Wolf im Schafspelz: Radeon 9800 Pro mit R360

Christoph Becker
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Vor gut einem halben Jahr stellte ATi mit dem R360 den neuesten Chip der Radeon-Produktfamilie vor. Während die technischen Neuerungen gen null tendierten, brachte dieser doch ein weiteres mal mehr Performance gegenüber dem Vorgänger, dem R350, der in der Radeon 9800 Pro seinen Dienst verrichtet.

Mittlerweile schreiben wir den April 2004 und ATi bereitet zur Zeit nicht nur eifrig den Launch des nächsten Chips, dem R420 oder auch Radeon X800, vor; nein, unterdessen wird auch emsig weiter der gute alte R360 produziert. Und so kommt es in diesen Tagen immer wieder vor, dass verdutzte Kunden unter dem Kühlkörper ihrer just erstandenen Radeon 9800 Pro keinen R350-Chip mehr finden. Stattdessen thront dort ein voll funktionsfähiger R360, der sonst nur auf der weitaus teureren Radeon 9800 XT eingesetzt wird. Handelt es sich hierbei etwa um den viel zitierten Wolf im Schafspelz?

Erinnern wir uns zunächst einmal an die Zeit kurz vor dem Launch der Radeon 9800 XT im Oktober 2003. Damals machten Gerüchte die Runde, dass diverse Hersteller - darunter Sapphire und PowerColor - planten, neue XTs auch mit 128 MB Texturspeicher statt der vollen 256 MB auf den Markt zu bringen. In erster Linie wollte man mit diesem Schritt wohl Kosten sparen und den Kunden einen Gefallen tun, schließlich kostete die Radeon 9800 XT zu ihrer Einführung alles andere als wenig Geld. Doch jetzt, gut ein halbes Jahr später, ist von diesem Modell noch immer nichts zu sehen. Im Nachhinein mussten viele Hersteller wohl feststellen, dass die Radeon 9800 Pro nur wenig langsamer war als eine brandneue XT, so dass eine solche mit nur 128 MB wenig Sinn gemacht hätte. Letztendlich hätte man so die Käufer von der 9800 Pro ferngehalten.

Doch nun zurück zur eigentlichen Story mit dem R360-Chip, der mittlerweile auch auf Grafikkarten verbaut wird, auf denen eigentlich sein Vorgänger seinen Dienst verrichten sollte. Wieso das Ganze? Die Antwort ist eigentlich recht einfach. So hat ATi mittlerweile die Produktion des R350 auslaufen lassen und lässt bei TSMC in Taiwan nur noch den R360 fertigen. Da die Radeon 9800 Pro aber immer noch reißenden Absatz findet, musste man sich etwas einfallen lassen. Und so nimmt man seit kurzem „mangelhafte“ R360-Chips, die die für eine Radeon 9800 XT vorgeschriebenen Taktraten nicht mitmachen, und verbaut diese mit den Spezifikationen eines R350 auf einer Radeon 9800 Pro. Allerdings darf man so nicht automatisch bessere Overclockingergebnisse erwarten, handelt es sich doch nur um den Bodensatz der R360er, der diverse Prüfungen nicht bestanden hat. Da die Verkaufszahlen der Radeon 9800 XT weitaus geringer sein dürften - ATi gewährt hier leider keinen Einblick - als die der produzierten Chips, dürfte die eine oder andere „neue“ Radeon 9800 Pro doch der viel zitierte Wolf im Schafspelz sein, denn unter einer Vielzahl von Kühlern schlummert mit Sicherheit ein voll funktionsfähiger R360, der sonst zum Staubfänger im Lager geworden wäre.

Mit knapp einem halben Jahr Verspätung treffen wohl dann doch endlich die ersten Radeon 9800 XTs mit 128 MB Speicher ein, allerdings unter dem Label einer 9800 Pro und ohne Garantie auf die Taktraten einer schnelleren und vor allem teureren XT.