EU-Kartellverfahren: Microsoft 365 und Office 365 künftig ohne Teams

Michael Schäfer
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EU-Kartellverfahren: Microsoft 365 und Office 365 künftig ohne Teams
Bild: dimitrisvetsikas1969 | gemeinfrei

Microsoft hat angekündigt, die Produktreihen Microsoft und Office 365 künftig ohne die eigene Videokommunikationssoftware Teams auszuliefern. Damit will das Unternehmen einer Untersuchung der EU-Kommission wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Kartellrecht zuvorkommen und eventuelle Bedenken ausräumen.

Das hat die für europäische Angelegenheiten zuständige Microsoft-Managerin Nanna-Louise Linde in einem Blog-Beitrag bekannt gegeben. Damit reagiert der Konzern auf die Ankündigung der Europäischen Kommission, eine förmliche Untersuchung bezüglich der Bündelung von Microsoft Teams mit Microsoft 365 und Office 365 für Geschäftskunden einzuleiten. Die Wettbewerbshüter gehen dabei der Frage nach, ob Microsoft seinen Kunden unter Umständen die Wahl der Dienste anderer Hersteller und die Interoperabilität mit konkurrierenden Produkten einschränkt. Damit verschaffe sich das Unternehmen missbräuchlich einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern, so der Vorwurf.

Kooperation und Richtungswechsel

Die Ankündigung, weiterhin mit der Kommission zusammenzuarbeiten und nach Lösungen zu suchen, wird nun durch den aktuellen Kurswechsel bestätigt. So kündigte Linde „proaktive Änderungen“ an, von denen Microsoft hofft, dass diese die „Bedenken auf sinnvolle Weise ausräumen, auch wenn die Untersuchung der Europäischen Kommission noch andauert und wir mit ihr zusammenarbeiten“. Diese Maßnahmen sehen vor, dass Teams ab dem 1. Oktober 2023 von den Microsoft-365- und Office-365-Suiten im Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz entbündelt wird. Dabei will das Unternehmen seinen Kunden aufgrund des nun reduzierten Funktionsumfanges finanziell entgegenkommen. Dazu sollen die Preise für Hauptkunden, die im genannten Raum den größten Anteil ausmachen, je nach Abonnementvariante um 2 Euro pro Monat oder 24 Euro pro Jahr gesenkt werden. Für neue Unternehmenskunden soll Teams weiterhin separat zum Listenpreis von 5 Euro pro Monat oder 60 Euro pro Jahr erhältlich sein. Bestehende Unternehmenskunden, die bereits ein Paket mit Teams haben, sollen dieses entweder weiterhin nutzen oder zu einer Suite ohne Teams wechseln können. Ähnliches plant Microsoft für kleine Unternehmen: Auch hier sollen weiterhin Suiten mit und ohne die Kommunikationssoftware angeboten werden, wobei für letztere ebenfalls ein Preisnachlass gewährt wird. Genauere Informationen zu den Änderungen hat Microsoft in einer aktualisierten Preisliste zusammengestellt.

Mehr Support

Darüber hinaus will Microsoft die Interoperabilität seiner Produktivitätssoftware verbessern, damit künftig mehr Anbieter ihre eigenen Dienste nahtlos in Microsofts Produkt einbinden können. Dazu gehört ebenso die Entwickler bei ihrer Arbeit besser zu unterstützen – Rückmeldungen haben gezeigt, dass hier nach wie vor großes Verbesserungspotenzial vorhanden sei. Dies soll auch die Europäische Kommission so sehen. Gleichzeitig sollen neue Mechanismen geschaffen werden, die es Drittanbieterlösungen ermöglichen, Office-Webanwendungen hosten zu können. Diesen Bedenken versucht Microsoft nun mit der Entbündelung und stärkerem Support zu begegnen, nachdem in ersten Gesprächen keine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte.

Nicht die einzige Baustelle

Bereits vor drei Jahren hatte sich Slack mit dem entsprechendem Vorwurf an die Wettbewerbshüter gewandt, dass Microsoft durch die Integration von Teams in ihre Produkte ihrer Auffassung nach gegen das Kartellrecht verstoßen würde. Im Juli dieses Jahres ist zudem Alfaview, ein deutscher Anbieter von Videokonferenzsystemen aus Karlsruhe, mit gleicher Argumentation an die EU-Kommission herangetreten.

Doch das ist nicht der einzige Bereich, in dem Microsoft Ungemach droht. So kritisiert der Verband Cispe, dem auch Amazon an gehört, dass Microsoft die Dominanz bei seiner Produktivitätssoftware nutze, „um europäische Kunden zur eigenen Cloud-Infrastruktur Azure zu lenken“. Der deutsche Cloud-Spezialist Nextcloud wiederum hält die enge Einbindung des Microsofts-eigenen Speicherdienstes OneDrive in Windows angesichts des Marktanteils von 70 Prozent für wettbewerbswidrig. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission kürzlich einen sogenannten Markttest gestartet und Marktteilnehmer entsprechende Fragebögen zukommen lassen.