Center for Countering Digital Hate: Musk scheitert auf ganzer Linie mit Millionenklage gegen NGO

Michael Schäfer
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Center for Countering Digital Hate: Musk scheitert auf ganzer Linie mit Millionenklage gegen NGO
Bild: TwitterX: Elon Musk

Elon Musk ist mit einer Klage gegen die NGO Center for Countering Digital Hate (CCDH), die die Zunahme von Hassreden auf X seit der Übernahme durch den Tesla-Besitzer dokumentiert hatte, gescheitert. Musk hatte die Organisation auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagt.

Musk unterliegt gegen Non Profit Organisation

Musk, seit Oktober 2022 neuer Eigentümer des damals noch unter dem Namen Twitter bekannten sozialen Netzwerks, hatte die Non-Profit-Organisation auf Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe verklagt. CCDH ist eine gemeinnützige Organisation mit Büros in den USA und im Vereinigten Königreich, die regelmäßig Berichte über Hassreden, Extremismus oder schädliches Verhalten auf Social-Media-Plattformen wie X, TikTok oder Facebook veröffentlicht.

In der jüngeren Vergangenheit hatte die Organisation mehrere Berichte veröffentlicht, in denen die Führung von Musk kritisiert und eine Zunahme von Hassreden gegen LGBTQ-Personen sowie mehr verbreitete Fehlinformationen seit dem Kauf des Unternehmens festgestellt wurden.

X warf CCDH im Kern Verstoß gegen Nutzungsbedingungen vor

In seiner Klage warf der Online-Dienst der NGO nun vor, unzulässigerweise öffentliche Tweets gesammelt zu haben, was gegen die Nutzungsbedingungen verstoße, um deren Zunahme auf X zu dokumentieren. Die darauf basierenden Berichte wurden von X dafür verantwortlich gemacht, dass die Bedenken hinsichtlich der Markensicherheit verstärkt und Werbekunden von der Website vertrieben wurden.

Für Imran Ahmed, Gründer und Geschäftsführer des CCDH, war die Klage eine „heuchlerische Schikanekampagne“ durch einen Milliardär, der über den Schutz der freien Meinungsäußerung spreche, seinen Reichtum aber dazu nutzt, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Klage zeige damit einmal mehr die Notwendigkeit eines Bundesgesetzes, das Technologieunternehmen dazu verpflichte, mehr Informationen über ihre Aktivitäten zu veröffentlichen, damit die Öffentlichkeit verstehen könne, wie diese mächtigen Plattformen die Gesellschaft formten.

Das Gericht folgte der Argumentation nicht

Auch vor Gericht konnte sich X mit der Argumentation vorerst kein Gehör verschaffen. Am Montag wies der US-Bezirksrichter für den nördlichen Bezirk von Kalifornien, Charles Breyer, die Klage ab. In einer 52-seitigen Begründung bezeichnete er die Klage von X als reine Strafaktion und nicht als Schutz der Sicherheit und der Rechte der Plattform. „Manchmal ist es unklar, was der Grund für einen Rechtsstreit ist“, so Breyer in den ersten Zeilen der Verfügung. „In anderen Fällen geht es in einer Klage so unverblümt und lautstark um eine Sache, dass dieser Zweck nicht zu verkennen ist“. Der vorliegende Fall repräsentiere für ihn den zweiten Umstand, weil es X lediglich darum gehe, die Beklagten für ihre Äußerungen zu bestrafen.

Darüber hinaus führte Breyer aus, dass X keinen Schadenersatz für unabhängige Handlungen Dritter verlangen könne, die auf den Berichten von CCDH beruhten. Für Breyer steht es zudem außer Zweifel, dass die Berichte der CCDH von dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind und die Gruppe dies auch überzeugend darlegen konnte. Bereits in der im Februar stattgefunden Anhörung, in der der Antrag von CCDH auf Abweisung der Klage geprüft wurde, bezeichnete Breyer die Argumente von X als „leer“.

Strategiewechsel

Nachdem X mit seiner Klage nicht den gewünschten Erfolg verbuchen konnte, wollte das Unternehmen seine Klage auf Vertragsbruchs ändern. Auch dem schob Breyer einen Riegel vor, weil er in dem Vorgehen lediglich eine Verzögerungstaktik sah, die CCDH zwingen würde, mehr Zeit und Geld für seine Verteidigung aufzuwenden, bevor die NGO hoffen kann, „aus diesem potenziell ruinösen Rechtsstreit herauszukommen“. CCDH stützte sich teilweise auf ein kalifornisches Gesetz, das die Beklagten vor leichtfertigen Klagen schützen soll, die ihre Meinungsäußerung unterdrücken wollen.

Für Roberta Kaplan, Anwältin des CCDH, zeige die Abweisung der Klage von X, dass „selbst der reichste Mann die Rechtsstaatlichkeit nicht nach seinem Willen biegen kann“. „Wir leben in einem Zeitalter der Tyrannen und es sind die sozialen Medien, die ihnen die Macht geben, die sie heute haben“, gab Kaplan in einer Stellungnahme an. Für sie erfordere es großen Mut, diesen Tyrannen die Stirn zu bieten. Ob diese Aussage auch an Musk gerichtet war, blieb offen. Auch Ahmed zeigt sich erfreut über das Urteil: Für ihn sende die Entscheidung eine deutliche Botschaft an diejenigen, die darauf abzielen, unabhängige Forschung einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.

Die Social-Media-Plattform hingegen erklärte in einer veröffentlichten Erklärung wenig überraschend, dass sie mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden sei und in Berufung gehen will:

Heute hat ein Bundesgericht in San Francisco eine Entscheidung in dem Fall getroffen, den X gegen das Center for Countering Digital Hate angestrengt hat, weil es sich illegal Plattformdaten beschafft hat, um irreführende Studien zu erstellen. X ist mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden und plant, Berufung einzulegen.

Nicht die erste Klage

CCDH steht mit seinen Berichten über die Zunahme von Hassinhalten auf X seit dem Kauf durch Musk nicht alleine dar. Im vergangenen November kündigten mehrere große Werbekunden, darunter unter anderem Apple, Disney, IBM, NBCUniversal und die Muttergesellschaft Comcast, an, ihre Werbung auf X einstellen zu wollen, nachdem bekannt geworden war, dass ihre Anzeigen neben rechtsextremen Inhalten angezeigt wurden. Damals kündigte Musk auch eine Klage gegen die ebenfalls gemeinnützige Organisation Media Matters an, die den aktuellen Fall ins Rollen gebracht hatte.

Verluste setzen sich bei X fort

Für Musk steht die Übernahme von Twitter weiterhin unter keinem guten Stern. Bereits ein Jahr nach der Übernahme soll die Zahl der App-Nutzer weltweit von 140 Millionen auf 121 Millionen gesunken sein, mittlerweile soll der Rückgang sogar 23 Prozent betragen. In den USA soll der Nutzerschwund von 2023 auf 2024 rund 30 Prozent betragen haben – X verliert somit immer mehr an Reichweite und Bedeutung. Auf Threads schreibt der Platformer-Journalist Casey Newton: „Es gibt keinen Fall, in dem sich ein soziales Netzwerk erholt hat, nachdem es binnen eines Jahres so viele Nutzer verloren hat“.

Analysten schätzten den Wert von X zu diesem Zeitpunkt auf lediglich 8 Milliarden US-Dollar – Musk hatte Twitter im Jahr 2022 für 44 Milliarden US-Dollar gekauft.