Vorratsdatenspeicherung: Alternativen für die Massenüberwachung

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Andreas Frischholz
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Gezielte Vorratsdatenspeicherung für Messenger wie WhatsApp?

Dasselbe gilt im Prinzip auch für soziale Medien wie WhatsApp. Erst im November forderten etwa die Innenminister der Länder in einer gemeinsamen Erklärung, die Vorratsdatenspeicherung müsse auf soziale Medien ausgeweitet werden. „Zukünftig sollen nicht nur die klassischen Telefonverbindungsdaten erfasst werden, sondern auch solche von WhatsApp, Facebook und anderen", sagte Lorenz Caffier als Sprecher der Unions-Innenminister. Nötig wäre das vor allem bei der Verfolgung von islamistischen Terroristen.

Nun wäre das auch mit dem EuGH-Urteil tendenziell immer noch möglich, sofern die Auflagen eingehalten werden. Was in der Praxis heißt: Bei WhatsApp etwa dürfen nicht die Verbindungsdaten von sämtlichen Nutzern erfasst werden. Stattdessen müsste sich die Überwachung auf bestimmte Gruppen wie etwa eine terroristische Zelle beschränken, um den Personenkreis einzugrenzen.

Bei der Digitalen Gesellschaft geht man allerdings nicht davon aus, dass in nächster Zeit ein Vorstoß kommt, um die Vorratsdatenspeicherung – in welcher Form auch immer – auf soziale Medien auszuweiten. Und nach dem Anschlag von Berlin geht es auch der Bundesregierung zunächst mehr um die Inhalte. Wie Bild berichtet, wollen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) die Rechtsgrundlage für den Staatstrojaner erneuern, um verschlüsselte Messenger wie eben WhatsApp überwachen zu können.

Ausblick auf das Jahr 2017

Selbst wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bereits zum Abgesang auf die Vorratsdatenspeicherung einlädt, lässt sich kaum prognostizieren, wie es im kommenden Jahr weitergeht. Klagen gegen das deutsche Gesetz wurden ohnehin schon vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Und mit dem EuGH-Urteil haben sich die Chancen nochmals deutlich verbessert, denn im Prinzip ist nicht erkennbar, wie die aktuelle Vorratsdatenspeicherung mit dem EuGH-Urteil vereinbar sein soll. Allerdings wäre es auch nicht das erste Mal, dass es bei Gerichtsverfahren eine Überraschung gibt.

Dennoch fordert Oliver Süme vom Internetwirtschaftsverband eco: „Wir brauchen jetzt dringend ein Moratorium, um die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu stoppen.“ Denn offiziell müssen Provider erst ab Juli 2017 mit der Vorratsdatenspeicherung starten. Bis dahin ist Zeit, um die Infrastruktur aufzubauen, die den Anforderungen der Bundesnetzagentur entspricht. Der eco befürchtet aber schon seit geraumer Zeit, dass dafür so hohe Investitionen nötig sind, dass es vor allem kleine und mittlere Provider in den Ruin treiben könnte. Das wäre dann umso bizarrer, wenn die Vorratsdatenspeicherung nach einem halben Jahr wieder aufgehoben wird.

Die Digitale Gesellschaft will derweil den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, indem man den Umweg über die EU-Kommission wählt. Die Brüsseler Behörde soll prüfen, ob ein Vertragsverletztungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet werden müsste. „Nach dem klaren Richterspruch weiterhin an der anlasslosen Protokollierung des Kommunikationsverkehrs festzuhalten, grenzt an Realitätsverweigerung“, so Volker Tripp von der Digitalen Gesellschaft.

Ob die Bundesregierung in irgendeiner Form reagiert, lässt sich derzeit aber noch nicht sagen. Sowohl das Justizministerium als auch die rechtspolitischen Sprecherin von CDU/CSU erklärten, ihrer Ansicht nach sei das deutsche Gesetz trotz des EuGH-Urteils vereinbar mit dem Grundgesetz und dem EU-Recht. Die Strategie ist offenbar: Erst einmal die Klagen abwarten, die ohnehin schon laufen, danach sieht man weiter. Doch zumindest in den Reihen der Union bereitet man sich offenbar für den Fall vor, dass die Vorratsdatenspeicherung erneut gekippt wird. So heißt es in der Stellungnahme von Winkelmeier-Becker: „Sollte wider Erwarten die Vorgabe nicht erfüllt sein, müssten wir die entsprechende europäische Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation dringend überprüfen.

Allerdings dürfte das schwierig werden. Denn es ist eben nicht nur die Datenschutzrichtlinie, mit der die Vorratsdatenspeicherung nicht vereinbar ist. Es sind die Grundrechte in der europäischen Menschenrechtscharta, die eine anlasslose Massenüberwachung verbieten.

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