Recht auf Reparatur: EU-Parlament macht sich für Ausweitung stark

Michael Schäfer
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Recht auf Reparatur: EU-Parlament macht sich für Ausweitung stark
Bild: Bru-nO | gemeinfrei

Das Parlament der Europäischen Union hat mit großer Mehrheit für eine Ausweitung des Rechts auf Reparatur votiert. Die neuen Regeln sollen nicht nur die Rechte der Verbraucher stärken, sondern ebenso die Lebenszeit von Produkten verlängern. In bestimmten Situationen können sich jedoch auch Nachteile ergeben.

Bereits 2014 sprachen sich laut einer damals veröffentlichten Studie 77 Prozent der EU-Bevölkerung dafür aus, Geräte lieber reparieren zu lassen, als diese gleich zu ersetzen. Mit dem gestiegenen Umweltbewusstsein dürfte dieser Anteil der Menschen heute noch höher liegen. Dieses Umdenken in der Bevölkerung dürfte nicht zuletzt dazu beigetragen haben, dass das EU-Parlament am Dienstag mit einer großen Mehrheit von 590 zu 15 Stimmen bei 15 Enthaltungen für eine Ausweitung des Rechts auf Reparatur gestimmt hat. Die nun beschlossenen, weitreichenden Vorschläge werden als wichtiges Signal an die EU-Kommission und den Rat der Mitgliedstaaten verstanden, welche zu dem Vorhaben noch ihre Zustimmung geben müssen. Geplant ist, dass sich der EU-Rat am heutigen Mittwoch mit dem Thema befasst, die endgültigen Trilog-Verhandlungen zwischen den drei Gremien sollen dann am 7. Dezember beginnen.

Mehr Rechte für Verbraucher

Die neuen, zum Teil weitreichenden Änderungen nehmen dabei nicht nur Hersteller und Verkäufer, sondern auch die Konsumenten in die Pflicht. So sollen unter anderem Verkäufer verpflichtet werden, Produkte während der gesetzlichen Gewährleistungspflicht zu reparieren, anstatt diese, wie bisher nicht selten üblich, einfach auszutauschen. Ob es hierfür bestimmte zeitliche Übergangsfristen nach dem Kauf geben wird, bleibt abzuwarten. Es dürfte dabei aber keinem Käufer zuzumuten sein, ein Gerät, welches bereits innerhalb der ersten Tage nach dem Kauf einen Defekt aufweist, reparieren lassen und damit im ungünstigsten Fall wochenlang auf dieses verzichten zu müssen.

Ausnahmeregelungen gibt es bereits jetzt: Sollte die Reparatur nicht durchführbar sein oder sich für den Verbraucher in finanzieller Form als Nachteil herausstellen, kann dieser ein neues Gerät verlangen. Außerdem soll sich nach einer Reparatur die Gewährleistung um ein weiteres Jahr verlängern. Diesem Vorhaben steht der EU-Rat bislang ablehnend gegenüber.

Einfachere Beschaffung von Ersatzteilen, Werkzeugen und Informationen

Ebenso soll die Position der unabhängigen Reparaturwerkstätten gestärkt werden. So wären die Hersteller bei einer Umsetzung der Vorschläge dazu verpflichtet, Ersatzteile für die gesamte erwartete Lebensdauer eines Produktes zu fairen Preisen bereitzustellen. Gleiches gilt für Reparaturinformationen und für die benötigten Spezialwerkzeuge – besonders Apple ist vor rund einem Jahr mit den hohen Hürden seiner Self-Service-Reparatur negativ aufgefallen. Für diese musste zunächst erst einmal mit 391 Euro in Vorleistung getreten werden – inklusive 60 Euro Leihgebühr für die in zwei Hartschalen-Koffern gelieferten Werkzeuge, welche rund 36 Kilogramm wiegen sollen. Zusätzlich musste der Nutzer eine Sicherheitsleistung von 1.200 Euro für die Rücksendung der unversehrten Werkzeuge hinterlegen.

Aus diesem Grund hatte die französische Staatsanwaltschaft seinerzeit eine Untersuchung gegen Apple eingeleitet. Dieser Praxis soll mit den neuen Regelungen ein Riegel vorgeschoben werden. Entsprechende Informationen und Werkzeuge sollen aber nicht nur Werkstätten, sondern auch Endverbrauchern zur eigenen Reparatur zur Verfügung gestellt werden.

Bisher erst wenige Produkte genannt

Derzeit enthält der Vorschlag allerdings erst lediglich zehn Kategorien, für die die neuen Regelungen gelten sollen – was von verschiedenen Organisationen, die sich für ein Recht auf Reparatur stark machen, kritisiert wird. Unter diese fallen bisher Smartphones, Tablets, Displays, TV-Geräte, Server, aber auch Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Kühlschränke oder Staubsauger. Ebenso wurden Fahrräder mit in die Auflistung aufgenommen.

Für die genannten Kategorien können Verbraucher ebenso eine Reparatur nach Ablauf der Gewährleistung oder Garantie verlangen, je nachdem welcher Fall zuletzt eintritt. Kann die Instandsetzung nicht direkt und vor Ort durchgeführt werden, sollen Verbraucher zudem ein Recht auf ein Ersatzgerät für diese Zeit erhalten. Ob es dieser Passus Eingang in die endgültige Rechtslage finden wird, darf bezweifelt werden, sowohl für Händler und insbesondere für Reparaturwerkstätten dürfte diese Anforderung logistisch kaum umsetzbar sein. Darüber hinaus soll dem Verbraucher in dem Fall, wenn die Funktionalität seines Gerätes nicht mehr wiederhergestellt werden kann, ein instandgesetztes Gerät angeboten werden.

Finanzielle Förderung gefordert

Gleichzeitig sehen die Vorschläge vor, dass künftig alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union Reparaturen finanziell fördern, etwa durch die Einrichtung von Reparaturfonds. Vorbilder sind hier Österreich und Frankreich. Damit soll verhindert werden, dass Reparaturen von Herstellern künstlich erschwert und für die Verbraucher unnötig verteuert werden. So fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in einer Stellungnahme die Bundesregierung auf, zeitnah einen bundesweiten Reparaturbonus auf den Weg zu bringen. Bisher wurde seitens der Ampelkoalition lediglich mit „Reparieren statt Wegwerfen“ ein Aktionsprogramm angekündigt – konkrete Maßnahmen lassen jedoch weiterhin auf sich warten. Ebenso fordert der Verband die Koppelung der Gewährleistung an die Lebensdauer des jeweiligen Produktes, was seiner Ansicht nach auch das Verständnis für haltbarere Erzeugnisse bei den Herstellern steigern würde.

Nicht alle sind zufrieden

Es sind aber auch kritische Stimmen zu vernehmen: So sieht Jean-Pierre Schweitzer vom Europäischen Umweltbüro (EEB) in den neuen Vorschlägen „eine verpasste Chance, nachhaltige Produkte zu revolutionieren und die Verbraucher- und Reparaturrechte in Europa zu erweitern “, da besonders verbreitete Produktgruppen wie IT- und Kommunikationsgeräte, Spielzeug und kleinere Haushaltsgeräte in der Auflistung nicht enthalten sind. Diese sollen aber einen großen Anteil am „Elektro-Schrott“ besitzen. Auch der vzbv spricht sich für eine stete Erweiterung der Kategorienliste aus.