BioShock Infinite im Test: Ein Spiel, nahe der Perfektion

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Sasan Abdi
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Die Entwickler im Interview

Bill Gardner ist ein echtes Irrational-Urgestein: Seit 14 Jahren bei der Spieleschmiede angestellt, zeichnete er unter anderem als Design-Chef für das Original-„BioShock“ verantwortlich. An der Entwicklung von „Infinite“ wirkte der Videospiel-Veteran als „User Experience Specialist“ mit.

ComputerBase: Man konnte die Befürchtung haben, dass ein „BioShock“ nicht ohne die Unterwasserstadt Rapture funktioniert. Warum habt ihr euch dazu entschieden, das Setting zu wechseln?

Bill Gardner: Wir hatten das Gefühl, dass wir in Rapture keine Geschichten mehr erzählen können. Außerdem wollten wir erkunden, was „BioShock“ über die Begrenzungen einer Unterwasserwelt hinaus bedeuten kann. Um aus Rapture ausziehen zu können, mussten wir allerdings zunächst feststellen, was ein „BioShock“ ausmachen könnte, wenn es eben nicht in Rapture spielt. Wir formulierten intern dann schließlich zwei Richtlinien, die für uns „BioShock“ definieren: Erstens, die neue Stadt muss Charakter haben, wobei der Ort und die Zeit eine entscheidende Rolle spielen. Sie verfügt hinter jeder Ecke über Mysterien, die die Spieler dazu einladen, Zeit auf das Erkunden zu verwenden. Zweitens verfügt der Spieler dabei über einige Instrument, um die vom Gameplay aufgebrachten Probleme kreativ lösen zu können. Wir laden den Spieler also dazu ein, diese Instrumente in cleverer Kombination zu nutzen.

Nachdem wir diese grundlegenden Aspekte für uns festgezurrt hatten, konnten wir problemlos aus den Mauern von Rapture ausbrechen.

ComputerBase: Im Vergleich wirkt der neue Schauplatz, die Luftstadt Columbia, sehr luftig, bestens beleuchtet und farbenfroh, was einen fundamentalen Unterschied zum düsteren, deprimierenden Rapture darstellt. Wie ist es in einer solchen Umgebung möglich, die Spannung, das Surreale und Verrückte von „BioShock“ aufrecht zu erhalten?

Bill Gardner: Amerika im Jahre 1912 bietet da vielfältige Möglichkeiten. Die neuen Technologien in Kombination mit den sozialen und politischen Bewegungen der Zeit – es gibt einige Konstrukte und Ideen, auf denen man aufbauen kann. Wenn man nun noch die fiktive Stadt Columbia und die Story von „BioShock Infinite“ hinzufügt, hat man keinerlei Engpässe an coolen Ideen, die man dem Spieler präsentieren kann.

Im Gespräch: Bill Gardner von Irrational Games
Im Gespräch: Bill Gardner von Irrational Games

ComputerBase: Die von dir erwähnte Zeit war unter anderem geprägt durch den Amerikanischen Exzeptionalismus, der die Einzigartigkeit der Vereinigten Staaten herauszukehren versuchte. Zu welchem Grad orientierte sich die Entwicklung an den damit verbundenen historischen Umständen?

Bill Gardner: „BioShock Infinite“ ist von vielen unterschiedlichen Aspekten inspiriert. Viele Kollegen bei Irrational sind echte Geschichtsfreaks, sodass es an unterschiedlichen historischen Elementen nicht mangelte. Manche von uns haben zum Beispiel „The Devil In The White City“ von Erik Larson gelesen, was uns sicher geholfen hat, die Technologie und den amerikanischen Zeitgeist dieser Ära zu verstehen. Dieser Ausgangspunkt führte uns schließlich zum Amerikanischen Exzeptionalismus.

ComputerBase: Religion oder zumindest De-Facto-Religion hat in „BioShock“ schon immer eine Rolle gespielt. Das gilt für „Infinite“ erst recht, oder?

Bill Gardner: Die kurze Antwort lautet: Ja. Die lange Antwort lautet, dass wir uns immer für die unbeabsichtigten Konsequenzen interessiert haben, die aus gut gemeinten Vorhaben entstehen können. Im Falle von Columbia hat man es mit einer Stadt zu tun, die auf den amerikanischen Idealen erbaut, die aber schließlich von Comstock und seinen Jüngern übernommen wurde. Der Konflikt, der aus den besagten Konsequenzen entsteht, stellt für uns sowohl in Rapture als auch in Columbia eine immense Grundlage für die Erzählung dar. Auch wenn es in „Infinite“ vordergründig um die Geschichte von Booker und Elizabeth geht, liefern Columbia und der geschichtliche Hintergrund doch eine reiche und komplexe Erzählung, die der Spieler in eigenem Tempo erkunden kann.

Dazu passen sehr unterschiedliche Wahrnehmungen: Immer wenn wir das Spiel Journalisten und Spielern gezeigt haben, mündeten die Reaktionen in Theorien dazu, was wir mit dem Spiel aussagen möchten. Als wir es das erste Mal präsentierten, lautete die vorherrschende Theorie, dass wir ein Spiel zur gegenwärtigen Politik der amerikanischen Rechten erschaffen hätten. Beim nächsten Mal vermuteten die Leute, dass es vor allem um unterschiedliche Realitäten ginge. Und als wir die ersten drei Stunden des Spiels bereitstellten, sahen sich die Spieler mit dem religiösen Fundamentalismus und dem Rassismus in Columbia konfrontiert.

Vor dem Hintergrund dieser Vielfalt freue ich mich nun auf die Diskussionen, die entflammen, nachdem man „Infinite“ durchgespielt hat. Es gibt viele weitere Aspekte und ich habe den Eindruck, dass man erst dann ganz zu dem Kern vordringen kann, wenn man das Spiel durchgespielt hat.

ComputerBase: Bill Gardner, wir danken für das Gespräch.

Das Interview wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt.