Just Cause 3 im Test: Explosionen und Enterhaken für Alleinunterhalter

 3/4
Max Doll
83 Kommentare

Superman gegen alles

Irgendwann versandet die Unterhaltung daher unvermeidlich in der ständigen Wiederholung von Elementen. Bis dahin kann allerdings eine Menge Zeit vergehen, schließlich gibt es in Merici eine Menge auszuprobieren. Besonders im Blut hat Just Cause Stunts: Rico ist weniger Widerstandskämpfer als eine Art kleiner Bruder von Superman, der sich auf Autodächer schwingt und an Flugzeuge hängt. In dieser Rolle nimmt es der Rebell ohne Weiteres mit einer halben Armee, Panzern und Helikoptern gleichzeitig auf. Realistisch? Nein, aber aufgrund der konstant kaskadierenden Explosionen mehr als unterhaltsam. Tatsächlich gehört Just Cause zu den Open-World-Titeln, in denen man sich über steigende Fahndungsstufen freut – weil das Militär dann neues Militärgerät vorbeischickt, dessen Aneignung dank Ricos Enterhaken nur wenige Sekunden Zeit in Anspruch nimmt.

Dieses nützliche Utensil dient jedoch nicht nur der Requirierung von Staatsbesitz, sondern kann in seiner dritten Iteration nun Gegenstände aneinanderheften – etwa Soldaten an eine Propangasflasche oder explosive Fässer an Statuen des Diktators. Kreative Zerstörung und Exploration mit oder gegen die Physik des Spiels entfalten dabei weiter eine starke Anziehungskraft. Falls dabei etwas schiefgeht oder sich Spieler doch einmal übernehmen, unterhält selbst ein tollpatschig durch die Gegend geschleuderter Rico aufgrund der hübschen Ragdoll-Effekte hervorragend.

Nur in einem Punkt haben die Entwickler den Anspruch etwas zu sehr zurückgeschraubt: Der Tod hat keinerlei Konsequenzen für den Spielfortschritt, was es erlaubt, Stützpunkte in einer Art Materialschlacht stückweise allein durch Ausdauer zu befreien. Dass nach dem „Ableben“ Ricos die Fahndungsstufe zurückgesetzt wird, macht sogar Selbsttötung zu einer validen spielerischen Strategie – hier wird die Mächtigkeit tatsächlich zu viel, auch wenn Just Cause 3 im Allgemeinen davon lebt, Spieler als zerstörerischen Gott über der Spielwelt zu positionieren.

Batman reist flüssiger

Zeitgemäß adaptiert worden ist zudem die Fortbewegung. Zusammen mit Fallschirm und dem neuen Wingsuit darf Rico nun effektiv auf Fahrzeuge verzichten und kann, wie Protagonisten anderer offener Spielwelten, fast schneller ohne weitere Hilfsmittel umherreisen. Die vom Enterhaken unterstützte Durchquerung der Karte geht in Merici allerdings noch nicht perfekt von der Hand: Ein von Rocksteady ähnlich austaffierter Batman kann sich wesentlich flüssiger durch Arkham City bewegen, als Rico durch Merici. Besonders schmerzlich macht sich das Fehlen einer simplen Kletterfunktion bemerkbar, was öfter zum umständlichen Einsatz des Enterhakens zwingt.

Explosionen!

Im Kern lässt sich Just Cause tatsächlich auf ein einfaches Wort herunterbrechen: Mit dem Ausruf „Explosionen!“ wird das Spielgeschehen bereits vollumfänglich beschrieben - man stelle sich einen Film vor, in dem sich Michael Bay in jeder einzelnen Szene austoben durfte, und hat im Wesentlichen Just Cause 3 vor Augen. Es erstaunt, wie lange das Spiel dazu motiviert, einfach immer wieder mit ausgeschaltetem Denkapparat identisch aussehende Siedlungen zu befreien und sich mit kindischer Freude an der dargebotenen Zerstörung zu erfreuen.

Dass dabei mit Zielhilfe unter die Arme gegriffen wird, sich Primärwaffen im Wesentlichen kaum voneinander unterscheiden und die Umgebung nur eingeschränkt zerstörbar ist, stört wie die fehlende Minikarte erst einmal nicht, wirft aber die Frage auf, wo die viel gepriesenen neuen technischen Möglichkeiten nun sind, die eine Fortsetzung der Serie laut Aussage der Entwickler überhaupt erst motiviert haben – zumindest (hüfthohe) Mauern mit einem Radpanzer zerwalzen zu können, sollte anno 2015 bei einem solchen Titel im Rahmen der Möglichkeiten liegen.

Werden Städte langweilig, bleiben Militärstützpunkte zum Befreien: Hier warten mehr Abwechslung, viel mehr Fläche und weit mehr Spielzeug. Schon herumstehende Helikopter oder Panzer versprechen Spaß und locken zum Ausprobieren. Das Ende des Pilotenlebens nach sofortigem Raketenbeschuss der aufgebrachten Militärs stört die Chaos-Orgie an solchen Schauplätzen nicht im Geringsten, weil stets das nächste Vehikel, eine Geschützstellung oder explosive Fässer in Sichtweite aufgebaut werden und viele Plattformen Gelegenheit bieten, sich mit Enterhaken zu bewegen und im Anschluss am Fallschirm gleitend aus luftiger Höhe Granaten regnen zu lassen.

Diese Art von Anarchie nach eigenem Gusto ist allerdings die einzige Säule, auf die sich Just Cause ausdauernd verlässt und mit immer neuen Vehikeln und größeren einstürzenden Gebäuden interessant hält. Die vollständige Befreiung des Inselstaates trägt das jedoch nicht, zu gewöhnlich und uninspiriert ist der Titel außerhalb seiner Kernkompetenz – irgendwann wird aus dem fröhlichen Spaß ermüdende Arbeit, auch weil Rico lediglich alleine arbeiten darf. Trotz der populären Mehrspieler-Mod für Just Cause 2 haben die Entwickler auf einen Mehrspielermodus verzichtet. Die Erfassung und stete Einblendung von Statistiken zum Vergleich mit anderen Nutzern trösten darüber nicht hinweg.