Dying Light 2 Stay Human im Test: Spielkritik und Fazit

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Update Wolfgang Andermahr (+1)
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Wie gut ist Dying Light 2?

Dying Light 2 sollte etwas ganz Großes werden. Im Lastenheft stand eine Sandbox mit weitreichenden Entscheidungen, mit denen Spieler ihre ganz eigene Geschichte prägen sollten. Statt Prometheus entsteht in diesem Fall wieder einmal ein Frankenstein.

Das Leiden, das Techlands neues Spiel niederwirft, ist das Fehlen einer klaren Linie. Dying Light 2 kopiert zwar viele Versatzstücke, ein harmonisches Ganzes entsteht aber nicht. Im Grunde vermittelt schon das Intro das lebensechte Gefühl einer Zombie-Apokalypse: Jede Menge Schmerz. Hakelige Animationen, Wartephasen auf Begleiter, Probleme mit Animationen und holpernde Choreographien suggerieren eine Fertigstellung irgendwie und unter Druck. Nicht einmal die Belegung der Steuerung bekommt Techland hin: Treten und Aufheben liegen auf derselben Taste, um die ohnehin recht komplizierte Belegung der Tastatur zu entlasten. Blöd nur, dass die Kontexterkennung nicht funktioniert und eher getreten als aufgehoben wird – in einem Spiel, das ein gutes Stück vom Survival-Sammeln lebt. Treten lässt sich im Übrigen nicht umbelegen, lediglich „Interagieren“.

In die offene Welt entlassen, werden vereinzelt Mechaniken offeriert, die aber erst später erklärt werden, als wäre die Reihenfolge des Spielablaufs öfter umgestellt worden. Gemeinhin ließe sich das Ergebnis „wild zusammengeworfen“ nennen. Und so geht es zunächst weiter. Aus schönstem Sonnenschein wird in einer Mission am Scriptpunkt finsterste Nacht, weil graduelle Übergänge zu viel verlangt sind. Manchen Halt finden Spielerhände im Parkour, indem sie zumindest in der ersten Mission zum Ziel des Sprungs gesogen werden. Ein wesentliches Missionsziel – im ersten Hub Leute kennenzulernen – ist gnadenlos unklar formuliert. Dass in solchen, unnötig weitläufigen Gebieten die Bewegungsgeschwindigkeit künstlich eingeschränkt wird, hört nie auf zu stören. Die Liste ließe sich fortsetzen. Man möchte den Krempel nach zwei Stunden an die Wand hauen und etwas Sinnvolles mit seinem Leben anfangen.

Und doch sind aus 2 schnell 20 Stunden geworden, obwohl man dem Spiel durchaus eine Menge weiterer Fehler vorhalten könnte: oberflächliches Crafting, sinnlose Upgrade-Materialien des Grinds wegen, die dämliche KI, die Unsinnigkeit der angedeuteten „Charakterklassen“ oder der Seltenheitswerte von Waffen, die geringe Abwechslung im Kampf, das unlogische Verhalten der Bewohner, die zusammenkopierten Aufgaben und noch vieles mehr. Der überraschende Reiz von Dying Light 2 entspringt dem Parkour. Nach ein paar Stunden mit endlich erweitertem Bewegungsrepertoire flüssig von Dach zu Dach zu springen, erzeugt einen genialen Sog. Denn Wege sind vielfältig und frei, es gibt keine „Wegfindung“, wohl aber viele individuelle Lösungen, die das Gefühl vermitteln, etwas geschafft zu haben. Das Drumherum liefert dann wenigstens ein paar Gründe zum Umherlaufen.

Geschickt erscheint auch die Idee, die Stadt durch Sehenswürdigkeiten immer in Gänze im Blick zu lassen: Sie wird zum Scheinriesen. Bisweilen werden auch Dialoge interessant und ausgefeilt, treten Charaktere auf, werden interessante Entscheidungen abverlangt, packende Missionen an toll verfallenen Schauplätzen serviert. Dramatische Auswirkungen aber ließen sich selten ausmachen, wobei es sie laut anderen Testern geben soll. Sie sind also bloß nicht übertrieben deutlich dargelegt. Allerdings scheitert das Spiel daran, am Anfang emotionale Bindungen zu seinen Figuren aufzubauen. Wer sie nicht ernst nimmt, wird auch von Entscheidungen nicht berührt.

Einen Matchball vergibt Dying Light 2 in der Nacht. Dort sind mehr Zombies auf den Straßen unterwegs, der Spieler kann dafür aber in Gebäude eindringen, in denen sie tagsüber ruhen. Gleichzeitig tickt die Uhr, denn ohne regelmäßige Dosen UV-Licht wird auch der Spieler zum Zombie. Was spannend klingt, ist praktisch zumindest auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad banal einfach.

Am Ende erscheint Dying Light 2 als meist generischer Open-World-Vertreter, der ziellos imitiert und nicht ganz fertig wirkt. Aus dem Einheitsbrei rettet das freie Laufen ein Stück weit, wenn man denn dafür über einige andere Schwächen hinwegsehen kann. Schade, denn versprochen war weit mehr.

Fazit

Techland hat sich bei der Entwicklung offenbar etwas verhoben. Potenzial gibt es viel, doch sowohl das Spiel selbst als auch die Technik auf dem PC zeigen einige Einschränkungen und Probleme, die es bei einer reibungslosen Entwicklung vielleicht nicht gegeben hätte. Dying Light 2 ist dabei beileibe kein schlechtes Spiel und man kann damit seinen Spaß haben. Sonderlich gut ist es aber eben auch nicht.

Ähnliches gilt auch für die Technik. Die Grafik von Dying Light 2 ist durchschnittlich, stellenweise ist es ein wirklich schönes Spiel, mehr aber eben nicht. Da hilft es auch nicht, diverse Raytracing-Effekte aufzufahren. Obendrauf kommt, dass die Performance einfach nicht gut ist. Sie könnte mit einer Top-Grafik gerechtfertigt sein, doch die gibt es eben nicht.

Dafür frisst Dying Light 2 jedoch nicht nur nachts, sondern auch tagsüber Grafikkarten zum Frühstück. Maximale Grafikdetails in Ultra HD auch bei komplett abgeschaltetem Raytracing? Gibt es nicht. Ältere Einsteiger-GPUs verheben sich dann auch schon in Full HD an dem Titel, selbst niedrige Grafikdetails können nicht immer alles retten.

Mit Raytracing ist selbst die schnellste GPU kaum schnell genug

Mit Raytracing wird es dann wirklich kompliziert, denn ohne Upscaling, sei es durch DLSS oder FSR, ist Dying Light 2 kaum spielbar. Ultra HD als Renderauflösung muss gar nicht erst versucht werden und selbst für WQHD benötigt es ein High-End-Model von Nvidia. AMD-Grafikkarten kommen damit schon gar nicht mehr zurecht und auch bei Nvidia muss es mindestens eine GeForce RTX 3080 sein. Sogar für Full HD ist noch lange nicht jede Grafikkarte flott genug. Nvidia-GPUs sind dabei durchweg denen von AMD deutlich überlegen, ohne Raytracing schenken sich GeForce und Radeon dagegen eher wenig.

Und so gut sieht Raytracing in Dying Light 2 schlussendlich nicht aus, das Verhältnis aus Grafikgewinn und Leistungsverlust passt in dem Spiel überhaupt nicht. Die globale Beleuchtung ist mit den Strahlen zwar klar hübscher, doch kostet der Effekt auch gleich am meisten Geschwindigkeit. Die drei anderen RT-Effekte bringen optisch deutlich weniger, kosten aber immer noch viel Performance. Einzig die Sonnenschatten sind nicht ganz so hardwarehungrig. Vor allem die globale Beleuchtung sollte dabei unbedingt aktiviert werden, wenn die Leistungsreserven passen – die Atmosphäre steigt so schon deutlich. Nur wird dies eben oft nicht möglich sein.

Dying Light 2 Stay Human im Technik-Test

Qualitätsstufen für RT fehlen leider, das machen andere Spiele besser

Und damit erinnert die Raytracing-Implementierung von Dying Light 2 eher an eine der ersten Umsetzungen, die allesamt extrem leistungshungrig gewesen sind. Da hat sich die Raytracing-Welt mittlerweile weitergedreht, so etwas wie die Umsetzung in dem Zombie-Spiel sollte es heutzutage nicht mehr geben. Qualitätseinstellungen kann es auch für Raytracing geben, nicht nur einzelne Effekte, die aber allesamt massiv kosten.

AMD FSR und Nvidia DLSS haben ihre eigenen Baustellen, sind aber wichtig

Wer Raytracing nutzen möchte, muss zwangsweise Upscaling nutzen. Davon bietet Dying Light 2 eine Menge. Schlussendlich sind AMDs FSR und Nvidias DLSS die besten Möglichkeiten, die auch einer klassisch reduzierten Auflösung vorgezogen werden sollten. DLSS erledigt dabei bis inklusive einer Renderauflösung von Full HD einen guten Job, hat jedoch durchweg mit deutlichem Verschmieren zu kämpfen, das seit God of War irgendwie wieder Einzug in DLSS gefunden hat. FSR kann abseits des nicht vorhandenen Smearings nicht mit DLSS mithalten, bei einer Pixelanzahl von WQHD ist das Ergebnis aber immer noch ordentlich. Full HD als Renderauflösung schaut im Gegensatz zu DLSS mit FSR allerdings nicht mehr gut aus.

Als Vorteil kann FidelityFX Super Resolution hingegen einen überraschend großen Leistungsvorsprung gegenüber DLSS für sich verbuchen. Wenig verständlich ist es, dass die FSR-Stufe „Ultra Quality“ in Dying Light 2 fehlt – der Modus könnte gegenüber „Quality“ optisch nochmal einen guten Schritt nach vorne darstellen. Das sollten die Entwickler schnellstmöglich ändern. Egal, ob schlussendlich mit DLSS oder FSR gespielt wird, beide Techniken sind in Dying Light 2 ein Kompromiss. Die beste Grafikqualität gibt es nur mit der nativen Auflösung.

Dying Light 2 hat sich im Test sowohl spielerisch als auch technisch daher mit so einigen Baustellen gezeigt, die teils mittels Update verbessert werden können, teils aber vermutlich nicht. Bezüglich der Stabilität der PC-Version gibt es Positives zu berichten, denn einen Absturz hat es während des Testens nicht gegeben.

ComputerBase hat Dying Light 2 vom Publisher und Entwickler Techland zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

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