Google-Kartellverfahren: Microsoft wollte Bing-Suche an Apple verkaufen

Andreas Frischholz
33 Kommentare
Google-Kartellverfahren: Microsoft wollte Bing-Suche an Apple verkaufen

Rund um das Google-Kartellverfahren gibt es interessante Einblicke in das Suchmaschinengeschäft der Big-Tech-Konzerne. Laut einem Bericht von Bloomberg haben Microsoft-Manager im Jahr 2020 bereits erste Gespräche mit Apple geführt, um den Rahmen für einen Verkauf auszuloten.

Getroffen haben sollen sich namentlich nicht genannte Microsoft-Führungskräfte mit Eddy Cue, der als Senior Vice President für Apples Dienste verantwortlich ist. Es habe sich aber nur um Sondierungsgespräche für einen potenziellen Verkauf gehandelt. Ein fortgeschrittenes Stadium sollen diese Verhandlungen nie erreicht haben, schreibt Bloomberg unter Verweis auf mit den Vorgängen vertrauten Personen.

Apple blieb bei Google als Standardsuche

Dass Apple bei Google bleibt, liegt laut dem Bloomberg-Bericht an dem Suchmaschinen-Abkommen der Konzerne. Bis 2020 kassierte Apple nach Angaben des amerikanischen Bundesjustizministeriums rund 4 bis 7 Milliarden US-Dollar von Google. 2021 wurde das Abkommen zwischen den Konzernen verlängert. Medienberichte sprechen von 15 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, für 2022 stehen sogar 18 bis 20 Milliarden US-Dollar im Raum.

Diese Einnahmen sind auch der ausschlaggebende Grund, warum Apple nicht Bing einsetzen wollte. Zusätzlich habe es noch Zweifel gegeben, ob die Qualität der Suche ausreicht, um mit Google mitzuhalten.

Mehrmals über die Jahre soll es zudem Gespräche gegeben haben, damit Bing die Standard-Suche auf Apple-Geräten wird. Microsoft war wohl bereit, selbst Milliarden-Beträge in die Hand zu nehmen. Verhandlungen liefen rund um das Jahr 2016, an diesen sollen sogar die CEOs Satya Nadella und Tim Cook beteiligt gewesen sein. Trotz der Gespräche blieb Apple aber bei Google. Bing wurde lediglich von 2013 bis 2017 bei bestimmten Anwendungen wie Siri als Standardsuche verwendet, das endete aber, als Apple 2017 das Abkommen mit Google erneuerte.

Microsoft hatte Bing 2009 als Google-Konkurrent gestartet, doch die meiste Zeit spielte die Suche nur eine Nischenrolle im Markt. Googles Marktanteil beläuft sich nach wie vor auf rund 90 Prozent, Bing liegt bei unter 10 Prozent. Erst mit dem Start von Bing-Chat – also der Integration von OpenAIs KI-Sprachmodellen – erhielt man Aufwind. Viel davon läuft aber über die öffentliche Wahrnehmung, bei den Nutzerzahlen war der Sprung überschaubar.

Größtes Tech-Kartellverfahren seit der Microsoft-Klage aus 1998

Derweil läuft weiterhin das Kartellverfahren gegen Google, die Klage hatte das amerikanische Bundesjustizministerium Mitte September eingereicht. Die Vorwürfe lauten: Indem Google Smartphone-Anbieter wie Apple oder Browser-Entwickler wie Mozilla bezahlt, damit die Google-Suche als Standard voreingestellt ist, behindere man den Wettbewerb. Denn Google nutze mit diesen Abkommen seine Monopolstellung aus, um die Marktmacht im Suchmaschinengeschäft zu zementieren.

Ein Urteil kann weitreichende Konsequenzen haben. Von der Größenordnung handelt es sich um kein normales Verfahren, sondern es ist vergleichbar mit der Klage gegen Microsoft aus den 1990er Jahren. Damals lautete eine der Forderungen, Microsoft zu zerschlagen. Zu was das Google-Verfahren führt, lässt sich noch nicht abschätzen.

Apple verteidigt Google-Abkommen

Apple hat die Suchmaschinen-Abkommen vor Gericht bereits verteidigt. Vice President Eddy Cue sagte laut einem Bericht von The Verge, zur Google-Suche gebe es keine valide Alternative. Er gilt als einer der prominentesten Zeugen in dem Verfahren.

Das Abkommen, das Google zur Standardsuche auf Apple-Produkte macht, existiert im Kern seit 2002. Regelmäßig wird es neu verhandelt, laut Cue geht es dabei insbesondere um den Umsatzanteil, den Apple von den Einnahmen erhält, die Google mit Apple-Nutzern erzielt. Wie hoch diese Summen sind, wurde im öffentlichen Teil der Verhandlungen nicht gesagt.

Angeblich spricht Qualität für Google – und nicht 15 Milliarden US-Dollar

Grundsätzliche Zweifel bestanden aber offenbar nie an der Zusammenarbeit. „Ich hatte immer das Gefühl, es war in Googles bestem Interesse und in unserem besten Interesse, dieses Abkommen abzuschließen“, so Cue. Die Kernfrage ist allerdings, ob Apple nun Google wegen der Qualität der Suchmaschine oder dem lukrativen Abkommen als Standardsuche nutzt. Zumindest der Bloomberg-Bericht legt nahe, dass Geld der entscheidende Faktor war. Cue verweist vor Gericht indes auf die Qualität konkurrierender Dienste, brauchbare Alternativen wären nicht auf dem Markt.

Auch einen Auswahlbildschirm beim Einrichten eines Apple-Geräts – also ähnlich wie die Auflage für Microsoft in der EU – lehnt er ab. Apple möchte, dass der Installationsprozess so schnell wie möglich abläuft. Außerdem würden Nutzer die Suche so schon leicht ändern können. Damit liegt Cue auf der Linie der Verteidigung. Denn Google sagt selbst, trotz der Abkommen wären Alternativen nur wenige Klicks entfernt – und so relevant wären jene ohnehin nicht.

Microsoft-Chef Nadella am Montag im Zeugenstand

Ein Aspekt, der jedoch immer noch nicht die Frage beantwortet, warum dann Google Summen von mutmaßlich bis zu 15 Milliarden US-Dollar pro Jahr zahlt. Spannend wird daher sein, wie das Verfahren weiterläuft. Der nächste prominente Zeuge wird am Montag erwartet, dann soll Microsoft-Chef Satya Nadella aussagen.

Microsoft-Mitarbeiter erklärten bereits diese Woche vor Gericht, Googles Abkommen wären mitverantwortlich für Bings geringen Marktanteil, berichtet Reuters.