Feder Dämpfer System bei einer Rüttelplatte (Eigenfrequenz)

iNFECTED_pHILZ

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Da bisher viele meiner Fragen hier beantwortet werden konnten, hoffe ich mal, dass auch ein Auslug in die technische Mechanik von Erfolg gekrönt sein wird :)

Es geht mir um die Modelbildung für Eigenfrequenzen an einer Rüttelplatte.
Der Hintergrund ist, dass ich den Mund wohl etwas voll genommen habe.

Mein Vater montiert diese Geräte und sprach immer davon, dass an der Deichsel zum Führen der Geräte so viel Vibrationen an den Benutzer kommen.
Ich, der nun zumindest theoretisch weiß wie so Feder Dämpfer Systeme berechnet werden können meinte, dass man das ganze doch nur aufeinander abstimmen müsse. So schwer kann das doch nicht sein. Nunja, weit gefehlt.

So eine Rüttelplatte besteht aus einem Oberwagen m_2 (Motor, Tank, Elektronik etc) und einem Unterwagen m_1 (Erreger, Umwucht, Grundplatte..) welche mittels Gummipuffer miteinander montiert sind. Diese Gummipuffer bilden die Feder/Dämpfer.


Screenshot 2023-07-06 080801.png



Betrachten wir mal nur den stehenden Fall. F schwingt aufgrund des Erregers Sinusförmig. C2 und B2 werden über die Gummipuffer definiert. m2 und m1 sind bekannt.
Kopfschmerzen bereitet mir jedoch das untere System C1 und B1.
Dieses ist:
  • erst mal unbekannt bzw. ändert sich ja schon enorm. Weicher Lehmboden ungleich Split. Aber das könnte man sicher irgendwie annähern. Können wir mal als Bekannt ansehen
  • wirkt es doch nur bei negativem F. Sobald der Unterwagen nach oben springt gibt es doch gar keine Wechselwirkung zwischen Boden und Rüttelplatte.

Habe ich einen Denkfehler oder kann man das so erst mal gar nicht lösen?

Besten Dank im Vorraus!
 
iNFECTED_pHILZ schrieb:
Habe ich einen Denkfehler oder kann man das so erst mal gar nicht lösen?

Besten Dank im Vorraus!
Frag doch mal bei Audi / BMW / Daimler / Ford / VW nach, wie die das sehen.

Irgendwie müssen die ja die Kombinationen berechnen.
 
Glaube kaum dass ich da jemanden für meine Hobbygedankenspielereien zu überreden könnte. Professionelle Hilfe auf dem Level wird immer Geld kosten. So bekomm ich ja auch Geld.
Forum ist halt immer was anderes, vllt hat ja jemand ne zündende Idee.

Ist halt keine 0815 Mathetestaufgabe.
 
Die Aufgabe ist tatsächlich nicht so einfach. Aber der Reihe nach: So wie du das System gezeichnet hast, entspricht das einem Zweimassenschwinger. Dann kannst du m2 als Tilger zu m1 auslegen (eine Literaturquelle wäre z.B. Dresig/Holzweißig "Maschinendynamik"). Wenn du beide Dämpfungen zu Null setzt, dann gibt es im vereinfachten Modell tatsächlich die sog. Tilgungsfrequenz, bei der m1 komplett schwingungsfrei wäre.

Allerdings: Dieser Punkt existiert so nur im (über-)vereinfachten Modell. Die Realität sieht anders aus
  • Die Dämpfungen sind in Realität vorhanden, allein dadurch schwingt die Masse m1 immer
  • Die Tilgungsfrequenz gilt für exakt einen Parametersatz. Allerdings variieren Steifigkeit/Dämpfung des Bodens über verschiedenste Größen wie Art und Feuchtigkeit, sowie mit zunehmenden Verdichtungsgrad. Man kann also nie exakt auf einen Parametersatz abstimmen, die meisten Betriebspunkte sind also nicht im Optimum. In der Auslegung kann man höchstens schauen, dass möglichst viele Parametersätze nahe am Optimum sind.
  • Wie von dir richtig erkannt, bewirkt der Boden nur Druck-, aber keine Zugkräfte. Damit ist man im Bereich nichtlinearer Differentialgleichungen. Entsprechend gibt es keine analytische Formel, mit der man Schwingungsamplituden berechnen kann.
  • Ich würde zudem von weiteren Nichtlinearitäten ausgehen: Die Parameter von Gummidämpfern variieren mit Frequenz, Amplituden und Temperatur. Mit Bodenmechanik kenne ich mich nicht so gut aus, aber mich würde es wundern, wenn der sich komplett linear verhält.
  • Im bisherigen Modell gehst du davon aus, dass sich die Rüttelplatte nur translatorisch-vertikal bewegt. Ein solches Gerät kann jedoch auch in Querrichtungen schwingen und kippeln. Letztlich haben alle Körper eine 3D-Bewegung. Bei Auslegung einer Tilgung in eine Richtung spürt der Nutzer immer noch die Schwingungen in die anderen Richtungen.

Wegen all dieser Einflüsse werden also immer Restschwingungen bleiben. In der Praxis sieht eine Auslegung grob so aus: Man erstellt Simulationsmodell (z.B. in Matlab). Dieses berechnet dann die Schwingungen am Handgriff mithilfe numerischer Integration der Bewegungsgleichungen (Impulssatz und Drallsatz). Dann sucht man sich eine Maschinenkonfiguration, für welche die Schwingungen über mehrere Bodenvarianten günstig sind.

Das wäre die Simulationsseite. Anschließend kommen noch all die schönen Randbedingungen wie Bauraum, Gewicht, Kosten, etc. dazu. Die finale Lösung ist dann am Ende gar nicht die mit den geringsten Schwingungen, sondern diejenige mit ausreichend niedrigen Schwingungen in einem insgesamt ausgewogenem Maschinenkonzept.
 
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Vielen Dank @Faluröd
Das ist jetzt erst mal viel Input.

Beim Durchlesen ist mir auch aufgefallen, dass ich das ganze auch erst mal völlig falsch angegangen bin.
Aber der Reihe nach...
Faluröd schrieb:
Die Aufgabe ist tatsächlich nicht so einfach. Aber der Reihe nach: So wie du das System gezeichnet hast, entspricht das einem Zweimassenschwinger. Dann kannst du m2 als Tilger zu m1 auslegen (eine Literaturquelle wäre z.B. Dresig/Holzweißig "Maschinendynamik"). Wenn du beide Dämpfungen zu Null setzt, dann gibt es im vereinfachten Modell tatsächlich die sog. Tilgungsfrequenz, bei der m1 komplett schwingungsfrei wäre.
Den Dresig habe ich sogar noch im Büro :D Hinterlassenschaften meines Vorgängers..

Faluröd schrieb:
Allerdings: Dieser Punkt existiert so nur im (über-)vereinfachten Modell. Die Realität sieht anders aus
  • Die Dämpfungen sind in Realität vorhanden, allein dadurch schwingt die Masse m1 immer
Ist richtig. Idealisieren kann man viel, aber reell darf da natürlich eine Restschwingung vorhanden sein.
Faluröd schrieb:
  • Die Tilgungsfrequenz gilt für exakt einen Parametersatz. Allerdings variieren Steifigkeit/Dämpfung des Bodens über verschiedenste Größen wie Art und Feuchtigkeit, sowie mit zunehmenden Verdichtungsgrad. Man kann also nie exakt auf einen Parametersatz abstimmen, die meisten Betriebspunkte sind also nicht im Optimum. In der Auslegung kann man höchstens schauen, dass möglichst viele Parametersätze nahe am Optimum sind.
Sehe ich genauso. Wir haben hier ein breites Feld an Betriebsparameter. Alles gleich gut abzudecken ist etwas utopisch. Vor allem weil jetzt auch erst mal viele Unbekannte dabei sind.
Faluröd schrieb:
  • Wie von dir richtig erkannt, bewirkt der Boden nur Druck-, aber keine Zugkräfte. Damit ist man im Bereich nichtlinearer Differentialgleichungen. Entsprechend gibt es keine analytische Formel, mit der man Schwingungsamplituden berechnen kann.
THIS. Also ganzen Rechenbeispiele für die Katz, ich brauch wohl leider etwas komplett eigenes.
Faluröd schrieb:
  • Ich würde zudem von weiteren Nichtlinearitäten ausgehen: Die Parameter von Gummidämpfern variieren mit Frequenz, Amplituden und Temperatur. Mit Bodenmechanik kenne ich mich nicht so gut aus, aber mich würde es wundern, wenn der sich komplett linear verhält.
Das habe ich gar nicht bedacht. Klar, die Gummidämpfer sind keine klassische Maschinenfeder und alles andere als linear. Sind die erst mal auf Betriebstemperatur sieht die Welt nochmal anders aus. Uff, das wird ne harte Nuss.
Faluröd schrieb:
  • Im bisherigen Modell gehst du davon aus, dass sich die Rüttelplatte nur translatorisch-vertikal bewegt. Ein solches Gerät kann jedoch auch in Querrichtungen schwingen und kippeln. Letztlich haben alle Körper eine 3D-Bewegung. Bei Auslegung einer Tilgung in eine Richtung spürt der Nutzer immer noch die Schwingungen in die anderen Richtungen.
Das meinte ich mit zunächst nur den stehenden Fall betrachten. Fährt die Maschine kommt zumindest noch eine weitere Richtung der Hauptschwingungen hinzu.
Faluröd schrieb:
Wegen all dieser Einflüsse werden also immer Restschwingungen bleiben. In der Praxis sieht eine Auslegung grob so aus: Man erstellt Simulationsmodell (z.B. in Matlab).
Faluröd schrieb:
Dieses berechnet dann die Schwingungen am Handgriff mithilfe numerischer Integration der Bewegungsgleichungen (Impulssatz und Drallsatz). Dann sucht man sich eine Maschinenkonfiguration, für welche die Schwingungen über mehrere Bodenvarianten günstig sind.

Das wäre die Simulationsseite. Anschließend kommen noch all die schönen Randbedingungen wie Bauraum, Gewicht, Kosten, etc. dazu. Die finale Lösung ist dann am Ende gar nicht die mit den geringsten Schwingungen, sondern diejenige mit ausreichend niedrigen Schwingungen in einem insgesamt ausgewogenem Maschinenkonzept.
Man darf ja bei all der Schwingungsreduktion auch nicht vergessen, dass es ein Verdichter bleiben soll. Das bringt mich dazu, erst mal ohne die Deichsel (an der die Hände ja dann dran sind) zu rechnen. Also erst mal verstehen was es heißt einen Verdichter auszulegen.


Demnach, einen großen Schritt zurück:

Um Verdichtungsleistung in den Boden einzuleiten muss der Unterwagen ja meinem Verständnis nach möglichst stark in den Boden einschlagen, nur um im nächsten Schritt wieder hochzuspringen.
Dabei wäre ja ein unendlich schwerer bzw. im Raum fixierter Oberwagen ideal oder? Oder sollte dieser mitschwingen?
 
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