Unity im Test: Assassin's Creed in Paris überzeugt auf ganzer Linie

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Sasan Abdi
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Licht und Schatten beim Gameplay

Doch wie wird diese lebendige Welt spielerisch verwertet? Auch in dieser Hinsicht kann zunächst viel Positives berichtet werden. Da ist zum Ersten der neue Multiplayer-Ansatz, der dazu führt, dass sich ACU fast ein wenig nach MMO anfühlt. Denn neben den üblichen Icons locken auf der Karte nun auch immer wieder Koop-Missionen, in denen der Spieler spontan mit mindestens einem und maximal drei Mitstreitern in die Schlacht ziehen kann.

Die anspruchsvolleren der in unterschiedliche Schwierigkeiten unterteilten Mehrspieler-Mission machen deutlich, dass eine weitere Neuerung, die Anpassung der Ausrüstung und Fähigkeiten an den Spielstil, nicht nur pure Kosmetik sind. So überlässt es ACU dem Spieler, in welche Richtung die eigene Arno-Ausgabe entwickelt wird. Wer zum Beispiel stets den Kampf sucht, wird die im Spiel etwas zu einfach erworbenen „Synchronitätspunkte“ eher in den Umgang mit schweren Waffen und eine hohe Gesundheit investieren. Schleicher werden dagegen die Stealth-Fähigkeiten des Helden ausbauen und mehr Punkte in Utensilien wie Blendgranaten investieren. Diese unterschiedlichen Fähigkeiten können im Koop mitunter entscheidend sein, sodass die ausgebauten Möglichkeiten der Individualisierung durchaus auch einen spielerischen Einfluss haben können.

Die KI macht einen Sprung

Unter dem Stichwort „Schleichen“ kann zudem positiv vermerkt, dass eine solche Vorgehensweise noch besser möglich ist als in den Vorgängern. Das Verhältnis zu einem aggressiven Vorgehen wurde sogar deutlich verschoben: Wem es gelingt, unsichtbar zu bleiben, der ist nahezu unbesiegbar.

Schon beim Anschleichen an die zahlreichen Widersacher macht sich eine weitere positive Neuerung bemerkbar: Die KI ist endlich nicht mehr strohdoof. Im Gegenteil: Die Wachen sind sehr aufmerksam, drehen sich auch mal abrupt, haben einen relativ weiten Sichtradius – und können erstmals auch richtig weit sehen. Das führt dazu, dass Templer-Schergen auf dem Dach eines Hauses in einem Sperrgebiet durchaus mal das Feuer eröffnen, wenn Arno sich zu auffällig ein paar Häuser weiter (wohlgemerkt: außerhalb des Sperrgebietes) anpirscht.

Durch die erhöhte Intelligenz der Gegner werden auch die bisher in „Assassin's Creed“ immer viel zu einfachen Kämpfe aufgewertet. Insbesondere wenn Arno auf unterschiedliche Gegnertypen wie Lanzierer, wuchtige Axtkämpfer, Standard-Schwertkämpfer und obendrein auch noch mit Musketen bewaffnete Fernkämpfer trifft, werden selbst auf Nahkampf entwickelte Ausgaben des Helden schnell in die Knie gehen. Ein cleveres, vorausschauendes Vorgehen ist also gefragter denn je. Sehr gut!

Schade ist nur, dass die Entwickler offenbar Angst vor der neuen KI-Kompetenz hatten. Nur so ist erklärbar, dass gerade in Fluchtsequenzen die Laufwege der Wachen oft exakt so liegen, dass Arno butterweich durch die Gebiete gleiten kann. Trotzdem: Dass die KI einen derart großen Sprung gemacht hat, ist eine der großen Überraschungen von ACU.

Variables Vorgehen, viele Nebentätigkeiten

Gut gefällt uns auch, dass die Vorgehensweisen innerhalb der Missionen variantenreich ausfallen. Dadurch wird die Planung wichtiger, da die unterschiedlichen Möglichkeiten auch verschiedene Voraussetzungen haben. Um etwa eine Zielperson ohne viel Aufsehen gotteslästerlich im Beichtstuhl erledigen zu können, müssen zunächst ein Schlüssel organisiert und das Auftreten des eigentlichen Priesters verhindert werden. Gelungen ist dabei auch, dass die Vorgehensweisen meistens an unterschiedliche Spielstile angelehnt sind, wobei natürlich gilt: Im Zweifel kann man immer den wenig aussichtsreichen Frontalangriff starten.

Abseits von Koop- und Hauptmissionen kann sich der Spieler auch dieses Mal wieder mit vielen Nebentätigkeiten beschäftigen. In dieser Hinsicht sind allen voran die optionalen Missionen zu nennen, die bei den Streifzügen durch die Stadt immer wieder aufpoppen und auch inhaltlich zumeist solide in das Gesamtprodukt integriert wird.

Eine nette Dreingabe ist in diesem Zusammenhang das Café Theatre: Ein einst prunkvoller Salon mit angeschlossenen Räumen, der von Arno Stück für Stück ausgebaut und renoviert werden können und so nicht nur Einkünfte generieren, sondern auch für allerlei Freizeitbeschäftigungen genutzt werden kann.

Darüber hinaus kann Arno natürlich auch wieder auf die Jagd nach Schätzen und besonderen Ausrüstungsgegenständen gehen. Richtig sehenswert aber sind kleine Animus-Anomalien, die den Spieler kurzzeitig in zwei andere Epochen der Stadt verfrachten. Mehr verraten wird nicht, nur so viel: Woody Allen wird eventuell wegen einer dieser Zeitreisen zum ACU-Spieler werden.

Der Autopilot bleibt ein Schwachpunkt

Bei allem Lob an den Gameplay-Veränderungen, einen Kritikpunkt haben wir dann doch: Das Klettern und Rennen ist immer noch viel zu einfach. Nach wie vor lässt sich per Tastendruck der „Parkour“-Modus aktivieren, bei dem Arno mehr oder weniger vollautomatisch alle Hindernisse meistert. So kann es kaum passieren, dass der Held abstürzt. Vielleicht fürchten die Entwickler, dass zu hohe Anforderungen zu schnell in Jump 'n' Run ausufern würden. Einen Versuch aber wäre es wert: Die extremen Fähigkeiten, die auch Arno wieder ohne Zutun des Spielers entfaltet, sind und bleiben völlig übertrieben und nehmen dem Spiel in manchen Momenten jeden Thrill, da einfach nichts schiefgehen kann.

Schicke Grafik, gute Sprecher

Da dieser Test zu großen Teilen auf der PlayStation-4-Version basiert, kann an dieser Stelle zur technischen Umsetzung nur gesagt werden: ACU sieht gut aus und schockt nach eingespieltem, rund einem Gigabyte großen Day-One-Patch auch nicht mit gravierenden Bugs. Allerdings stießen auch wir immer wieder auf Problemzonen wie „Framedrops“ vor Videosequenzen und in der Ferne aufpoppende NPCs und Strukturen. Berichte, wonach dadurch der Spielspaß massiv leidet oder ACU gar unspielbar ist, können wir an dieser Steller aber nicht bestätigen.Nähere Details zum laut offiziellen Anforderungen doch erheblichen Hardware-Hunger der PC-Version und der offenbar unterirdischen Optimierung liefern wir wie immer separat nach.

Und auch in Sachen Sound- und Sprachumsetzung leistet sich ACU keinen Fehltritt. Hier wird eine stets passende musikalische Untermalung mit teils hervorragenden deutschen Sprechern kombiniert.