

Obwohl Microsoft mit Windows 98 bereits am 25. Juni 1998 den Nachfolger von Windows 95 präsentierte, wurde das Betriebssystem noch bis zum 31. Dezember 2001 weiterentwickelt und erhielt ebenso lange Produktunterstützung durch Updates.

Windows 95 auf 3,5-Zoll-Disketten...
Windows 95 auf 3,5-Zoll-Disketten... (Bild: winhistory)
...und auf einer CD-ROM
...und auf einer CD-ROM (Bild: winhistory)

C:\B_retro\...\Blue_Screen_of_Death\

Eine zweifelhafte Ehre

Mit dem Blue Screen of Death – oder kurz BSoD – erlangte Windows 95 die zweifelhafte Ehre, als Mutter aller Betriebssysteme mit häufigen Bluescreens einzugehen.

Einer der berüchtigten Windows 95 Blue Screens of Death (BSoD)
Einer der berüchtigten Windows 95 Blue Screens of Death (BSoD) (Bild: Wikipedia, CC BY 3.0)

Die Bluescreens von Windows 95 und späteren Betriebssystemen der Reihe Windows 9.x zeigten an, bei welchem durch den Hauptprozessor ausgelösten Interrupt bei der Fehlerbehandlung ein weiterer Fehler auftauchte:

  • 00 (Interrupt 0): Division by Zero (Division durch null)
  • 06 (Interrupt 6): Invalid Opcode (Ungültiger Befehl)
  • 0D (Interrupt 13): General Protection Fault (Allgemeine Schutzverletzung)
  • 0E (Interrupt 14): Paging Fault (Seitenfehler)

Obwohl sich die Häufigkeit der Bluescreens mit Windows 95b (4.00.950B) und Windows 95c (4.00.950C) deutlich reduzierte, ist das Betriebssystem noch heute für seine häufigen Bluescreens bekannt. Der historische Vorgänger des BSoD ist im Übrigen der Black Screen of Death der Reihe Windows 3.x, welcher noch ohne Fehlercode daher kam.

GIF Der Vorgänger des Bluescreens, der Blackscreen aus Windows 3.x (Bild: Wikipedia, CC BY 3.0)

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