Lego Boost im Test: Komplexe Roboter aus Klötzchen für Kinder

Michael Schäfer
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Lego Boost im Test: Komplexe Roboter aus Klötzchen für Kinder

tl;dr: Mit Lego Boost veröffentlicht der dänische Spielzeughersteller ein neues Robotersystem in der Tradition von Mindstorms. Nach WeDo 2.0 für Bildungseinrichtungen richtet sich Boost wieder an private Haushalte. Der Baukasten bietet tolle Modelle und fast unbegrenzte Möglichkeiten, nur die Software hakt noch.

Viele Teile für Kinder ab sieben Jahren

Boost stellt mit über 840 Bauteilen das aktuell umfangreichste Roboter-Set von Lego dar. Während es WeDo 2.0 (Test) aufgrund der Ausrichtung auf die begrenzte Zeit im Schulunterricht lediglich auf 240 Teile bringt, zählt das letzte Mindstorms-Set EV3 (Test) immerhin derer 600. Mehr Teile soll aber nicht eine höhere Schwierigkeit bedeuten.

Mehr Teile für jüngere Bastler

Im Gegensatz zu den beiden Sets hat Lego bei Boost den Fokus auf Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren gelegt, weshalb die größere Steineauswahl auch weniger technisch ausfällt und mehr auf den Systemsteinen beruht. Auch gibt es eine bunte Vielfalt, während sich bei EV3 die Farben hauptsächlich auf Schwarz, Grau, Weiß und Rot beschränken.

Im Gegensatz zum WeDo-Set, das auch eine Sortierbox zum einfachen Verstauen im Klassenzimmer beinhaltet, sind die Teile bei Boost wie bei Lego üblich in Plastiktüten verpackt. Somit vergehen beim ersten Bauen zunächst einmal mindestens fünf Minuten, um die Steine aus den elf größeren Tüten, welche in den meisten Fällen noch einmal kleinere Tüten enthalten, herauszulassen. Allerdings sollte mit dem kompletten Entleeren zu Anfang gewartet werden, da zumindest die ersten Modelle zum Kennenlernen des Systems auf speziellen Beuteln aufbauen – ansonsten kann das Bauvorhaben schnell zu einer von Lego bekannten Suchorgie werden.

Vorbei sind jedenfalls die Zeiten, in denen Lego seine Steine in Pappkartons auslieferte, in welche diese anschließend sortiert und verwahrt werden konnten. Ein kleiner Tipp: Das Zusammensetzen der späteren Modelle geht deutlich schneller und einfacher von der Hand, wenn die Steine zunächst zumindest nach Farben und technischen Elementen sortiert werden – der Zeitaufwand dafür beträgt lediglich 10 bis 15 Minuten.

Viele Teile und trotzdem knapp bemessen

Auch wenn der Nutzer für einen unverbindlichen Verkaufsspreis von rund 160 Euro eine große und gut ausgerichtete Steineauswahl erhält, sind einzelne Teile trotzdem knapp bemessen. Geht zum Beispiel eines der Kettenteile verloren, kann der Roboter Vernie nicht mehr komplett gebaut werden. Natürlich können viele Teile in einer gut sortierten Lego-Sammlung aus anderen Modellen schnell ersetzt werden, dennoch sollte sich der Hersteller nicht darauf verlassen. Auch wenn sich Lego erfahrungsgemäß bei Ersatzteilen bisher sehr kulant zeigt, hätte das Unternehmen doch das eine oder andere extrem relevante Teil mehr in den Karton legen können.

Mehr Spaß, weniger Technik

Dass Lego Boost eher spaßorientiert ausgerichtet ist, zeigen auch die Anzahl und die Art der Sensoren und Motoren: Während Mindstorms EV3 aus einer als Brick bezeichneten Zentraleinheit sowie jeweils drei Motoren und Sensoren besteht, greifen Kinder bei Boost lediglich auf den sogenannten „Move Hub“ zurück, der neben zwei fest verbauten Motoren auch einen Bewegungssensor beinhaltet. Die im Hub integrierten Motoren sind dabei vielseitig einsetzbar: Zusammen als Steuerung für beweg- und lenkbare Fahrzeuge, oder für voneinander unabhängige Aktionen (bei der später gebauten Katze lassen sich so zum Beispiel Schwanz und Hinterbeine getrennt steuern). Für die Nutzung werden sechs Batterien vom Typ AAA vorausgesetzt, bei der Verwendung von Akkus sollte auf eine hohe Kapazität geachtet werden, der Verbrauch ist groß.

An dem beschriebenen Hub werden die weiteren mitgelieferten Komponenten in Form des interaktiven Motors sowie des kombinierten Bewegungs- und Farbsensors angeschlossen. Laut Lego sind für die nächste Zeit keine weiteren separat erhältlichen Komponenten geplant. Sensoren des Mindstorms-Systems können nicht mit Boost kombiniert werden. Gleiches gilt für die Motoren von Lego Technic.

Testparcours inbegriffen

Das Set hält einen rund 97 × 47 Zentimeter großen und aus starkem Karton gefertigten Plan bereit. Mit diesem können unter anderem drei der gebauten Modelle (das Einführungsmodell, Vernie der Roboter und der M.T. R.4 ) getestet werden. Die Unterlage enthält ein Raster, welches genau auf die Laufweiten der Modelle abgestimmt ist. Mit diesen können die Kreationen in verschiedenen Bereichen getestet werden, indem zum Beispiel Farben auf dem Boden umgangen, bestimmte Entfernungen zurückgelegt oder mit einem Katapult bestimmte Felder getroffen werden müssen. Der Plan kann aber natürlich auch für andere Modelle genutzt werden.

Tablets als einzige Steuerung

Lego setzt für die Nutzung von Boost zwingend ein Tablet voraus, worauf auch gut sichtbar auf der Verpackung hingewiesen wird. Auf dem Tablet werden sowohl die Bauanleitungen dargestellt als auch die Programmierung der Modelle vorgenommen – eine gedruckte Anleitung ist nicht vorhanden. Die Mindestanforderungen für Geräte fehlen auf der Verpackung jedoch: Die Software ist kostenlos für Android ab Version 5.0 und für iOS ab Version 10.3 erhältlich und erfordert eine Display-Größe von mindestens 8 Zoll – bei Tablets von Amazon mit Fire OS ist die App bereits ab 7 Zoll Diagonale nutzbar. Bluetooth 4.1 oder höher ist ebenfalls Pflicht, Windows-Nutzer sind außen vor. Auf Android sollten Nutzer mindestens 252 Megabyte Speicher freihalten, bei iOS müssen es sogar 971 Megabyte sein.

Das Tablet steuert den Bausatz auch

Im Gegensatz zur Mindstorm kommt dem Tablet aber noch eine weitere Bedeutung zuteil. Während der große Bruder auf einen programmierbaren Brick setzt, bei welchem das erstellte Programm zunächst auf die Zentraleinheit transferiert und dort ausgeführt wird, arbeitet das System bei Boost eher nach dem Remote-Prinzip: Der erstellte Ablaufplan wird auf dem Tablet ausgeführt und das Modell über die Bluetooth-Verbindung gesteuert. Die Vorgehensweise besitzt ihre Vorteile: So können unter anderem die Lautsprecher und das Mikrofon des Tablets mitbenutzt werden.

Dem Datenschutz wird laut Lego dabei Rechnung getragen: Es soll nur dann eine Übertragung stattfinden, wenn das entsprechende Steuerelement im Ablaufplan ausgeführt wird. Sollten bei Eltern Bedenken in dieser Hinsicht entstehen, können je nach System dem Mikrofon die entsprechenden Rechte auch entzogen werden – die restlichen Komponenten des Sets funktionieren weiterhin.

Geschwindigkeit vom Tablet abhängig

Doch kein Vorteil ohne Nachteil: So ist die flüssige Umsetzung der Anweisungen stark von der Leistung des jeweiligen Quellgerätes und der Bluetooth-Verbindung abhängig. Im Test funktionierte das auf einem Note 10.1 2014 von Samsung und einem iPad Air von Apple ohne nennenswerte Auffälligkeiten. Ein Fire HD 8 von Amazon kann dagegen bei komplexen Anweisungen erkennbar an seine Grenzen gelangen.