Müs Lee schrieb:
@ venom667: Auch ein interessanter Bereich, ich wusste gar nicht, dass sowas gemacht wird
. Wie läuft das denn ab und was genau wird da berechnet?
Also um das genau zu erklären müsste ich hier einen Roman von meheren tausen Seiten schreiben. Kurz lässt sich das auch nur relativ gut erklären aber ich versuche es mal.
Also der technische Ablauf ist das zuerst dem Patienten Tumorgewebe entnommen wird. Das wir dann in Formalin fixiert (wobei allerdings Fixierungsartefakte in der DNA entstehen können) und dann in Parrafin eingebettet (FFPE-Material). Davon werden 2µm dünne Schnitte angefertigt von denen einer mit HE-Färbung eingefärbt und unter dem Mikroskop der Tumoranteil im Gewebe bestimmt wird. Das ist wichtig für die spätere Analyse da der Anteil an Wildtyp Sequenzen (also gesunde DNA) und den Mutierten-Sequenzen berechnet werden muss, da nur ab bestimmten Grenzwerten eine Probe positiv ist.
Aus den Schnitten wird dann die DNA extrahiert. Dabei wird das Zellgewebe Enzymatisch "verdaut" und der Zellkern aufgespalten um reine DNA-Extrakte zu erhalten. Die relevanten Sequenzen der extrahierten DNA werden dann über eine Vielzahl von PCR (Polymerase Chain Reaction) vervielfältigt und anschließend von unerwünschten Sequenzen und Primerresten aufgereinigt.
Danach wird die DNA modifiziert und noch mit Patienten zugeordneten kurzen Sequenzen (ca 8 Basenpaare) den sogenannten Barcodes versehen. So kann der Sequenzierroboter nachher die Proben bestimmten ID-Nummern in unserer Patientendatenbank zuordnen. Dadurch ist es möglich die DNA von 96 Patienten in einem Ansatz zu Sequzieren. DIe Sequenzierung ist dabei eine abgewandelte Form der Sangersequenzierung (Kettenabbruch Methode) und nennt sich Next Generatin Sequencing (NGS) oder auch Massive Parallel Sequencing (MPS). Der Vorteil ist halt das im Gegensatz zu vor noch ein paar Jahren jetzt die Sequenzierung eines kompletten Menschlichen Genoms nicht mehr Jahre dauert und Millionen kostet, sondern alles in etwa einem Monat für ca. 100000€ machbar ist.
Die Extraktion und Behandlung der DNA dauert 3 Tage und die Sequenzierung auf dem Roboter ca 16 Stunden. Das sind dann allerdings nur Rohdaten, ca 40Gb pro Patient, und die müssen dann halt in Lesbare DNA Sequenzen übersetzt werden.
Diese Sequenzen werden dann gegen die von uns in Jahrelanger Arbeit entwickelten Tumorpanels getestet. Im Prinzip eine Sammlung aller Weltweit bekannten mutierten DNA-Sequenzen die in wichtigen Stoffwechselwegen oder Signaltransduktions Wegen von Tumorzellen für das unkonntrolierte Wachstum oder die Apoptose (Zellselbstmord) zuständig sind. Durch die Exprimierung der defekten Sequenzen werden dann z.B. defekte Bauteile von Rezeptoren wie z.B. Tyrosinkinasen im Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) in die Zelle engebaut usw. Dadurch kann dann Krebs entstehen wenn die Zelleigenen Reparaturmechanismen versagen.
Durch den Vergleich der Patientenproben mit der Datenbank kann man anschließend in der Auswertung genau sagen welche Art von Mutationen, zu welchen Prozentanteilen, im Tumor vorhanden sind und ob er mit gezielter personalisierter Therapie behandelt werden kann. So kann man z.B bei einer aktivierenden Mutation im EGFR-Rezeptor eines Pulmonalen Adenokarzionms der Lunge, den Patienten mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor behandeln. Das erspart dann eine schmerzhafte und vielleicht unnütze Chemo. Solange der Patient keine Resistenz entwickelt kann er sogar geheilt werden. Die Prozentzahl ist allerdings sehr gering.
Man kann Patienten also Zielgerichtet behandlen sofern denn eine Therapieoption besteht. Früher blieb einem bei Krebs halt immer nur die Chemo-Keule. Noch ist das alles sehr viel in Studien und steht am Anfang aber bei 50% der Patienten erhöht die Behandlung das PFS (progression free survival) um über 100%. Allerdings momentan nur bei ganz Speziellen Tumoren mit Mutationen in Pathways in die man mit Medikamenten eingreifen kann. Allerdings hatten wir auch schon eine 70 Jährige Patientin (Nichtraucherin, ganz wichtig) mit Lungenkrebs und über 80 Metastasen die vollständig geheilt werden konnte.
Das teuerste sind die verwendeten Reagenzien und die benötigten ich sage mal Verschleißteile des Roboters und die Wartungsverträge für die ganzen Geräte und die Software-Lizenzen. Die Server sind da nur Peanuts. Alleine die Kosten für eine Patienten sind da bei ca. 50000€, die anschließende Behandlung nicht mitgerechnet. Wir sind an der UK-Köln auch momentan noch die einzigen Europaweit die solche Analysen durchführen können, weswegen wir dementsprchend viel Proben vom allen möglichen Krankenhäusern zugeschickt bekommen. So langsam wird das ganze ein Logistischer Alptraum, weswegen wir schon seit längerem Schulungen für andere Krankenhäuser geben.
Hoffe das war einigermaßen verständlich.