Mirror's Edge im Test: Parkour mit Nvidia PhysX auf hohem Niveau

 2/6
Sasan Abdi (+1)
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Inhaltliches

Plot

Die Handlung von „Mirror's Edge“ gestaltet sich von Anfang an erfrischend. Statt des vorab voraussehbaren Kampfes zwischen Gut und in Böse, häufig in persona eines harten Helden und zahlreicher fieser Gegner, weiß der Spieler zu Beginn des Spiels nicht ohne Weiteres, worauf dieses ungewöhnlich anmutende Abenteuer hinauslaufen wird. Wer sich überhaupt nicht einliest, wird sich zu Beginn über die seltsam sterile Stadt wundern und die Frage stellen, was genau eigentlich diese „Runner“ in der irgendwie sauberen, aber doch abweisenden Welt von „Mirror's Edge“ für eine Rolle einnehmen.

Zur Gruppe der Runner ist auch die Protagonistin mit dem bezeichnenden Namen Faith zu zählen. Nach einem grundlegenden und in diesem Fall sinnvollen Tutorial erfährt man schnell erste Dinge über die eher ungewöhnliche Hauptfigur und damit auch über die Vorgeschichte, die die Ausgestaltung der Gegenwart erklärt. So galt die Stadt vor nicht allzu langer Zeit noch als frei, bis man die Freiheit gegen maximale Sicherheit eintauschte und für eine zumindest oberflächlich nicht perfekte Welt einen Überwachungsstaat erhielt, der immerhin – so scheint es zumindest – das Verbrechen tatsächlich im Keim zu ersticken vermag. Mit eben diesem gesellschaftlichen Transformationsprozess ist Faith im Besonderen verbunden, da sie im Zuge der Proteste gegen eine Ausweitung der Kompetenzen der Sicherheitsorgane beide Eltern verlor.

Zwischensequenz aus „Mirror's Edge“: Sicherheit steht über allem
Zwischensequenz aus „Mirror's Edge“: Sicherheit steht über allem

Die Geschichte um das wahre Gesicht dieser vorgeblich perfekten Stadt entspinnt sich, als Faiths Schwester, in der Funktion einer ordentlichen Polizei-Beamtin das exakte Gegenstück zur Protagonistin, den politisch heiklen Mord an einem reformorientierten Bürgermeister-Kandidaten in die Schuhe geschoben kriegt und damit Faiths Ehrgefühl geweckt wird. Im Folgenden wird der Spieler allerdings nicht nur alles daran setzen, den Namen der Verwandten rein zu waschen – denn schon bald stellt sich heraus, dass hinter den Geschehnissen weit mehr steckt, als ein gegen einzelne Personen gerichtetes Vorhaben. Dazu kann man bzw. Faith glücklicherweise auf alle Fähigkeiten zurückgreifen, die eine Elite-Parkour-Läuferin ausmachen: Ob meterhohe Fassaden, steile Fensterfronten, breite Häuserschluchten oder gut gerüstete Polizisten – nichts kann Faith stoppen.

Von der Jägerin zur Gejagten – Faiths Schwester
Von der Jägerin zur Gejagten – Faiths Schwester

Von der Jagd nach einigen einzelnen Schurken bis zum Kampf gegen die großen Mächte dieser neuen Welt vermag die Storyline dabei zu überzeugen. Nicht nur aus diesem Grund sondern auch mit Blick auf die enorme Aktualität und wegen der spannenden Ausgestaltung der Handlung verdient der Plot von „Mirror's Edge“ sowohl das Prädikat „gut“, als auch die seltene Ehrenmedaille „innovativ“.

Missionsdesign

Ähnlich löblich kann die Betrachtung des Missionsdesigns leider nicht ausfallen. Dazu gestaltet es sich zu linear. Zwar verfügt der Spieler in der Regel über alternative Routen, doch lässt man Faith zumeist nicht zuletzt aus Übersichtsgründen immer den nahe liegenden Weg laufen. Dadurch kommt das in einer großen Metropole atmosphärisch eigentlich wichtige Gefühl der Freiheit nur in geringem Maße auf. Besonders ärgerlich ist dies an den wenigen Stellen, an denen die gegebenen Features in der Bewegung eigentlich ausreichen müssten, um ein Hindernis zu überwinden, dies aber aus wegetechnischen Gründen schlicht unmöglich ist.

Verstärkt wird die Linearität auch durch den Ablauf der Missionen, die von der Umgebung her nicht immer gleich ausfallen, im Kern aber doch stets einer relativ starren Schablone folgen. So findet man sich nicht ausschließlich auf Häuserdächern, sondern beispielsweise auch in U-Bahnen oder auf einem Schiff wieder, was durchaus für Abwechslung sorgt. Doch ganz gleich, wo Faith gerade auf der Suche nach Spuren oder Personen ist, der Ablauf gestaltet sich doch immer so: Eindringen, Suchen, ein neues Puzzle-Stück entdecken – und schon kommt die Polizei, wobei nach der gelungenen Flucht die nächste Zwischensequenz und sodann die nächste Aufgabe wartet. Interessant ist dabei allerdings, dass in der Konfrontation mit der Staatsmacht theoretisch auf jegliche Gewaltanwendung verzichtet werden kann, da man aus bewegungstechnischen Gründen und den extrem geringen Munitionsmengen nur selten eine Waffe trägt und darüber hinaus in jeder Situation durch die Anwendung von Umgehungstaktiken weiterkommen kann.

Einige Eindrücke aus den ME-Missionen

Trotz dieses guten Ansatzes und auch wenn mit der Aktivierung der gegnerischen Runner tatsächlich ein latentes, der Authentizität sehr zuträgliches Gefühl des Gehetztsein einsetzt, ist das Missionsdesign nicht als perfekt zu bezeichnen. Alles in allem hätte dazu ein bisschen mehr Abwechslung im Ablauf gut getan, während das Setting insgesamt jedoch ausreichend variiert. Weniger sensible Spielertypen werden „Mirror's Edge“ deswegen an nur wenigen Stellen monoton finden, weswegen an dieser Stelle kein allzu deutlicher Negativpunkt vermerkt werden soll.