Kommentar: Microsoft will Canonical (nicht) kaufen

Ferdinand Thommes
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Kommentar: Microsoft will Canonical (nicht) kaufen
Bild: Christian Lang | CC BY 2.0
Ferdinand Thommes

Die Fakten

Die Fakten: Eine Webseite, die sich hauptsächlich mit Android und mobilen Plattformen beschäftigt, bringt die Nachricht, Microsoft sei am Kauf von Canonical interessiert. Kann das sein?

Ohne die Glaubwürdigkeit der Quelle in Frage zu stellen, lässt mich die hypothetische Möglichkeit dieser Übernahme nicht mehr los.

Microsofts Interessenlage

In einer ersten Reaktion legte ich die Story als ziemlich unglaubwürdig ad acta. Die Tatsache, dass beide Unternehmen dementiert haben, spielte dabei keine Rolle. Das ist normales Geschäftsgebahren, wenn ein Geschäft noch nicht spruchreif ist. Trotzdem ließ mich die Idee nicht los, wie denn abseits des Wahrheitsgehalts dieser Meldung die gegenseitige Interessenlage in Bezug auf ein solches Geschäft derzeit wohl aussieht.

Welche Interessen hätte Microsoft daran, Canonical zu übernehmen, und wie könnte der Konzern aus Redmond dieses Geschäft monetarisieren? Seit Satya Nadella bei Microsoft am Ruder steht, liebt Microsoft Linux, wie uns der Konzern auch plakativ wissen lässt. Wenn man das Marketing-Geschmuse weglässt, steht dahinter die Tatsache, dass Microsoft Linux braucht, mehr denn je. Und Nadella kennt sich im anderen Lager ein Wenig aus. Nach dem Studium arbeitete er zunächst bei SUN Microsystems, bevor er zu Microsoft ging.

Microsofts Kunden arbeiten zum großen Teil mit heterogenen Netzen. Damit Microsoft seine Cloud-Plattform Azure besser vermarkten kann, sollte hier alles aus einer Hand kommen. Somit muss auch Linux im Angebot sein. Den letzten Zahlen zufolge deckt Linux bereits rund 30 Prozent der auf Azure verwendeten Betriebssysteme ab. Dabei ist Azure die einzige große Cloud-Plattform, die nicht Linux als Grundlage hat.

Bereits vor einem Jahr gab Microsoft den .NET-Stack als Open Source frei und stellte den Code bei GitHub ein. Weitere Freigaben folgten. Das ist ein kluger Schachzug, wenn man Entwickler anderer Plattformen anlocken will. Mit Azure Cloud Switch stellte Microsoft erst kürzlich ein auf Linux basierendes Betriebssystem für den Einsatz in Switches, Routern und anderen Netzwerkgeräten in der eigenen Cloud-Infrastruktur vor.

Die letzte Meldung in Bezug auf Linux und speziell Canonical ist erst wenige Tage alt und stellte den Linux-basierten Dienst HDInsight vor. Dabei geht es um Hadoop-Cluster, die auf Azure jetzt auch unter Ubuntu betrieben werden können.

Kaufanreize

Microsoft hat durch Azure und andere Unternehmungen bereits einige Anknüpfungspunkte mit Canonical. Das Unternehmen des südafrikanischen Multimillionärs Mark Shuttleworth hat aber neben Ubuntu noch mehr zu bieten, an dem Microsoft Interesse haben könnte. So ist Canonical eng mit OpenStack verbandelt und ein hoher Prozentsatz an OpenStack-Deployments setzen auf Ubuntu auf. Applikationen wie Juju, MAAS und Landscape sind Canonical-Entwicklungen in diesem Bereich. Auch LXD, eine Mischung aus konventioneller Virtualisierung und Containerisierung ohne den üblichen Overhead traditioneller Virtueller Maschinen, wäre für Microsoft auch interessant. Mit Snappy Ubuntu machte Canonical zudem erste Schritte in den Bereich des Internet of Things und der Drohnen.

Microbuntu
Microbuntu (Bild: Microsoft)

Ein weiteres Schmankerl dürfte in Ubuntu Touch verborgen liegen. Microsoft unterstützt mit Windows 10 Mobile Konvergenz zwischen verschiedenen Geräteplattformen. Bei Microsoft nennt sich die Technik, die vor wenigen Tagen vorgestellt wurde, Continuum und benötigt zum Anschluss eines Smartphones an einen PC oder Notebook, wie auch Ubuntu Touch, ein Dock.

Da hören die Gemeinsamkeiten beider Ansätze aber schon auf. Bei Ubuntu mutiert das Smartphone zu einem vollwertigen Ubuntu-Desktop, bei Microsoft wird dagegen nur eine dem Desktop ähnliche Umgebung geboten. Hier könnte Microsoft von Canonicals Entwicklungen profitieren.

Canonicals Interessen

Canonical muss Geld verdienen. Die Schatulle von Mark Shuttleworth ist zwar noch reichlich gefüllt, er ist fast ein halber Milliardär. Jedoch schmilzt sein Vermögen durch Canonical jährlich um mehr als zehn Millionen US-Dollar. Shuttleworth scheut eine Zusammenarbeit mit Microsoft nicht und seine Erfolge mit Cloud-Computing könnten Microsoft zum Platzhirschen im Cloud-Markt machen.

Ein Verkauf von Canonical an Microsoft ist aber trotzdem nicht sehr wahrscheinlich, eine Partnerschaft wäre aus Sicht von Shuttleworth eher vorstellbar. Sie würde ihm Einnahmen garantieren, ohne dass er sein Unternehmen aufgibt. Ob Microsoft dabei noch genügend Vorteile für sich sehen würde, ist schwer einzuschätzen. Was bei einem solchen hypothetischen Deal mit Ubuntu passieren würde und wie dessen Anwender reagieren würden, wäre ein wichtiger Punkt, der auszuhandeln wäre. Auch hier wäre eine Partnerschaft, die Ubuntu als Distribution, an der Microsoft kaum Interesse haben dürfte, außen vor lässt, ein gangbarer Weg.

Canonical alleine hat derzeit zwei Möglichkeiten, künftig schwarze Zahlen zu schreiben. Einerseits könnte das Cloud-Geschäft in einigen Jahren die Verluste von Ubuntu ausgleichen, auf der anderen Seite kann die Konvergenz, wenn sie für Anwender einfach umzusetzen ist, ein Kassenschlager werden, wenn mehr Hersteller und Telekommunikationsunternehmen Ubuntu Touch in ihren Geräten einsetzen.

Eine Voraussetzung hat Shuttleworth jedenfalls schon erfüllt: Er schloss bereits vor über zwei Jahren den Bug Nr. 1 in Ubuntus Fehlerliste, der besagte, Microsoft habe eine marktführende Position und das gelte es zu ändern. Seine Begründung erschien mir damals nicht wirklich stichhaltig. Vielleicht ist ja doch was dran an dem Gerücht. Die nächsten Monate werden es zeigen. Unvermeidlich wird Shuttleworth im Fall eines solchen Deals seine Glaubwürdigkeit in Linux-Kreisen aufs Spiel setzen.

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