HTC Vive XR Elite im Test: Design hui, in Summe ...

David Pertzborn
65 Kommentare
HTC Vive XR Elite im Test: Design hui, in Summe ...

Das autark oder am PC nutzbare VR-Headset HTC Vive XR Elite überzeugt im Test mit seinem futuristischen Design, aber Probleme überwiegen. Auch die guten Linsen können ihr Potential dank der gewählten Displays nicht entfalten. Auf jedes gelungene Detail kommen zwei Kritikpunkte – zum Preis von 1.400 Euro ist das zu viel.

Der allererste Eindruck

Beim ersten Aufsetzen der Vive XR Elite fallen zwei Dinge sofort auf:

  • Größe und Gewicht unterbieten alles bisher Getestete.
  • Der Bildeindruck ist grandios. Doch aufgepasst!

Zu Beginn zeigt das VR-Headset nämlich dank der 16 MP starken Passthrough-Kamera nichts weiter als ein Bild der eigenen Umgebung an. Hier lassen Bildschirme und Linsen der Vive XR Elite ihre Muskeln spielen.

Die vielen Schwächen des Headsets zeigen sich im Anschluss und lassen die anfängliche Begeisterung leider schnell abkühlen.

Technik

Die Alleinstellungsmerkmale der Vive XR Elite sind ganz klar der Formfaktor und das Gewicht. Kein anderes von ComputerBase getestete VR-Headset ist kleiner und leichter als HTCs Quest-Pro-Konkurrent. Das fällt auch bei der Nutzung massiv auf, wobei es hier zu differenzieren gilt, denn die XR Elite kann mit integriertem Akku oder ohne genutzt werden.

Mit integriertem Akku ist das Gewicht etwas höher als das einer Meta Quest 2 oder Pico 4, wenn auch besser ausbalanciert, da die Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterteil fast genau bei 50:50 liegt. Ohne den Akku auf der Rückseite kann das Headset wie eine übergroße Brille getragen werden und wiegt dann nur knapp unter 300 g. Dafür muss aber ein Kabel für die Stromversorgung verwendet werden.

Den schlanken Formfaktor erreicht die Vive XR Elite wie auch schon die Pico 4 (Test) durch die Verwendung von sogenannten Pancake-Linsen, die deutlich flacher ausfallen als die sonst üblichen Fresnel-Linsen. Damit verlagert sich auch der Schwerpunkt des Vorderteils näher zum Kopf hin und macht das Headset ergonomischer.

HTC Vive XR Elite Meta Quest 2 Pico 4
Gewicht 625 g mit Akku
273 g ohne Akku
470 g 586 g
Display LCD mit RGB
Auflösung (pro Auge) 1.920 × 1.920
@ 90 Hz
1.720 × 1.890
@ 72, 80, 90, 120 Hz
2.160 × 2.160
@ 72, 90 Hz
SoC Snapdragon XR2 Gen 1
12 GB RAM
Snapdragon XR2 Gen 1
6 GB RAM
Snapdragon XR2 Gen 1
8 GB RAM
Audio Integriert,
Kein Klinkenanschluss
Integriert,
1 × 3,5 mm
Integriert,
Kein Klinkenanschluss
IPD-Einstellung Mechanisch
54–73 mm
Mechanisch
58, 63, 68 mm
Mechanisch
62–72 mm
Preis 1.399 € ab 420 € ab 389 €

Ergonomie

Auch wenn der Tragekomfort dank des Formfaktors sehr gut ist, kommt die Vive XR Elite mit einigen kleinen ergonomischen Schwachstellen.

Ein Kritikpunkt resultiert direkt aus dem kleinen Formfaktor: Um das Headset möglichst klein zu gestalten, wurde der Abstand zwischen Augen und Linsen ebenfalls sehr klein gehalten. Das führt dazu, dass die Linsen regelmäßig mit Wimpern oder beim Auf- und Absetzen mit Stirn und Haaren in Berührung kommen und schnell verdrecken. Zusätzlich erlaubt dieses Design keinen Platz für eine klassische Brille/Sehhilfe unter dem Headset.

Um dieses Problem anzugehen, bietet HTC einen integrierten Dioptrienausgleich von 0 bis -6 Dioptrie an. Wer nicht in diesen Rahmen fällt, muss auf Kontaktlinsen zurückgreifen. Da der Redakteur jedoch im ausgleichbaren Bereich liegt, war dieser Kompromiss im Test ein gelungener.

Die integrierte Sehstärkenanpassung überzeugt
Die integrierte Sehstärkenanpassung überzeugt

Ohne einen Bügel über dem Kopf, wie ihn inzwischen die meisten VR-Headsets haben, muss der Halt durch Druck ans Gesicht garantiert werden. Das ist zwar nicht unbequem, hinterlässt aber nach längerer Nutzung einen unverkennbaren roten Abdruck im Gesicht. Nichtsdestoweniger ist die Vive XR Elite eines der bequemsten der bis jetzt getesteten VR-Headsets, egal ob mit integriertem Akku oder ohne.

Controller

Wenig zu sagen gibt es über die Controller. Das Tracking funktionierte im Test immer gut genug und auch die Ergonomie stimmt. Geladen wird über USB-C und die Akkulaufzeit der Controller war immer länger als die Spielesessions.

Bild und Ton

Bei Bild und Ton enttäuscht die Vive XR Elite auf zwei verschiedene Arten.

Tonqualität

Der Ton ist einfach schlecht, wenngleich damit auf einem Niveau mit anderen Standalone-Headsets. HTC setzt wie beispielsweise auch Meta bei der Quest (2) oder Pico auf im Headset integrierte Lautsprecher, die Richtung Ohren schallen. Sie können bei HTC klanglich ebenso wenig überzeugen: Es fehlt nicht nur an Bass und die Spielgeräusche sind auch für Außenstehende deutlich zu hören. Hier war selbst die erste Generation VR-Headsets mit der Oculus Rift schon besser, um von neuen Vertretern wie der Valve Index (Test) gar nicht zu sprechen. Die kürzlich getestete PlayStation VR 2 (Test) löst das Problem durch beiliegende In-Ear-Kopfhörer.

Bei der Vive XR Elite ist selbst diese Lösung nicht möglich, denn wie bei der Pico 4 gibt es nicht einmal einen Kopfhöreranschluss.

Bildqualität

Der Bildeindruck bedarf einer genaueren Betrachtung. Wie in der Einleitung erwähnt, kann die Bildqualität durchaus begeistern, nur um dann umso mehr zu enttäuschen. Bei der Nutzung der Passthrough-Funktion wird ein Live-Bild der eigenen Umgebung in das Headset eingespielt und das stellt eine Art Best-Case Szenario für die Vive XR Elite dar. Die hohe Auflösung der Bildschirme und die homogene Bildschärfe der Pancake-Linsen lassen die Realität zwar nicht 100 Prozent echt aussehen, aber schärfer und detailreicher als jedes programmierte VR-Erlebnis. Das Problem ist, dass dieses Niveau bei klassischen VR-Titeln nicht gehalten wird.

Insbesondere bei nativ auf dem Headset berechneten Titeln ist die Auflösung dafür zu niedrig und wird zum Rand hin aggressiv reduziert. Das führt zu einem unschönen und deutlich wahrnehmbar verpixelten Eindruck zum Bildrand hin und einem entsprechenden Verlust an Bildqualität.

Hier zeigt sich der große Nachteil von Foveated Rendering, das nicht in Kombination mit Eyetracking arbeitet, also auch dort mit geringerer Auflösung rendert, wo der Nutzer hinblickt – in diesem Fall am Rand. Grundsätzlich ist es mit Blick auf die Performance durchaus sinnvoll, nur den Bereich in maximaler Auflösung zu rendern, der gerade betrachtet wird. Die PS VR2 macht hier vor, wie es richtig geht. Ohne Eyetracking bleibt der Vive XR Elite hingegen nur die Notlösung, einfach immer den Bildrand unscharf darzustellen.

Beim Streaming vom PC (der PC berechnet das Bild) ist dieses Problem nicht vorhanden, jedoch gibt es hier potentiell Kompressionsartefakte, da die Vive XR Elite keinen direkten Displayeingang hat, sondern über WLAN oder USB mit dem PC verbunden wird.

Neben der Auflösung ist noch ein weiteres Problem bei der Bildqualität vorhanden. Die verwendeten LC-Displays der Vive XR Elite sehen gerade im Vergleich mit der zuletzt getesteten PS VR2 mit OLED-Bildschirmen ziemlich blass aus und scheitern an der Darstellung von dunklen Szenen, da Schwarz hier als Grau dargestellt wird. Auch dieses Problem fällt jedoch im ersten Moment, wenn eine reale Umgebung mit Tageslicht eingeblendet wird, nicht auf.

Damit bleibt festzuhalten, dass die Vive XR Elite im besten Fall dank der guten Linsen und der hohen Auflösung mit einem sehr guten Bildeindruck punkten kann, in vielen anderen Fällen jedoch enttäuschend weit hinter dem Bestmöglichen zurückbleibt.

Probleme und Bugs

Als ob die Enttäuschung bei Bild und Ton mit Blick auf den Preis nicht genug wäre, gab es mit der Vive XR Elite jede Menge kleinere Probleme und Schwachstellen, die im Test sukzessiv den Gesamteindruck des Headsets immer weiter nach unten zogen. Insbesondere zwei davon fallen in die Kategorie „Warum nur?!“.

  1. Warum wird bei Controllern für ein VR-Headset, bei dem es letztlich um die Immersion geht, haptisches Feedback aus der ersten Smartphone-Generation verbaut? Sowohl Sony als auch Valve machen vor, dass das besser geht. Vor allem bei einem der teuersten VR-Headsets von einem etablierten Hersteller darf das nicht sein.
  2. Warum muss sich das Headset nach kürzester Zeit ohne Verwendung komplett entladen? Im Gegensatz zu einem Notebook oder Tablet musste das VR-Headset im Test nicht einmal Benachrichtigungen empfangen. Hier zeigt erneut Valve mit dem Steam Deck oder Apple mit den MacBooks, dass eigentlich mehr gehen muss. Vor allem, weil die hohe Selbstentladung in der Praxis tödlich für die kurze Nutzung zwischendurch ist.

Was darüber hinaus negativ auffiel: Der Lüfter im Headset ist deutlich wahrnehmbar und läuft oft. Und das mit Magneten befestigte Gesichtspolster löst sich zu leicht – auch schon beim normalen Auf- und Absetzen des Headsets.

Das Gesichtspolster löst sich ungewollt
Das Gesichtspolster löst sich ungewollt

Die Software zur Verbindung des Headsets mit dem PC funktionierte im Test nicht problemlos. Zunächst konnte ohne wiederholten Neustart von PC und Headset gar keine Verbindung aufgebaut werden. Dann verlor das Headset die WLAN-Verbindung und musste neu verbunden werden. Die Controller waren in SteamVR erst nach mehrmaligem Neuverbinden voll funktionstüchtig, die WLAN-Verbindung bei gleichem Setup deutlich instabiler als mit der Pico 4. Und zu guter Letzt blockiert die Streamingsoftware am PC 100 Prozent der vorhandenen GPU-Ressourcen, auch wenn keine VR-Anzeige ans Headset ausgegeben wird. Selbst Mausbewegungen oder das Aufrufen des Startmenüs konnten nur mit massiver Verzögerung angezeigt werden und ein manueller Neustart des Rechners blieb die einzige Lösung.

Wer als Reaktion auf die Softwareprobleme am PC trotz dann reduzierter Bildqualität lieber im Standalone-Modus spielen will, wird im Vergleich zu SteamVR, aber auch im Vergleich zum mobilen Meta Quest Store enttäuscht werden. Die Auswahl an Spielen ist deutlich geringer und selbst große namhafte Titel fehlen.

Fazit

Tolles Design – und sonst? Am Ende dieses Tests lautet das nüchterne Fazit: Für 1.400 Euro ist die XR Elite aus der Perspektive privater Endanwender eine Enttäuschung, weil sie insgesamt und insbesondere mit Blick auf den Preis technisch einfach nicht gut genug ist. Die XR Elite scheitert am Ende an so vielen eigentlich lösbaren Problemen, auch wenn das Design des Headsets eines der derzeit besten auf dem Markt ist.

Das futuristische Design, seine Ergonomie und auch die verwendeten Linsen können voll überzeugen. Die Möglichkeit, die Linsen an die eigene Sehstärke anzupassen, bedeutet im Alltag einen massiven Komfortgewinn. Auch das Inside-Out-Tracking ohne externe Hilfsmittel funktioniert.

Aber warum hat HTC die sehr guten Linsen nicht mit sehr guten Bildschirmen kombiniert? Warum wurde nicht etwas mehr Aufwand in eine fehlerfreie Software investiert? Warum gibt es kein besseres haptisches Feedback? Warum muss das Headset nach einem Tag ohne Nutzung leer sein?

HTC Vive XR Elite im Vergleich zur Valve Index
HTC Vive XR Elite im Vergleich zur Valve Index

All diese Aspekte wären bei einem Einsteigerheadset wie der Meta Quest 2 oder der Pico 4 für rund 400 Euro noch irgendwo verzeihbar. Für volle 1.000 Euro Aufpreis muss HTC aber mehr als ein futuristisches Design liefern.

Das gelingt im Test nicht und lässt Raum für Firmen wie Apple, um mit einem – seit langem in der Gerüchteküche gehandelten und besser ausgereiften VR-Headset im oberen Preisbereich Kunden zu gewinnen. Apropos ausgereifteres VR-Headset: Sony liefert mit der PS VR2 (Test) nicht nur technisch ein besseres VR-Headset, sondern dank besserer Software insgesamt auch das rundere Gesamtpaket. Die PS VR2 ist nicht so filigran, aber selbst inklusive PlayStation 5 noch günstiger.

ComputerBase hat die HTC Vive XR Elite leihweise zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.