AryaLinux im Porträt: Das eigene Linux aus dem Selbstbaukasten

Sven Bauduin
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AryaLinux im Porträt: Das eigene Linux aus dem Selbstbaukasten
Bild: AryaLinux

tl;dr: Die junge indische Linux-Distribution AryaLinux basiert auf dem Prinzip des auf GNU/Linux aufbauenden Projektes Linux From Scratch (LFS) und adressiert in erster Linie fortgeschrittene Individualisten und Baumeister, die sich ein maßgeschneidertes Desktop-System wünschen. Aber auch Einsteigern weiß AryaLinux zu gefallen.

AryaLinux

AryaLinux, oder auch aryalinux, ist eine junge indische Linux-Distribution, die auf den Prinzipien des seinerseits auf GNU/Linux aufbauenden Selbstbaukastens Linux From Scratch (LFS) basiert.

Als Betriebssystem adressiert die Linux-Distribution in erster Linie unter Linux fortgeschrittene Individualisten, die sich ein maßgeschneidertes Desktop-System wünschen und keine freie Software von der Stange. Aber auch Einsteiger können an AryaLinux durchaus Gefallen finden. Das gesamte Ökosystem wird vollständig aus den Originalquellen der jeweiligen Projekte erstellt und den Wünschen des Anwenders exakt angepasst. AryaLinux ist Linux von Grund auf.

Anwender müssen sich von Beginn an im Klaren darüber sein, dass man als Nutzer von AryaLinux keine fertigen Pakete installiert, sondern jene selbst aus dem Quelltext kompiliert. Am Ende des Installations- und Einrichtungsprozesses kann daher aber auch eine maßgeschneiderte Desktop-Plattform stehen.

Mit seinen vorgefertigten Skripten bietet AryaLinux dem Anwender die Möglichkeit, viele Arbeitsschritte optional zu automatisieren, und lässt ihm dennoch die Freiheit, jederzeit einzugreifen und selbst Hand anzulegen.

Linux From Scratch (LFS)

Linux From Scratch („Linux von Grunde auf“) ist ein von GNU/Linux abstammendes Projekt, das eine Schritt-für-Schritt-Anleitung in Form eines Tutorials zur Erstellung einer auf die individuellen Wünsche angepassten Linux-Distribution von Grund auf aus den Quelltexten anbietet.

Diese und weitere Details können und sollten Anwender der offiziellen Website des Projektes entnehmen, bevor sie mit AryaLinux oder anderen modularen LFS-Derivaten und Baukästen, wie NuTyX GNU/Linux, näheren Kontakt aufnehmen. Dieses Vorgehen gilt selbstverständlich in gleicher Weise auch für Arch Linux und dessen Ablegern.

Beyond Linux From Scratch (BLFS)

Während Linux From Scratch (LFS) Anwendern die Grundlagen vermittelt und erläutert, wie sie ein einfaches Grundsystem von Grund auf zusammenstellen, geht die Anleitung Beyond Linux From Scratch (BLFS) doch ein ganzes Stück weiter und widmet sich weiterführenden Themen wie der Installation verschiedener Desktop-Umgebungen sowie von Netzwerk- und Serverkomponenten.

Auch dieses Tutorial sollte sich jeder einmal näher angeschaut haben, der seine eigene Linux-Distribution aus dem Baukasten realisieren möchte und sich ein personalisiertes Betriebssystem zum Ziel gesetzt hat.

AryaLinux 2.4

Auch in der aktuellen Version 2.4 weist AryaLinux einige Besonderheiten auf, die es von vielen anderen der zurzeit 275 offiziell gelisteten Linux-Distributionen unterscheidet. Das indische Betriebssystem ist zugleich Distribution als auch Selbstbaukasten und Plattform für ein eigenes personalisiertes Linux und hilft Anwendern beim Einstieg.

Vorbereitung

Linux im Allgemeinen und eine Distribution wie AryaLinux 2.4 insbesondere wurzeln in Entscheidungen. Die Faszination dieser modularen Plattform resultiert nicht zuletzt aus den sich ergebenden Möglichkeiten und der damit verbundenen Freiheit, ausschließlich zu tun und zu lassen, zu installieren und zu nutzen, was einem ganz persönlich zusagt.

Doch zuerst einmal müssen Entscheidungen getroffen werden. Wie soll die personalisierte Linux-Distribution aussehen und was soll sie am Ende alles können? Welche Originalquellen sind vorhanden und wie können diese am besten eingebunden und genutzt werden? Anwender, die sich ein „Linux von Grund auf“ bauen wollen, sollten diese Fragen beantworten können und sich die entsprechenden Tutorials erkunden und schon kann es losgehen.

Installation

Um sich mit AryaLinux und einer LFS-Installation vertraut zu machen, sollte eine erste Installation immer in einer virtuellen Umgebung wie Oracle VM VirtualBox erfolgen. Auch kann das Systemabbild von AryaLinux auf einen USB-Datenträger geschrieben sowie von diesem gebootet und risikolos als Livesystem getestet werden.

AryaLinux 2.4 mit Gnome 3.36 („Gresik“) als Live-System
AryaLinux 2.4 mit Gnome 3.36 („Gresik“) als Live-System (Bild: AryaLinux)

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Installation ist zuerst einmal die Auswahl eines passenden Systemabbildes in Form einer ISO-Datei, dem sogenannten „Image“. Die Macher von AryaLinux bieten die folgenden Systemabbilder ihrer Distribution an:

Zum einen gibt es vier ISOs mit vorinstalliertem Desktop sowie Anwendungen für Office und Internet, die sogenannten „Desktop Environment Spins“, zum anderen aber auch die Slim-ISOs, die einzig den entsprechenden Desktop mitbringen. Außerdem lassen sich das Basissystem, der X Server und die Arbeitsumgebungen einzeln oder in unterschiedlichen Kombinationen herunterladen.

AryaLinux Systemabbilder (ISOs)
AryaLinux
Gnome
AryaLinux
KDE Plasma 5
AryaLinux
Mate
AryaLinux
Xfce
Gnome 3.36 KDE Plasma 5 Mate 1.24.0 Xfce 4.14.2
Download

Nachdem das ausgewählte Image mittels eines entsprechenden Tools wie Ventoy oder Rufus auf einen USB-Datenträger geschrieben wurde, kann dieser gebootet und mit der Installation begonnen werden.

Abhängig von der heruntergeladenen ISO zeigt das Auswahlmenü von Grub OS entweder Gnome, KDE, Mate oder Xfce als Standardoption an. Am Beispiel des „Desktop Environment Spins“ mit Gnome 3.36 wird die Installation des Betriebssystems im Folgenden näher erklärt.

Nachdem das Livesystem gestartet und der Desktop zu sehen ist, kann der Installer von AryaLinux, eine komfortable grafische Installationsroutine, über das Systemmenü gestartet werden.

Die Menüoption, mit der AryaLinux auf die SSD oder HDD gebannt wird, hat die Bezeichnung „Installer“ und findet sich unter den folgenden Menüpunkten:

  • Xfce -> Applications -> System -> Installer
  • KDE Plasma -> Applications -> System -> Installer
  • Mate Desktop Environment -> Applications -> System -> Installer
Start der Installationsroutine

In Gnome 3.36 ist der Installer direkt im Anwendungsstarter platziert, der über das Icon unten links auf dem Desktop gestartet wird. Nachdem der Installer gestartet ist, begrüßt eine intuitive und komfortabel zu bedienende Installationsroutine den Anwender.

Die grafische Installationsroutine von AryaLinux
Die grafische Installationsroutine von AryaLinux (Bild: AryaLinux)

Zuerst gilt es, ein geeignetes Laufwerk für AryaLinux auszuwählen und die gewünschten Partitionen anzulegen. Zu empfehlen ist laut Entwickler das folgende Schema:

  • EFI Partition: In case you have an GPT partition table and boot in EFI mode, you need to have an EFI partition where the bootloader can be installed.
  • Root Partition: Minimum 20GB
  • Home Partition: Minimum 2GB or whatever home partition you already have.
  • Boot Partition: 200MB or whatever boot partition you already have.
  • Swap partition: The swap partition is only needed if you have less than 4GB RAM. In such a case, a partition of size two times the RAM would be enough
Empfohlene Partitionierung

Im Anschluss werden noch die Zeitzone und das Layout der Tastatur ausgewählt sowie die Benutzerdaten eingetragen und ein Root-Passwort vergeben.

Nachdem das Root-Passwort vergeben ist, listet der Installer noch einmal alle ausgewählten Einstellungen und Optionen übersichtlich auf und letzte Anpassungen können vorgenommen werden. Sobald die Auswahl bestätigt wird, startet der eigentliche Installationsprozess und AryaLinux sowie die entsprechenden Pakete der ausgewählten ISO-Datei wandern auf den PC.

Im Anschluss an die Installation sollte das Installationsmedium entfernt und der PC neu gestartet werden. AryaLinux sollte starten und der Anwender sich im Gnome Desktop Environment wiederfinden.

Einrichtung

Als Nächstes steht der Anwender vor der Wahl der gewünschten Pakete, wozu ausschließlich die AryaLinux-eigenen Repositorien bemüht werden können, denn als LFS-Derivat basiert AryaLinux weder auf einer anderen Distribution, noch nutzt es fremde Quellen.

Da die indische Distribution noch sehr jung ist, sind die Repositorien vergleichsweise übersichtlich, aber dafür qualitativ hochwertige und gepflegte Quellen, die Anwendungen stets aus dem Quellcode kompilieren.

Die Installation von Anwendungen erfolgt über die Kommandozeile und das Tool alps, das beispielsweise mittels des Befehls alps install libreoffice die freie Office-Suite LibreOffice 6.4 installiert.

Programme werden mit dem Tool alps installiert
Programme werden mit dem Tool alps installiert (Bild: AryaLinux)

Auf Wunsch kann das Paket-Tool auch Hilfestellung zu sich selbst geben und ist für interessierte Anwender leicht zu erlernen.

Das Tool bietet eine umfangreiche Anleitung an
Das Tool bietet eine umfangreiche Anleitung an (Bild: AryaLinux)

Neben der Office-Suite stehen aktuelle Pakete für Mozilla Firefox und Thunderbird, Gimp und den VLC Player zur Verfügung. Die Repositorien von AryaLinux sind in den letzten Jahren stetig gewachsen, wenn auch noch immer vergleichsweise „dünn“.

Updates

Da jede Anwendung in AryaLinux und selbst das Betriebssystem als solches quellbasiert ist, ist es schwierig, das System aktualisierbar zu machen. Während andere Linux-Distributionen Binärpakete für Programmbibliotheken bereitstellen und sich problemlos aktualisieren lassen, ist dieser Prozess in einem LFS-Derivat so nicht vorgesehen, da es zu Problemen mit möglicherweise nicht auflösbaren Abhängigkeiten kommen könnte.

Aus diesem Grund wird bei AryaLinux das gesamte Betriebssystem aktualisiert, wenn eine neuere Version veröffentlicht wird, oder es werden nur Anwendungen aktualisiert, von denen andere Pakete oder Anwendungen nicht abhängig sind. Hierzu zählt Firefox, LibreOffice oder auch der VLC Media Player.

AryaLinux unterstützt zwei Arten von Updates: die Selbstaktualisierung einzelner Pakete durch den Anwender sowie Aktualisierungsskripte, mit denen sich alps automatisieren lässt. Weitere Informationen zur Paketverwaltung und zu Aktualisierungen stellen die Entwickler in der Dokumentation zum AryaLinux Packaging System (alps) bereit.

Besonders interessierte Nutzer können noch tiefer in die Materie „Linux From Scratch“ eintauchen und sich auf Basis der Slim-ISOs oder gar des Basissystems jeden noch so kleinen Baustein ihres Betriebssystems aus dem Quellcode kompilieren. Zudem sind AryaLinux und das LFS-Projekt ein schöner Übergang zu Arch Linux und dessen Derivaten.

AryaLinux 2.4 mit Gnome 3.3.6
AryaLinux 2.4 mit Gnome 3.3.6 (Bild: AryaLinux)

AryaLinux ist ein Linux von Grund auf

AryaLinux adressiert ganz klar fortgeschrittene Linux-Anwender oder solche, die es werden wollen, und ermöglicht diesen einen ersten Einblick in das Kompilieren eines Systems und dessen Anwendungssoftware aus den Originalquellen heraus.

Durch Hilfsmittel wie die vorgefertigten „Build Scripts“ stellt AryaLinux dem Anwender aber keine unüberwindbaren Hürden in den Weg und bietet einen einfachen Einstieg in die Welt von Linux From Scratch (LFS) und Beyond Linux From Scratch (BLFS).

AryaLinux kann vor allem Anwendern empfohlen werden, die ein personalisiertes Linux bis ins Detail selbst aus den Originalquellen bauen wollen, sich aber an ein reines Arch Linux noch nicht herantrauen.

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