Transistor im Test: Ein audiovisuelles Kunstwerk

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Andreas Schnäpp
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Transistor auf einen Blick

Der Einstieg ins Spiel geht ohne viel Vorgeplänkel vonstatten: Statt mit einem Titelbildschirm oder Optionsmenü konfrontiert zu werden, blicken wir schon wenige Sekunden nach dem Spielstart auf die rothaarige Protagonistin „Red“, zu deren Füßen ein Mann leblos in sich zusammengesackt sitzt. In dessen Oberkörper steckt ein pulsierendes Schwert, das zu Red spricht und sie auffordert, es herauszuziehen. Wie sich noch im gleichen Moment herausstellt, handelt es sich bei der türkis-goldenen Waffe um einen „Transistor“. Sichtbar um des Gewichts des mächtigen Zweihänders bemüht, schleift Red ihre neue Errungenschaft funkensprühend hinter sich her. Wer der Tote ist, geschweige denn wieso er überhaupt sein Leben lassen musste, erfahren wir an dieser Stelle nicht. Unsere Geschichte in der handgezeichneten Welt von „Cloudbank“ beginnt mit vielen Fragezeichen, die es zu lösen gilt.

Intuitive Steuerung

Die Steuerung von Transistor geht leicht von der Hand: Wie für Action-Rollenspiele üblich, kann die Protagonistin mittels Tastatur und/oder Maus gesteuert werden, wobei die linke Maustaste den Bewegen-Befehl erteilt, die rechte Maustaste für den aktuell ausgewählten Angriff zuständig ist. Im unteren Bereich des Bildschirms findet sich zudem eine Aktionsleiste mit vier Feldern, in der die verschiedenen Angriffe platziert sind. Mittels der Nummerntasten „1“ bis „4“ können die jeweiligen Angriffe – auch Funktionen genannt – ausgewählt werden, wobei uns zu Beginn nur zwei Fähigkeiten zur Verfügung stehen: „Crash()“ und „Breach()“.

Was schon an dieser Stelle positiv auffällt: Wer lieber mit Gamepad spielt, muss nicht mal in ein Optionsmenü springen. Sobald eine Taste auf dem angeschlossenen Xbox-360-Controller betätigt wird, wechseln die Hinweise für zu drückende Tasten automatisch von Tastatur und Maus auf die entsprechenden Controllerbuttons. Ein Wechsel der Steuerung ist demnach jederzeit „on the fly“ möglich.

Ebenso können Spieler jederzeit die Spracheinstellungen über das Pausenmenü wechseln: Zugunsten der Spielatmosphäre entschied sich das Entwicklerteam gegen eine lokalisierte Sprachausgabe, was zur Folge hat, dass die Lokalisation sich auf den dargestellten Text und Untertitel beschränkt.

Transistor im Test
Transistor im Test

Komplexes Kampfsystem

So simpel die Steuerung auf den ersten Blick auch erscheinen mag, bei der ersten Konfrontation mit den roboterähnlichen Gegnern, den „Prozessen“, gewährt Transistor einen kleinen Vorgeschmack auf die Komplexität des Kampfsystems. Typischerweise verlaufen die Kämpfe in zwei unterschiedlichen Phasen: Einerseits kann der Spieler sich in Echtzeit frei im Kampfareal bewegen und seine Fähigkeiten nutzen, andererseits jedoch auch mittels Betätigen der Leertaste in einen Planungsmodus mit dem Namen „Turn()“ wechseln. Während der Spieler im Echtzeitmodus auf Geschicklichkeit und schnelle Reaktionen angewiesen ist, macht sich taktisches Vorgehen im Planungsmodus bezahlt.

Transistor im Test

Im oberen Bereich des Bildschirms findet sich eine Aktionsleiste, die während der Planungsphase ausgereizt werden kann. Zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt, kann Red auf diese Weise gegnerischen Angriffen ausweichen, sich blitzschnell im nächsten Moment hinter sie stellen, mittels „Crash()“ bewegungsunfähig machen und mit einer verheerenden Funktionskombo mehrere Gegner gleichzeitig auslöschen. Ist der Zug erst mal geplant, wird er durch erneutes Betätigen der Leertaste ausgeführt, woraufhin Red wieder einige Sekunden verharren muss, bis die „Turn()“-Fähigkeit wieder aufgeladen ist.

Transistor im Test
Transistor im Test

Das richtige Timing bei der Verwendung des Planungsmodus erweist sich gerade im späteren Spielverlauf als essentiell, insbesondere wenn Spieler sich dazu entscheiden, Limiter (zu deutsch: Prozessbegrenzer) zu verwenden, um die Schwierigkeit des Spiels nach den eigenen Wünschen anzupassen. Limiter fungieren als Herausforderung und Belohnung zugleich: Beim Stufenaufstieg hat der Spieler unter anderem die Wahl, sich zwischen unterschiedlich starken „Limitern“ zu entscheiden. So kann beispielsweise ein Limiter dafür sorgen, Gegner in größerer Anzahl spawnen zu lassen. Dann profitiert Red im Gegenzug jedoch auch von sechs Prozent an zusätzlichen Erfahrungspunkten, die ihr nach dem erfolgreichen Sieg über die gegnerischen Prozesse winken.

Abgesehen von Limitern stehen Red beim Stufenaufstieg auch neue Funktionen und Upgrades zur Verfügung. In der Aktionsleiste finden sich vier Slots für aktive Fähigkeiten, wobei jeder dieser Slots zusätzlich mit zwei Upgrade-Slots verknüpft werden kann, die die Hauptfähigkeiten um weitere Eigenschaften ergänzen oder verstärken können. Die Funktion „Switch()“ kann beispielsweise in einen Upgrade-Slot eines Ausweichmanövers eingebaut werden, sodass Gegner, die der Spieler beim Ausweichen berührt, für kurze Zeit an seiner Seite kämpfen. Zudem stehen noch vier weitere Passiv-Slots zur Verfügung, in die der Spieler ebenfalls Funktionen einbetten kann, sofern er die Slots beim Stufenaufstieg freigeschaltet hat. Die Funktion „Switch()“ in einen Passiv-Slot eingesetzt, bedeutet zum Beispiel für Red, dass sie nach jedem besiegten Gegner einen befreundeten Prozess spawnt, der bis zum eigenen Tod für sie kämpft.

Transistor im Test

Im Laufe des Spiels stehen Red somit 16 unterschiedliche Funktionen zur Verfügung, die in den vier Aktiv-, vier Passiv- und acht Upgrade-Slots frei kombiniert werden können. Hat der Spieler erst mal eine Funktionskombination gefunden, mit der er zufrieden ist, kann er diese nur bedingt nach Schema F so durchziehen. Spätestens, wenn die Taktik angesichts neuer Gegnertypen nicht mehr aufgeht, müssen zwangsweise neue Kombinationen überlegt werden. Bringen die Gegner Reds Lebenspunkte gen Null, so „überlädt“ eine der Funktionen in der Aktionsleiste und sie ist für den Rest des Kampfes nicht verfügbar. Schlimmer noch: Erst nach Erreichen des übernächsten Speicherpunkts kann die Funktion wieder in die Aktionsleiste „installiert“ werden.

Insofern fordert Unachtsamkeit im Kampf gleich doppelten Tribut: Ehe sich der Spieler versieht, steht Red plötzlich ohne ihren wichtigsten Angriff da, was nicht selten das endgültige Ableben zur Folge hat. Wer es dennoch schafft, die Schlacht siegreich für sich zu entscheiden, muss sich beim nächsten Speicherpunkt eine neue Funktionszusammensetzung überlegen, um den temporären Verlust der „überladenen“ Funktionen auszugleichen. War das simple Kampfsystem in Bastion noch einer der größten Kritikpunkte, hat Supergiant Games mit Transistor offensichtlich seine Lehren aus der Vergangenheit gezogen. In puncto Anspruch, Abwechslung und Komplexität geht das Gameplay-Design auf und ist ein klarer Fortschritt.

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