In den Kaninchenbau II: Custom Mechanical Keyboards – der ewige Fall

Manuel Prislan
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In den Kaninchenbau II: Custom Mechanical Keyboards – der ewige Fall

Sobald man sich für selbst erstellte mechanische Tastaturen entschieden hat, findet man sich wie Alice im Kaninchenbau wieder. Die wundersame und kostspielige Reise in die Welt der Custom Mechanical Keyboards schreitet voran. Der zweite Teil der Serie beschreibt den ewigen Fall vorbei an Switches, Schmierung und Modifikationen.

Teil II: Der ewige Fall

Eine wundersame und kostspielige Reise geht in die zweite Runde. Eine Übersicht und Erklärung der wichtigsten Begriffe rund um Custom Mechanical Keyboards hat bereits der erste Teil geliefert. Der vorliegende zweite Artikel der mehrteiligen Serie bringt mehr Licht in den Kaninchenbau und beschäftigt sich mit der Thematik spezifischer und umfangreicher.

Schalter (Switches)

Wie bereits im vorigen Teil erwähnt, stehen drei verschiedene Charakteristiken von Schaltern zur Verfügung: Lineare, taktile und eindeutig klickende („Clicky“). Lineare oder taktile Schalter werden in der Regel geschmiert, die Federn der Schalter geölt und anschließend auf die Schalterplatine verbaut. Bei der Clicky-Variante wird davon, aufgrund des doch gewollten akustischen Feedbacks, abgeraten.

Den richtigen Schalter auswählen

Nachfolgend stehen (auch in der Silent-Variante) rein lineare und taktile Schalter im Fokus, die durch das richtige Schmieren und Ölen von einer Verbesserung der Soundkulisse und des Tippgefühls profitieren können. Clicky-Schalter werden an dieser Stelle nicht behandelt, da sie nicht den persönlichen Wunsch des Autors abdecken und in der Custom-Mechanical-Keyboard-Szene generell wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Folgende Aspekte sind zu berücksichtigen:
  • Einsatzzweck
  • Einsatzort
  • Budget
  • Charakteristik und Soundprofil der Schalter
  • Schmieren von Schaltern

Einsatzzweck und Einsatzort stellen vorerst die wichtigsten Aspekte dar. Wenn Gaming die Prioritätenliste anführt, sollte man eher auf Schalter mit kurzen Auslösepunkten setzen, um ein schnelles Wechseln der Tasten zu gewährleisten. Bei vielen Schreibarbeiten sollten die Betätigungskraft und der Gesamtweg der Schalter nicht zu hoch sein („bottom-out“), denn die Finger können bei langen Texten schnell ermüden und eine zu hohe Betätigungskraft erschwert nur unnötig die Arbeit.

Beim Einsatzort geht es in erster Linie um die im Umkreis befindlichen Personen. Vor allem auf der Arbeit können zu laute Schalter für die Kollegen sehr schnell frustrierend und nervig werden. Gleiches gilt womöglich für Mitbewohner im eigenen Haushalt. Sollte dies der Fall sein, bleibt nur eine Silent-Variante der Schalter übrig.

Zum Budget selbst gibt es eigentlich nur eines zu sagen: Nicht am falschen Ende sparen! Die hier im Bericht getesteten Schalter von Akko sind preislich zwar sehr attraktiv – 90 Schalter kosten zwischen 20 und 30 Euro –, aber es ist mit Qualitätsunterschieden zu teureren Exemplaren zu rechnen. Insgesamt wurden in den letzten Wochen 270 Schalter von Akko getestet, geschmiert, geölt und nochmals getestet. Im Vergleich dazu standen Schalter von Gateron, Gazzew und Tecsee, die sich über die Verarbeitungsqualität und das 5-Pin-Design von den günstigeren Varianten abheben konnten, zur Verfügung.

3-Pin vs. 5-Pin
3-Pin vs. 5-Pin

Wie auf dem Bild, das Akko Rose Red und Gateron CJ zeigt, ersichtlich wird, gibt es ein 3-Pin- und ein 5-Pin-Design. Letzteres bietet auf der Schalterplatine eine erhöhte Stabilität und ist dem 3-Pin-Design vorzuziehen.

Bei der Charakteristik der Schalter stehen die eigenen Ansprüche und Wünsche im Vordergrund. Hier scheiden sich die Geister – die einen stellen lineare, andere wiederum taktile Schalter in den Mittelpunkt. Hier gilt: Einfach testen, was einem mehr gefällt.

Die Soundkulisse der Schalter wird hauptsächlich über die Fertigung des Gehäuses und des Schaltschlittens erreicht. Für die Fertigung der Schalter greifen die meisten Hersteller auf PC (Polycarbonat), Nylon und POM (Polyoxymethylene) zurück. POM – das eine gute Gleitfähigkeit und hohe Abriebfestigkeit mit sich bringt – wird vorzugsweise für die Fertigung von Schaltschlitten verwendet. Auch die verwendeten Tastaturkappen beeinflussen schlussendlich das Soundprofil.

Non-Silent vs. Silent
Non-Silent vs. Silent

Gut sichtbar ist, dass bei der Silent-Variante der Schaltschlitten zusätzlich mit einem schallabsorbierenden Pad – vereinfacht gesagt Gummi – ausgestattet ist. Für einige Nutzer ergibt sich aufgrund des Gummipads jedoch ein eher „schwammiges“ Tippgefühl.

Schmieren (lubricate)

Ist dieser Punkt im Kaninchenbau erreicht, ist eine Flucht daraus nur noch schwer umzusetzen. Das Schmieren („luben“) der Schalter entpuppte sich – subjektiv – als eine meditative Entspannungsarbeit. Gleichzeitig ist das Endergebnis ein zufriedenstellendes Gefühl.

All jene, denen das Schmieren der Schalter zu umständlich ist, können auch auf vorgeschmierte (prelubed) Schalter zurückgreifen und diesen Teil getrost überspringen.

Lubestation inklusive Werkzeug und Schmiermittel
Lubestation inklusive Werkzeug und Schmiermittel
Folgende Utensilien werden für das Schmieren benötigt:
  • Schmiermittel („lubricant“) „Krytox 205g0“ für Schaltergehäuse
  • Rund- oder Borstenpinsel in Stärke 2 und 4
  • Pinzette
  • Schmieröl „Krytox 105“ für Schaltfedern *optional
  • Schmiermittel für Stabilisatoren „G-Lube“ *optional
  • Schaltertester/Schmierstation („lubestation“) *optional
  • Schalteröffner („switch opener“) *optional
  • Greifwerkzeug („stem holder“) *optional
Akko Radiant Red – mit Krytox 105 geölte Schaltfedern
Akko Radiant Red – mit Krytox 105 geölte Schaltfedern

Im Internet finden sich unzählige Videos, Anleitungen und Beschreibungen über das korrekte „Luben“ von Schaltern. Eines sei gesagt: Es bedarf Zeit und Geduld. Je genauer die Schalter geschmiert und die Schaltfedern geölt sind, desto länger genießt man im Anschluss das glatte und angenehme Tippgefühl. Vor allem bei den Schaltfedern wird über sauberes Schmieren beziehungsweise gutes Ölen das Ping-Geräusch beim Rückweg der Feder gelindert oder gar unterbunden.

Für das Schmieren des Gehäuse-Unterteils und des Schaltschlittens eignet sich das „Krytox 205 Grade 0“ sehr gut. Krytox-Fette bestehen aus Perfluorpolyether (PFPE) und Polytetrafluorethylen (PTFE) und weisen eine hohe Temperaturstabilität, eine niedrige Flüchtigkeit und eine so gut wie unbegrenzte Haltbarkeit aus. G-Lube-Schmiermittel eignet sich zwar auch für die Schmierung von Schaltern, jedoch ist es aufgrund des steiferen Zustandes besser für das Schmieren der Stabilisatoren geeignet. Für die Schaltfedern empfiehlt sich ein flüssiges Schmieröl wie das „Krytox 105“, das aus Perfluorpolyether (PFPE) besteht und dank der Reaktionsträgheit, der Langlebigkeit und der Zuverlässigkeit bestens dafür geeignet ist.

Modifikationen an der Tastatur

Sind die Schalter und die Federn geschmiert und geölt, ist der Kaninchenbau trotzdem noch nicht vollständig erforscht. Je nach Barebone oder Tastaturgehäuse kann eine Modifikation dessen eine Verbesserung der Soundkulisse ergeben. Die eigenen Bedürfnisse stehen in diesem Bereich im Vordergrund.

Die nachstehenden Modifikationen an der Keychron Q1 (Non-Knob-Version) ist dabei sogar quasi notwendig, um die Geräuschkulisse der Tastatur zu verbessern. Nicht für jedes Barebone ist dies notwendig, jedoch sind zumindest ein paar Modifikationen bei jeder Tastatur zu empfehlen und auch schnell umgesetzt.

Folgende Modifikationen, speziell für die Keychron Q1 ausgelegt, werden behandelt:
  • „Force-Break-Mod“
  • „Tape-Mod“
  • „Holee-Mod“
  • „Polyfill“
Gehäuseunterteil Keychron Q1
Gehäuseunterteil Keychron Q1

Bei der „Force-Break-Mod“ wird der Rand des Unterteil-Gehäuses mit Kreppband überklebt, damit wird erreicht, dass das hohle Ping-Geräusch des Alu-Gehäuses der Keychron Q1 gedämpft und vermindert wird.

Bei der „Tape-Mod“ greift man wieder auf das Maler-Kreppband zurück und klebt zwei bis drei Lagen davon auf die Unterseite der Schalterplatine. Auch hiermit wird der in das untere Teil des Gehäuses abgegebene Schall der Tastenanschläge gedämpft und relativ einfach und schnell das Soundprofil der Tastatur verbessert.

Durock V2 - Holee Mod
Durock V2 - Holee Mod

Bei der „Holee-Mod“ wird das Soundbild der Stabilisatoren, die für Leer-, Enter- und Backspace-Taste verbaut sind, verbessert. Diese Modifikation setzt viel Geduld und eine motorische Feinarbeit voraus. Der Stamm der Stabilisatoren wird im Inneren mit einem dünnen Streifen eines Wundpflasters versehen – siehe Bild rote Markierung. Damit werden die Anschläge gedämpft und das Klack-Geräusch der Leer-, Enter- oder auch Backspace-Taste reduziert und verbessert.

Wem das zu viel Arbeit ist, der sollte auf ein steiferes Schmiermittel wie das von G-Lube zurückgreifen und die Stämme sowie Verbindungsstücke der Stabilisatoren schmieren – dies wird auch nach der „Holee-Mod“ empfohlen. Damit kann ebenfalls schon eine Verbesserung der Soundkulisse erreicht werden.

Gehäuseunterteil mit Polyfill
Gehäuseunterteil mit Polyfill

Zum Abschluss steht noch die Modifikation der Tastatur mit synthetischer Wolle/Watte im Raum. Das untere Gehäuse-Teil wird damit aufgefüllt und das Gehäuse anschließend wieder verschlossen. Auch eine Befüllung mit Silikon des unteren Gehäuse-Teils ist eine Option und hat ähnliche Wirkungen. Das Ziel von allen Modifikationen ist dasselbe: weniger Nachhall der Alu-Konstruktion und ein dumpfer Klang beim Tippen.

Soundtests

Für die Soundproben kamen folgende Komponenten zum Einsatz:

  • Barebone: Keychron Q1 QMK Custom Mechanical Keyboard (ISO)
  • Keycaps: Keychron ISO Q1 & K2 OEM Dye-Sub PBT Keycap Set – Blue (ISO-DE)
  • Switches: Akko Ocean Blue tactile 36gf (operation force)
  • Stabilisatoren: Durock V2
Akko Ocean Blue – Auslieferungszustand
Akko Ocean Blue – Tape Mod
Akko Ocean Blue – Tape Mod und Polyfill
Akko Ocean Blue – Tape Mod, Polyfill und geschmierte Schalter

Zum Abschluss gibt es noch Soundproben zu sieben verschiedenen Schaltern. Die einzige Änderung zu den oben gezeigten Soundproben sind neue PBT-Schalterkappen von Teleport (Full Set Model R). Für die Vergleichbarkeit wurde jeweils die A-Taste der Tastatur mit den Schaltern getauscht. Das Mikrofon, ein t.bone SC 440, ragte circa 12 Zentimeter rechts oberhalb der Tastatur. Alle Schalter waren geschmiert und die Federn geölt, auch Modifikationen der Tastatur mit „Tape-Mod“, „Polyfill“ und „Force-Break-Mod“ wurden umgesetzt. Hier ist ebenfalls ein merkbarer Soundunterschied aufgrund der unterschiedlichen Tastenkappen gegenüber den vorigen Aufnahmen festzustellen.

Keychron Q1 mit PBT-Keycaps Set Model R von Teleport
Keychron Q1 mit PBT-Keycaps Set Model R von Teleport
Akko Radiant Red
Akko Ocean Blue
Akko Custom Switches Silver
Tecsee Oreo Switches
Gateron CJ
Aliaz Silent Switches
Gazzew Boba U4 Silent

Wie in der Bilderreihe zu sehen, wurde das neue Tastaturkappen-Set von Teleport mit ein paar Qualitätsproblemen ausgeliefert. Anscheinend sind hier nur ein paar Sets davon betroffen, so zumindest die Aussage seitens des Supports. Teleport hat in diesem Fall jedoch sehr rasch und kundenfreundlich reagiert und eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung erbracht. Sollte noch jemand von diesen Qualitätsproblemen betroffen sein, sollte er sich unbedingt beim Support von Teleport melden. Wichtig: Von der Problematik sind nicht die Vorgänger-Sets des Herstellers betroffen.

Zwischenfazit

Am Ende von Teil II ist ein Großteil des Nebelschleiers im Kaninchenbau gefallen. Wer die genannten Aspekte selbst umsetzen möchte, wird die neue Freizeitaktivität zu schätzen wissen.

Doch Vorsicht: Der Kostenfaktor ist nicht zu unterschätzen: Barebone, Schalter, Tastaturkappen, Schmiermittel und -öl sowie die übrigen Utensilien verschlingen schnell ein kleines Vermögen. Für alle Komponenten zahlt man im Einstiegsbereich bereits rund 200 Euro, im mittleren Qualitätsbereich sind es 300 bis 400 Euro und in der obersten Liga sind keine Preisgrenzen gesetzt. Selbst 1.000 Euro für eine ganz individuell zusammen- und eingestellte Tastatur sind möglich.

Die Umfrage in Teil I dieser Serie hat ein interessantes Ergebnis zu Tage gebracht: Von 808 Teilnehmern kann sich ein Drittel kein Custom Mechanical Keyboard vorstellen. Ein anderes Drittel spielt mit dem Gedanken, ein weiteres hat bereits eine oder plant die Anschaffung. Was sind die Gründe derjenigen, die eigentlich einsteigen wollen, aber noch zögern? Mehr Details zu den Beweggründen sind in den Kommentaren gerne gesehen.

Ist eine Custom Mechanical Keyboard etwas für dich?
  • Ja, ich habe schon eine solche Tastatur
    17,8 %
  • Ja, ich habe die Anschaffung fest geplant
    5,9 %
  • Ja, aber ich zögere noch
    32,0 %
  • Nein
    44,3 %

Wer auf der Suche nach Custom-Mechanical-Keyboard-Kaufberatung ist, wird in der ComputerBase-Community fündig. Ein lebendiger Austausch findet im Thread Mechas – der allgemeine Diskussionsthread statt. Wer ganz tief in den Kaninchenbau schnuppern möchte, schaut am besten im Discord von Max (whnkeys) vorbei. Dort gibt es Informationen zu Tastenkappen, Tastaturen und Schaltern, Soundproben einzelner Schalter und vieles mehr.

Der abschließenden Teil III der Serie wird konkrete Empfehlungen für die Umsetzung von Custom Mechanical Keyboards auf Basis der Expertise der Community liefern.

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