OnePlus 9 & OnePlus 9 Pro im Test: Kamerasystem aus Hasselblad-Kooperation

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Nicolas La Rocco
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Für die OnePlus-9-Serie hat sich der Smartphone-Hersteller mit dem schwedischen Traditionshersteller von Mittelformatkameras Hasselblad zusammengetan, wie es das dezente Branding auf der Rückseite erkennen lässt. Das 1841 gegründete Unternehmen steuert jedoch keinerlei Hardware bei, sondern war mitverantwortlich für die Algorithmen, die aus den Rohdaten der Sensoren ein ansehnliches Foto machen sollen. Vor allem im Bereich der Farbabstimmung sei ein Look angelehnt an das, was Kameras von Hasselblad leisten, das Ziel gewesen, erklärt OnePlus in der Ankündigung.

Bei der Kooperation soll es sich nicht um eine einmalige Sache, sondern um ein zunächst auf drei Jahre befristetes Projekt handeln, das mit der nächsten Generation auch von Hasselblad mitentwickelte Hardware zum Ziel hat. Welche Smartphone-Komponenten Hasselblad eines Tages mitentwickeln könnte, war OnePlus im Vorfeld der Präsentation nicht zu entlocken.

Hasselblad-Kameras waren übrigens die ersten Kameras auf dem Mond und wurden von den US-Astronauten des Apollo-Programms für ihre ikonischen Fotos genutzt. Daher rührt auch das in den Produktfotos der Smartphones erkennbare Mond-Theme, das allerdings der Verpackung für Pressevertreter mit beiden Leihgeräten vorbehalten ist. Schade, dass OnePlus nicht auch bei den Smartphones oder beim Zubehör mehr die Themen Mond oder NASA ins Spiel gebracht hat. Reguläre Endkunden werden zudem eine vergleichsweise normale Verpackung im OnePlus-typischen Rot ohne Mond-Theme, aber mit Hasselblad-Logo erhalten.

Kamerasystem aus Kooperation mit Hasselblad
Kamerasystem aus Kooperation mit Hasselblad

Nach Zeiss bei Sony oder Leica bei Huawei folgt nun also OnePlus mit Hasselblad im Bereich der Kameras. Letztlich muss man aber insofern realistisch bleiben, dass die Kooperation zwar noch so tiefgehend sein kann, unterm Strich aber dennoch bei der Hardware eine Limitierung bestehen wird. Selbst die größten Sensoren für Smartphones sind weit von Vollformat- und noch viel weiter von Mittelformatkameras entfernt. Verdammen sollte man die Bemühungen der Hersteller deshalb zwar nicht, eine gesunde Portion Skepsis ist bei solchen Partnerschaften allerdings stets angebracht.

Neuer Sony-Sensor für die Hauptkamera

In puncto Hardware setzt OnePlus für die Hauptkamera des OnePlus 9 Pro auf einen 1/1,4 Zoll großen Sony IMX789, den OnePlus gemeinsam mit den Japanern entwickelt hat. Genau genommen hat den Sensor aber eher der BBK-Konzern mit Sony entwickelt, denn auch im Oppo Find X3 Pro kommt dieses Modell mit 48 Megapixeln zum Einsatz. Eine Besonderheit des Sensors ist dessen Support für „Digital Overlap High Dynamic Range“ (DOL-HDR), das zwei Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtung beinahe simultan statt hintereinander aufnimmt, indem zeilenweise direkt hintereinander die unterschiedlichen Werte ausgelesen werden. HDR-Aufnahmen sollen so in Windeseile im Kasten sein und weniger Bewegungsunschärfe aufweisen.

Das OnePlus 9 nutzt hingegen den Sony IMX689, der bereits aus dem OnePlus 8 Pro (Test) bekannt ist und ebenfalls 48 Megapixel bietet und mit 1/1,43 Zoll ähnlich groß ausfällt, aber auf Features wie DOL-HDR verzichten muss und stattdessen mit klassisch drei Aufnahmen hintereinander für HDR arbeitet. Auch für diesen Sensor steht im Pro-Modus aber wahlweise das Speichern im RAW-Format mit 12 Bit zur Auswahl.

Das OnePlus 9 Pro bietet mit dem Tele eine Kamera mehr
Das OnePlus 9 Pro bietet mit dem Tele eine Kamera mehr

Ultraweitwinkel mit Freiform-Linse

Die zweite Kamera ist für beide Smartphones identisch, arbeitet mit 50 Megapixeln auf 1/1,56 Zoll (Sony IMX766) und ist mit einem Ultraweitwinkelobjektiv ausgestattet, das eine sogenannte Freeform- oder auch Freiform-Linse nutzt. Diese Linsen sollen im Randbereich sphärische Aberrationen von üblicherweise 10 bis 20 Prozent auf nur noch 1 Prozent reduzieren. Was normalerweise in Software berechnet werden muss, wird also bereits in Hardware umgesetzt. Sichtbar werden soll der Vorteil zum Beispiel bei Aufnahmen etwa von geraden Gebäuden, die auf dem Foto nicht mehr der Krümmung des Objektivs folgend eingefangen werden sollen. Ultraweitwinkelkameras zeigen bisher häufig auch am Horizont eine durch das Objektiv verursachte Krümmung.

Tele mit 3,3-facher Vergrößerung

Bei der dritten und vierten Kamera weichen die Smartphones erneut voneinander ab. Das OnePlus 9 bietet einen zusätzlichen 2-Megapixel-Sensor für eine ausschließlich monochrome Kamera, die Schwarz-Weiß-Aufnahmen unterstützen soll. Selbige Kamera setzt das OnePlus 9 Pro an Position 4 und stellt als dritten Sensor stattdessen ein Tele mit 3,3-facher optischer Vergrößerung (77 mm) zur Verfügung. Diese Kamera arbeitet mit 8 Megapixeln und wird wie die Hauptkamera von einem optischen Bildstabilisator (OIS) unterstützt.

OnePlus, Samsung, Apple und Google im Vergleich

Aber genug von den technischen Daten und auf zu den Vergleichsaufnahmen, die ComputerBase neben dem OnePlus 9 und dem OnePlus 9 Pro mit den Modellen OnePlus 8 Pro, Galaxy S21 Ultra, iPhone 12 Pro Max (Test) und Pixel 5 (Test) angefertigt hat.

Die erste Galerie zeigt ausschließlich Aufnahmen bei Tag und fängt mit einer Aufnahme vor der Alten Nationalgalerie mit der Ultraweitwinkelkamera an, die nicht nur ein breiteres Sichtfeld abdeckt, sondern auch eine merklich bessere Qualität liefert. Vor allem im Randbereich ist gut zu erkennen, wie das OnePlus 9 (Pro) deutlich mehr Details einfängt und nicht „verschmiert“. Die Hauptkamera zeigt in der zweiten Aufnahme, dass die Kooperation mit Hasselblad hinsichtlich der Farbabstimmung funktioniert hat, denn die übersättigten Büsche gibt es hier nicht mehr zu sehen. Das OnePlus 9 Pro mit dem neuen Sensor schneidet besser als das OnePlus 9 ab und weist einen größeren Dynamikumfang auf. Samsung, Apple und Google liefern in dieser Szene aber ebenfalls gute Ergebnisse. An der Baustelle des Pergamonmuseums zeigt das OnePlus 9 Pro einen sehr hohen Detailgrad, der den Schmutz auf den Würth-Wannen, dem Boden oder der rechten Leitplanke plastisch wirken lässt. Auch an den Fassaden, den Baugerüsten oder am Kran fängt OnePlus viele Details ein. Beim Blick durch den Rettungsring hellen Apple und Samsung zu stark auf, Google hingegen trifft das Motiv sehr gut.

OnePlus 9 (Pro) im Test – Kamera (Tag)

Mit der neuen Ultraweitwinkelkamera legt OnePlus den leichten Blauschimmer des Vorgängers ab, wie der Blick durch den Brückenbogen in Richtung der Weidendammer Brücke verdeutlicht. Beide neuen Geräte zeigen aber etwas weniger Details in der Ferne und im Himmel, dafür fällt der Kontrast nicht so hart aus. Von der Konkurrenz schneidet vor allem das iPhone 12 Pro Max beim Dynamikumfang sehr gut ab, wenngleich das Bild etwas weicher ausfällt. Beim Blick auf das Tauchschiff verdeutlicht sich der anfängliche Eindruck zur besseren Farbabstimmung, da OnePlus den Neoneffekt von Gelb- und Rottönen ablegt, wie das Schiff selbst und die rote Schlauchtrommel unter dem Hamburg-Schriftzug zeigen. Bislang hat sich OnePlus an Samsungs Abstimmung orientiert, die diese überspitzte Darstellung ebenfalls aufweist. Gut erkennbar ist das bessere Verhalten teils auch bei Blautönen wie etwa am Eingang zum U-Bahnhof Bundestag, wobei das OnePlus 9 Pro leicht die Nase vor dem normalen OnePlus 9 hat.

Manchmal hat das OnePlus 9 Pro aber auch das Nachsehen, wenn der Automatikmodus nicht ganz wie erwartet arbeitet. Im U-Bahnhof angekommen, fällt die Beleuchtung zu grell aus, insbesondere im Bereich der Decke fehlen Details. Mit der gleichen Kamera ausgerüstet, meistert der Automatikmodus des OnePlus 9 die Szene besser. Und vor allem das Galaxy S21 Ultra zeigt in dieser Szene, dass auch Samsung bei der Ultraweitwinkelkamera sehr gute Ergebnisse liefert.

Beim Wechsel zur Nacht knipst das OnePlus 9 Pro an der Spree das beste Foto mit der Hauptkamera und setzt sich vom kleineren Bruder OnePlus 9 ab, das trotz des gleichen Sensors im Vergleich zum OnePlus 8 Pro das Nachsehen hat. Es mangelt schlichtweg an Details im Hintergrund und an Schärfe im Randbereich. Auch Samsung schafft das besser, wirkt dabei aber grobkörnig. Das iPhone 12 Pro Max bildet die Szene zu dunkel ab und das Pixel 5 hält bei der Schärfe nicht mit. Aus dem uralten Sony-Sensor kann Google selbst mit viel Software-Trickserei nicht mehr die Ergebnisse der Konkurrenz ziehen.

Vor dem Berliner Dom zeigt die Ultraweitwinkelkamera des OnePlus 9 (Pro) ihre Stärken bei Nacht und spielt die versammelte Konkurrenz an die Wand. Besonders schlecht schneidet hier das iPhone 12 Pro Max ab, aber auch das OnePlus 8 Pro produziert eine miserable Aufnahme. Vor dem rot beleuchteten Eingang zur Fabrik an der Greifswalder Straße wird die klare Verbesserung gegenüber dem OnePlus 8 Pro ebenfalls deutlich. Das Galaxy S21 Ultra hat mit einer starken Farbverfälschung zu kämpfen, während das iPhone 12 Pro Max ein gutes Ergebnis liefert. Das Pixel 5 trifft die Farben korrekt, bildet die Szenerie aber zu dunkel ab. Vor dem Imbiss glänzen OnePlus 9 und OnePlus 9 Pro erneut mit der realistischsten Abbildung, während vor allem das iPhone 12 Pro Max nicht mit der Beleuchtung umgehen kann. Das OnePlus 8 Pro hat bei diesem Motiv mit stärkerem Rauschen zu kämpfen als die neuen OnePlus-Geräte.

OnePlus 9 (Pro) im Test – Kamera (Nacht)

Klare Verbesserung der Kameras

Das Fazit zur Kamera fällt zugunsten des OnePlus 9 Pro aus, das in der High-End-Klasse endlich dort angekommen ist, wo man das Smartphone angesichts der Positionierung am Markt erwartet. 2021 zählt damit auch OnePlus zu den Herstellern, die in puncto Kamera sehr gute Ergebnisse liefern. Das soll nicht bedeuten, dass OnePlus-Kameras bisher schlecht waren, sondern lediglich, dass mit eher wechselndem Erfolg sehr gute Aufnahmen möglich waren, was jetzt zum Großteil und damit in deutlich mehr Situationen der Fall ist. Manchmal produziert der Automatikmodus nicht ganz so ansehnliche Ergebnisse, diese Situationen gibt es aber bei allen Flaggschiffen der großen Hersteller. Bei der Farbabstimmung ist jedoch eine klare Verbesserung zu erkennen, sodass die Kooperation mit Hasselblad Früchte zu tragen scheint. Ob OnePlus diese Verbesserung auch ohne Hasselblad hätte erreichen können, lässt sich nicht beantworten. Fest steht aber, dass der schwedische Partner das Kamerasystem durchaus merklich aufwertet und nicht nur hohles Branding dahintersteckt.

Das normale OnePlus 9 liefert ebenfalls gute bis teils sehr gute Ergebnisse, da die Ultraweitwinkelkamera auf demselben Niveau liegt. Die Hauptkamera entspricht in puncto Hardware aber dem OnePlus 8 Pro, sodass Verbesserungen lediglich aus der Kooperation mit Hasselblad entstehen, die aber definitiv auch hier vorhanden sind. Doch das OnePlus 9 Pro ist mit seinem neuen Sensor unterm Strich letztlich überlegen.