Verfassungsschutz erhält XKeyscore für Datenaustausch

Andreas Frischholz
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Der Verfassungsschutz und die amerikanischen Geheimdienste kooperieren offenbar enger miteinander, als bislang von den offiziellen Vertretern eingeräumt wurde, berichtet der NDR. Neben einem Austausch von Datensätzen betrifft die Zusammenarbeit auch das NSA-Programm XKeyscore, das der Verfassungsschutz derzeit testet.

Die Informationen stammen aus Dokumenten des Bundesinnenministeriums, die als geheim eingestuft sind und dem NDR sowie der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz erhielten US-amerikanische Geheimdienste demnach im Jahr 2012 insgesamt 864 Datensätze sowie „regelmäßig bewertete Sachverhaltsdarstellungen“. An die britischen Geheimdienste übermittelte der deutsche Inlandsgeheimdienst 657 Datensätze. Da der Verfassungsschutz als Inlandsgeheimdienst nur in Deutschland agieren darf, wurden die übermittelten Datensätze mutmaßlich auch hierzulande erfasst.

Aus den Dokumenten lässt sich laut dem NDR aber nicht herauslesen, woher die übermittelten Datensätze konkret stammen. Einen Hinweis bietet lediglich der Verweis auf die regelmäßigen Treffen von Verfassungsschutz- und NSA-Mitarbeitern, bei denen wöchentlich Informationen von der Islamismus-Abteilung des Verfassungsschutzes ausgetauscht werden. Allerdings wird nicht genannt, ob und – falls ja inwieweit – diese Treffen mit dem Austausch der eingangs erwähnten Datensätzen zusammenhängen.

Verfassungsschutz profitiert ebenfalls

Im Gegenzug habe der Verfassungsschutz in den letzten vier Jahren über 4.700 Verbindungsdaten von den US-Geheimdiensten erhalten. Die Übermittlung erfolgt seit 2009 über den Bundesnachrichtendienst (BND). Der Auslandsgeheimdienst erhält von der NSA vorgefilterte „Erfassungslisten“, die in erster Linie „verdächtig erscheinende Kommunikationsdaten“ von mutmaßlichen Terrorverdächtigen und Gefährder umfasst. Diese gehen an den Verfassungsschutz, der die Telefonnummern oder Namen in sein Informationssystem einspeist.

Um eine effektivere Überwachung gewährleisten zu können, erhält der Verfassungsschutz zusätzlich noch technische Unterstützung in Form von XKeyscore. Bereits bekannt ist, dass das Überwachungsprogramm vom BND seit 2007 zum Filtern der Datenströme eingesetzt wird. Beim Verfassungsschutz läuft es derzeit in einer Testphase. Offenbar ist man mit den Ergebnissen zufrieden. Laut den Dokumenten habe man „Fragestellungen zu Telekommunikationsdaten der Überwachten beantworten“ können, die bislang außer Reichweite lagen.

Sollte XKeyscore auch in der Praxis genutzt werden, ist der Verfassungsschutz dazu verpflichtet, alle daraus gewonnen Erkenntnisse mit der NSA zu teilen. Darauf hatte sich Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen mit Mitarbeitern der US-Dienste verständigt. Ohnehin arbeitet der Verfassungsschutz nicht nur mit der NSA, den Dokumenten zufolge soll „eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit acht US-Geheimdiensten bestehen, unter denen sich auch die CIA oder eine für Gegenspionage verantwortliche Abteilung der US Army befindet.

Zweifelhafte Aufklärung der Bundesregierung

Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung erklärte der Verfassungsschutz, dass man sich „strikt an seine gesetzlichen Befugnisse“ halte und das parlamentarische Kontrollgremium wäre im vollen Umfang über die Kooperationen im Bilde. Außerdem betreibe der Verfassungsschutz keine Auftragsarbeit für ausländische Geheimdienste.

Nichtsdestotrotz hinterlassen die nun bekannten Datenübermittlungen und Kooperationen einen faden Beigeschmack. Bei öffentlichen Auftritten hatten Vertreter der Bundesregierung wie Kanzleramtsminister Roland Pofalla stets darauf gepocht, dass die NSA etwa im Jahr 2012 lediglich zwei Datensätze von deutschen Staatsbürgern erhalten haben. Präzise gesagt: Der BND habe der NSA lediglich zwei Datensätze von deutschen Staatsbürgern übermittelt. Vom Verfassungsschutz war keine Rede.

Angesichts der neuen Berichte entsprechen die Aussagen von Pofalla offenbar erneut der PR-Strategie, die der IT-Fachanwalt und Blogger Thomas Stadler bereits Ende August in seinem Blog Internet-Law beschrieben hatte: „Pofalla hat also nicht gelogen, sondern nur Fakten verschwiegen, die ihm als deutscher Geheimdienstkoordinator bekannt sein müssen.“ Die Bundesregierung ziele darauf ab, die Öffentlichkeit nicht über das vollständige Ausmaß der Überwachungsaktivitäten von eigenen und befreundeten Geheimdiensten zu informieren.