MWC 2023

USB-IF: Wettrüsten beim proprietären Schnellladen nicht hilfreich

Nicolas La Rocco
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USB-IF: Wettrüsten beim proprietären Schnellladen nicht hilfreich

Das USB-IF hat mit USB-C 2.1 und USB-PD 3.1 die Grundlage für das Schnellladen von Geräten mit bis zu 240 Watt geschaffen. Das Wettrüsten mancher Hersteller mit proprietären, zu USB-PD inkompatiblen Methoden des Schnellladens hält das USB-IF für wenig hilfreich. Endverbraucher sollen mit neuen Logos besser erreicht werden.

USB-C 2.1 mit USB-PD 3.1 für 240 Watt

Mit Vorstellung der USB-C-Spezifikation 2.1 wurde vor knapp zwei Jahren die Voraussetzung für das Laden von Geräten mit bis zu 240 Watt über die universelle Schnittstelle geschaffen. Die Spezifikation beschreibt dabei das USB-C-Format als solches, davon zu unterscheiden ist das jeweils genutzte USB-Protokoll. War bei USB-C 2.0 der Aspekt USB-PD (Power Delivery) noch auf maximal 100 Watt limitiert, kann USB-C 2.1 mit USB-PD 3.1 mittels Extended Power Range (EPR) auf bis zu 240 Watt gehen. Dafür wird die Spannung von bislang maximal 20 auf bis zu 48 Volt angehoben, während die Stromstärke bei 5 Ampere verbleibt. Dazwischen gibt es neue Abstufungen mit 28 und 36 Volt, die die bisherigen Varianten mit 5, 9, 15 und den zuvor genannten 20 Volt ergänzen.

USB-C 2.1 mit USB-PD 3.1 unterstützt bis zu 240 Watt
USB-C 2.1 mit USB-PD 3.1 unterstützt bis zu 240 Watt (Bild: USB-IF)

China entwickelt an USB-PD vorbei

Unterdessen haben vor allem chinesische Smartphone-Hersteller zuletzt immer wieder stärkere, am USB-PD-Standard vorbei entwickelte Schnelllademethoden auf den Markt gebracht. Jüngster Spitzenreiter ist Realme mit dem GT Neo 5, das als GT3 nach Europa kommen soll und dessen Akku mit 240 Watt innerhalb von 9 Minuten vollständig geladen werden kann. Von einem etablierten USB-PD-Standard sind diese Lösungen jedoch weit entfernt, schließlich arbeitet Realme im konkreten Beispiel mit 20 Volt bei 12 Ampere anstelle von 48 Volt bei lediglich 5 Ampere, die USB-PD 3.1 vorsieht.

Rahman Ismail, CTO des USB-IF, hält diese Entwicklung für bedenklich, weil es sich um proprietäre Methoden anstelle von Standards handelt. Dass diese Hersteller aktuell bis zu 12 Ampere über die gleichen Kontakte schicken, während sich das USB-IF auf 5 Ampere beschränkt, sei eine potenziell gefährliche Entwicklung weit weg vom angestrebten Standard. Realme muss das GT3 dementsprechend mit einem angepassten Kabel ausliefern, das ebenso nicht dem USB-PD-Standard entspricht.

The realme GT3 comes with a custom 12A charging cable. The ultra-fast 12A cable provides the industry's highest charging current.

Realme zur Ankündigung des GT3

USB-IF zertifiziert keine Teilaspekte

Nur zum Teil zu USB-PD kompatible Netzteile und Kabel werden vom USB-IF generell nicht zertifiziert, wie Ismail auf Nachfrage erklärte. Ein Hersteller kann demnach nicht zum Beispiel offizielles USB-PD bis 100 Watt in sein Netzteil integrieren, darüber hinaus ein eigenes Verfahren bis exemplarisch 300 Watt anbieten und sich dann dennoch über den Teilaspekt für das gesamte Produkt eine Zertifizierung des USB-IF besorgen. Das 300-Watt-Beispiel kommt nicht von ungefähr, denn Xiaomi hat das Laden mit maximal 300 Watt jüngst anhand eines modifizierten Redmi 12 in China demonstriert.

240-Watt-Geräte im ersten Quartal

Dass Hersteller eigene Wege gehen, kommt allerdings nicht von Ungefähr. Obwohl die Erweiterung bei USB-C und USB-PD bereits vor rund zwei Jahren angekündigt wurde, sind noch keine entsprechenden Geräte auf dem Markt verfügbar. Erste Lösungen würden derzeit die Zertifizierung durchlaufen, hieß es vom USB-IF zum MWC 2023. Auf den Markt sollen erste Produkte mit USB-C 2.1 samt USB-PD 3.1 noch im Verlauf des ersten Quartals dieses Jahres kommen. Dementsprechend konnte die Organisation zur Messe noch keine Ladesysteme oder Geräte mit 240 Watt vorführen, zu sehen gab es hingegen bereits entsprechende Kabel der Anbieter Club 3D und Plugable.

Neue USB-Logos für Endverbraucher

Den Endverbraucher sollen künftig mal wieder neue Logos durch den Dschungel verschiedenster USB-Standards führen. Dabei stellte Ismail noch einmal klar, dass die eigentlichen USB-Spezifikationen wie USB 3.2 Gen 2 oder USB4 und das neue USB4 2.0 eigentlich nie für die Endverbraucher gedacht waren. Alternative Bezeichnungen wie „SuperSpeed“ waren zudem ebenso wenig dabei erfolgreich, für mehr Durchblick beim Käufer zu sorgen.

Von jetzt an sollen für den Endverbraucher nur noch die Geschwindigkeiten der Identifizierung dienen, nicht mehr die zugrundeliegende Revision oder Technologie. Für Käufer soll auf den Verpackungen, an den Ports oder anderweitig auf dem Produkt nur noch mit USB 80Gbps, USB 40Gbps, USB 20Gbps, USB 10Gbps und USB 5Gbps geworben werden. Diese Umstellung hatte das USB-IF letzten Herbst angekündigt.

Logo-Pflicht nur für Kabel

Diese neuen Logos sind allerdings abermals rein optional, wie auf Nachfrage gegenüber ComputerBase bestätigt wurde. Das USB-IF will den Herstellern schlichtweg keine Vorgaben beim Design ihrer Produkte machen. Apple ist stets ein gutes respektive schlechtes Beispiel dafür, wie Geräte für ein „cleaneres Design“ flächendeckend ohne Beschriftungen an den Ports auskommen. Pflicht sei die Markierung laut USB-IF hingegen bei Kabeln, wenngleich auch dort nicht zwangsweise das Kabel selbst beschriftet werden muss, sondern auch ein Etikett ausreicht, das der Endverbraucher später abreißen kann.

Auf dem USB-C-Kabel oder Etikett müssen die Geschwindigkeit und der Ladestandard stehen, wobei das alte USB mit nur 480 Mbit/s alias USB 2.0 eine Ausnahme bei der Beschriftung bildet. Das USB-IF wollte Endverbraucher schlichtweg nicht mit der Angabe „480 Mbps“ verwirren, die für Laien auf den ersten Blick größer erscheint als „40 Gpbs“ oder „80 Gbps“, wenn man nicht mit den jeweiligen Einheiten vertraut ist. USB-C-Kabel, die noch das sehr alte USB-2.0-Protokoll nutzen und somit primär fürs Laden statt für die Datenübertragung gedacht sind, werden deshalb lediglich mit einer Angabe in Watt markiert.

Im Sinne des Verbrauchers sind Entscheidungen wie diese und die im Allgemeinen zuletzt eingebrachten Veränderungen zu begrüßen und könnten potenziell tatsächlich für etwas mehr Klarheit beim Konsumenten sorgen. Für die Tech-Presse sind diese Anpassungen letztlich nicht gedacht; die kann sich weiterhin leidenschaftlich mit den Standards und Protokollen hinter den neuen Bezeichnungen auseinandersetzen. Der Running Gag, dass mit jeder Überarbeitung alles nur noch unübersichtlicher und schlimmer wird, muss irgendwo ja seine Fortsetzung finden.

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