Als ich meinen Artikel verfasst habe, war ich noch nicht im Besitz von Windows Vista. Das hat sich seit gestern geändert. Der Postbote klingelte und knöpfte mir prompt 120 Euro an der Haustür ab. Das ist wohl der Preis für meine Neugier, aber ich zahle ihn gerne. Nun bin ich Besitzer von „Windows Vista Home Premium System Builder 32-Bit“. Nur bin ich auch ein stolzer Besitzer? Ich muss zugeben, dass ich sehr voreingenommen gegenüber Vista war und auch jetzt noch bin.
Das Thema Vista ist ein zweischneidiges Schwert.
Auf der einen Seite war ich angenehm überrascht, was die Redmonder da gefertigt haben. Sofort nach der Installation kann man loslegen. Gut - die Partitionsaufteilung musste ich zwar noch mit Linux vornehmen, aber egal. Die aktuellsten Grafiktreiber waren schnell per Windows Update heruntergeladen, der nForce-Chipsatz wird unterstützt und sogar die Treiber meiner Hauppauge-Karte wurden gefunden – Respekt. Die Benutzeroberfläche wirkt aufgeräumt und stabil. Überhaupt ist das Arbeiten unter Vista sehr angenehm. Der Prozessor wird durch die Grafikkarte unterstützt und so entlastet. Der Bootvorgang ist erheblich schneller als unter Windows XP. Dienste wie ReadyBoost und Superfetch gestalten das Arbeiten merklich sanfter.
Das alles mag eine erhebliche Weiterentwicklung sein, bloß in welche Richtung? Mehr Überwachung durch das Internet, mehr Kontrolle über digitale Medien. Wem nützt das neue System? Der Musikindustrie? Den Filmkonzernen? Wenn ich diese sogenannten „Sicherheits-Features“ näher betrachte, wird mir ganz unwohl. Man muss ständig aufpassen, was Vista gerade macht. Deaktivierte Dienste starten sich von selbst und nehmen Kontakt zum Internet auf.
Der Benutzer hat nie volle Kontrolle über sein System. Das System kontrolliert den Benutzer. Ich sehe Vista mehr als ein Kontrollinstrument für die Film- und Musikindustrie, die mich in der Bedienung bevormundet und gängelt.
Und hat die Berechnung des Tons über den Prozessor einen anderen, einen kommerziellen Grund? Möchte man durch DRM das Rippen von Musik endgültig verhindern? Bei HD-DVD und Blu-Ray soll die Ausgabe an analoge Monitore ebenfalls nicht möglich sein.
Fakt ist:
Vista ist derzeit als Spieleplattform ungeeignet. Es bietet keine EAX-Unterstützung. Weder jetzt, noch in absehbarer Zeit. Die Emulation der Tonausgabe hat einen extremen Leistungs- und Qualitätsverlust zur Folge. Der X-Fi-Chip ist so leistungsstark wie ein P4 mit 2,4 GHz und Vista überlässt das Berechnen der CPU. Auch die Hersteller haben viel zu spät reagiert und stellen bis heute keine Treiber zur Verfügung. Und das Beste zum Schluss: Der 60-Hz-Fehler bei Spielen besteht immer noch.
Einen sehr interessanten Artikel fand ich soeben auf
dieser Seite. Gesundes Misstrauen ist allerdings angebracht, da es sich um ein Magazin für Apple-Nutzer handelt.
„[…] das Entwicklungsmarathon von Vista dauert nun bereits fünf Jahre - in dieser Zeit hat Apple vier Versionen von Mac OS X herausgebracht, die längst viele Features enthalten, die Microsoft für Vista verspricht. Microsoft müsse ständig versuchen, Vista zu älterer Soft- und Hardware kompatibel zu halten - jede neue Windows-Version trägt die Lasten der Vergangenheit mit sich herum und wird ständig komplexer. Einige tausend Ingenieure arbeiten an Vista, das mit 50 Millionen Zeilen Code rund 40 Prozent umfangreicher wird ist als Windows XP. Apple habe es da viel leichter, meint Prof. David B. Yoffie von der Harvard Business School: Apple hat angeblich eine schlanke Entwicklergruppe von gerade mal 350 Programmierern und 100 Testern, Apple hat den Vorteil einer ausgereiften, aus der universitären Forschnung hervorgegangenen Betriebssystem-Basis, und Apple muß sich nicht um hunderte von PC-Hersteller und tausende von Software-Entwickler kümmern wie Microsoft. Wenn Microsoft das Tempo nicht verschärft, würden die Konsumenten mit einem Betriebssystem enden, das immer minderwertiger wird, so Prof. Yoffie.
Michael A. Cusumano, Professor am MIT, ist ebenfalls skeptisch: Windows sei zu groß und zu komplex, und die aktuellen Disziplinierungsmaßnahmen Microsofts verfehlten völlig den Kern des Problems. Windows sei nur zu retten, wenn man bereit sei, die Altlasten radikal über Bord zu werfen. So wie Apple: Apple hat ebenfalls jahrelang ein neues OS entwickelt und ist dabei gescheitert. Nach Steve Jobs Rückkehr benötigte man weitere Jahre, um das Next-Betriebssystem so zu ändern und anzupassen, daß daraus Mac OS X werden konnte. Es gelang nur, weil Apple die Entwicklung des alten Betriebssystems OS 9 komplett einstellte: man konnte alte Software zwar noch auf OS X-Maschinen laufen lassen, aber nur, wenn man OS 9 seperat lud. Apple riskierte den Bruch mit der alten Software, und nur so konnte ein neues, stabiles und elegantes OS entstehen. Diesen Schritt mit Windows zu unternehmen, hat sich Microsoft stets geweigert - die Konsequenzen sind nun sichtbar.“
Mac Essentials Redaktion: „Vista: zu groß, zu alt, zu kompatibel“. In: Mac Essentials. Stand: 27. März 2006.
URL:
http://www.mac-essentials.de/index.php/mac/article/17152/ (abgerufen am 21. Januar 2007)