Twitter: Elon Musk schmiss kritische Journalisten von der Plattform

Update 2 Fabian Vecellio del Monego
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Twitter: Elon Musk schmiss kritische Journalisten von der Plattform
Bild: geralt | CC0 1.0

Nachdem Elon Musk seit der Twitter-Übernahme Ende Oktober 2022 durchweg eine neue Ära der Meinungsfreiheit kolportiert hat, beginnt der neue Twitter-CEO nun mit dem Ausschluss kritischer Stimmen sowie der Konkurrenz. Das ruft auch das deutsche Auswärtige Amt auf den Plan: Man habe nun „ein Problem“ mit Twitter.

Musk widerspricht den eigenen Ankündigungen

Schon lange vor dem 44 Milliarden US-Dollar schweren Kauf Twitters verlautbarte Musk als vermeintliches Ziel der Übernahme, den Schutz der Meinungsfreiheit gewährleisten zu wollen, den er durch die vorherige – inzwischen entlassene – Führungsriege bedroht sah. Diese vielfach beschworene „freedom of speech“ weicht nun auch offiziell einer zielgerichteten Sperre gegenüber kritischen Stimmen. Den Anfang machte der Twitter-Account @ElonJet, der die Flüge von Musks Privatjet nachvollzog. Noch Anfang November beschwichtigte der neue CEO: Sein Engagement für die Meinungsfreiheit gehe gar soweit, dass er den Account nicht sperre, obwohl er ein persönliches Sicherheitsrisiko darstelle.

Bereits am vergangenen Mittwoch fiel Beobachtern jedoch auf: Das Twitter-Konto von @ElonJet wurde gesperrt – ebenso wie die Accounts einiger Nutzer, die auf Twitter auf eben diese Sperrung und Musks vorangegangene Lügen hinwiesen. Darüber hinaus dürfen sämtliche Twitter-Nutzer keine Tweets veröffentlichen, die auf die Instagram-Präsenz von @ElonJet verlinken. Die Begründung: Der Link sei von Twitter als „potenziell gefährlich“ identifiziert worden. Die Redaktion würde die Tweets derjenigen Nutzer, die auf diesen Sachverhalt hinweisen, nachfolgend gerne in die Meldung einbetten – aber sie wurden allesamt gelöscht und die Accounts gesperrt.

Twitter sperrt kritische Journalisten aus

Am heutigen Freitag weitete Elon Musk diese Einschränkungen der Pressefreiheit auf Twitter mit einigen weiteren Account-Sperrungen aus. Diese richten sich dabei insbesondere gegen prominente Journalisten in den USA, die zuvor kritisch über Elon Musk und Twitter berichtet haben. Betroffen sind unter anderem Journalisten des Nachrichtensenders CNN, der New York Times sowie der Washington Post. Musk wiederum rechtfertigt die Suspendierungen dadurch, dass die entsprechenden Nutzer personenbezogene Daten ohne das Einverständnis der Betroffenen veröffentlicht hätten. Twitters Nutzerrichtlinien wurden erst gestern entsprechend angepasst und verbieten nun insbesondere das Teilen des aktuellen Aufenthaltsortes dritter Individuen respektive den bloßen Verweis auf Inhalte oder Werkzeuge, die zu diesem Zweck genutzt werden können – selbst dann, wenn es sich um vollständig öffentliche Informationen handelt.

CNN gab anschließend in einer Stellungnahme zu verstehen, dass eine derartige „impulsive und ungerechtfertigte Sperrung zahlreicher Journalisten“ besorgniserregend, aber nicht überraschend sei. Die New York Times bezeichnet die Vorgänge als „fragwürdig und bedauerlich“. Vielfach wird darauf hingewiesen, dass die allermeisten der gesperrten Accounts gar keine akkuraten Standortdaten geteilt hätten, geschweige denn systematisch oder in Echtzeit.

Gleiches gilt freilich auch für den Twitter-Account des konkurrierenden Mikroblogging-Dienstes Mastodon – @joinmastodon. Das inzwischen gesperrte Nutzerkonto hat allerdings zuvor einen Link zum Mastodon-Konto von @ElonJet geteilt – und allein das reicht offenkundig inzwischen für eine sofortige Suspendierung ohne jegliche Vorwarnung. Mit derartigen Praktiken hat nun auch die Bundesregierung „ein Problem“. So stellt der Twitter-Account des Auswärtigen Amts klar, dass Pressefreiheit nicht „nach Belieben ein- und ausgeschaltet“ werden dürfe.

Update

Inzwischen hat sich auch die Europäische Union zu Wort gemeldet. So erklärte die EU-Vizekommissions­präsidentin Věra Jourová – ironischerweise ebenfalls via Twitter –, dass „Nachrichten über die willkürlichen Sperren für Journalisten auf Twitter besorgniserregend seien“. Die Politikerin verweist überdies auf den Digital Service Act, ein EU-Gesetz, das auch auf Social-Media-Plattformen eine Achtung der Medienfreiheit und Grundrechten vorsehe. Elon Musk solle sich dessen bewusst sein – es gäbe „rote Linien und bald Sanktionen“.

Die deutsche Bundesregierung äußerte sich derweil erneut. So gab die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann zu verstehen, dass die Regierung die Situation „sehr genau beobachte und sich die Frage stelle, welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien“, wie die Tagesschau berichtet. Noch seien allerdings keine Entscheidungen gefallen.

Update

Bereits im Verlauf des gestrigen Freitags fragte Elon Musk in einer Umfrage auf Twitter, wann die suspendierten Konten der betroffenen Journalisten wieder freigeschaltet werden sollten. Nach dem Start der Abstimmung verwarf er deren Ergebnis, das eine sofortige Freischaltung bedingt hätte, jedoch: Es hätte zu viele Optionen gegeben. Nutzer hatten die Wahl zwischen „Jetzt“, „Morgen“, „In sieben Tagen“ und „Später“, wobei eine einfache Mehrheit auf die erste Antwortmöglichkeit entfiel.

Nachdem sich in einer zweiten Abstimmung mit lediglich zwei Optionen, die da waren „Jetzt“ und „In sieben Tagen“ allerdings sogar eine absolute Mehrheit der knapp 3,7 Millionen Teilnehmer für die sofortige Freischaltung aussprach und inzwischen nebst weiteren Politikern beziehungsweise Regierungsvertretern auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, über den „willkürlichen“ Schritt echauffiert hatte, der einen „gefährlichen Präzedenzfall“ schaffe, blieb Musk augenscheinlich keine Wahl mehr: Die Accounts der am Freitag suspendierten Journalisten wurden bereits am Samstagmorgen wieder freigeschaltet. Auch die Twitter-Präsenz von Mastodon wurde reaktiviert, während @ElonJet nach wie vor gesperrt ist.

Vorwürfe bleiben jedoch seitens zahlreicher Instanzen bestehen. So wird dem Twitter-CEO vorgeworfen, die erste Umfrage lediglich verworfen zu haben, weil ihm das Ergebnis nicht gepasst habe. Dass Musk sich nun wiederum mit der Phrase „The people have spoken“ damit rühme, dem Willen der Twitter-Nutzer zu folgen, sei „blanker Hohn“, heißt es mitunter. Zahlreiche Medien sowie staatliche Stellen kündigten an, die eigenen Beziehungen zu Twitter respektive die zukünftige Nutzung des Kurznachrichtendienstes neu zu evaluieren.

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