Pornoverbots-Posse im EU-Parlament

Andreas Frischholz
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Mit einem Initiativbericht soll das EU-Parlament ein Verbot „aller Arten von Pornographie in den Medien“ forcieren, fordert eine EU-Abgeordnete der Linken. Der inhaltlich und formal umstrittene Entwurf rief deutliche Kritik hervor, die durch die Reaktion der Parlamentarier auf die Bürgerproteste nochmals verstärkt wurde.

Der Vorschlag ist dabei weniger brisant, als man auf den ersten Blick vermuten mag. In der am kommenden Dienstag anstehenden Abstimmung geht es nicht um ein direktes Verbot, sondern um einen Report an die EU-Kommission, der vielmehr die Meinung des EU-Parlaments artikuliert und als Handlungsaufforderung zu verstehen ist. Der nun vorliegende Initiativbericht (PDF-Datei) der niederländischen EU-Abgeordneten Kartika Tamara Liotard, der sich grundsätzlich mit dem „Abbau von Geschlechterstereotypen in der EU“ befasst, enthält dementsprechend Aufforderung, die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten sollen endlich konkreten Maßnahmen einleiten, um „ein Verbot aller Arten von Pornographie in den Medien“ durchzusetzen.

Der Bericht beruft sich auf die europäische Entschließung gegen die Diskriminierung von Frauen in der Werbung aus dem Jahr 1997. Vor allem „junge Frauen und Männer [sind] am meisten von dem neuen kulturellen Status der Pornographie betroffen“, die als „immer mehr akzeptiertes, oft idealisiertes kulturelles Element in den Alltag schleicht“. Das gelte für das Fernsehprogramm, Lifestyle-Magazinen für Jugendliche und Musik-Videos sowie Werbung, die sich speziell an Jugendliche richte, aber auch Computerspiele, die mit einer Tendenz zu „provokativ gekleideten Frauen in sexuell eindeutigen Posen“ zur Bildung weiblicher und männlicher Geschlechterklischees beitragen.

Ein grundsätzliches Problem an dem Bericht ist dabei, dass weder „Medien“ noch „Pornographie“ konkret definiert werden – und auch darüber hinaus bleibt der Bericht vage. So soll eine „echte Kultur der Gleichheit im Internet“ durchgesetzt werden, indem die EU-Kommission mit zuständigen Interessensgruppen eine entsprechende Charta erarbeiten soll, zu der „eine Einladung zum Beitritt an alle Internetdiensteanbieter erfolgen würde“. Gefordert wird hier also – wie so oft auf der europäischen Ebene – keine direkte gesetzliche Regulierung, sondern eine Art der „privatisierten Rechtsdurchsetzung“, bei der sich die Internetdienste freiwillig verpflichten, die Charta einzuhalten.

Dementsprechend fällt auch die Reaktion der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) aus, die davor warnt, eine „Privatisierung der Regulierung der Meinungsfreiheit“ zu unterstützen – auch wenn der Initiativbericht für die EU-Kommission nicht bindend ist. Dass das fragwürdige Vorhaben ohnehin nur schwer umzusetzen ist, schildert EDRi mit dem Verweis auf mehrere Vorfälle bei Facebook, wo die automatische Filter-Software etwa einen Ellenbogen mit einer Brustwarze verwechselt und das Bild gesperrt hatte. Davon abgesehen handele es sich um einen „extrem schlechten Entwurf“, der eigentlich zu absurd sei, um ihn ernst zu nehmen. Die Volksvertreter sollten ihre Glaubwürdigkeit mit solchen Vorschlägen nicht untergraben.

Das haben diese aber bereits ohne Zustimmung zu dem Bericht schon gut hinbekommen. Nachdem der Bericht in der vergangenen Woche publik wurde, folgte öffentliche Empörung und zahlreiche Protestschreiben an die Abgeordneten, berichtet Christian Engström, der für die Piratenpartei im EU-Parlament sitzt. Er erhielt rund 350 E-Mails zu dem Thema, bis die Nachrichtenflut plötzlich stoppte. Auf Nachfrage bei der für das EU-Parlament zuständigen IT-Abteilung erfuhr er, dass E-Mails mit einem entsprechenden Betreff geblockt werden, nachdem sich einige EU-Abgeordnete über die zahlreichen Protest-E-Mails beschwert hatten. Engström bezeichnet das als demokratische „Blamage“, da legitime Mitteilungen von Bürgern als Spam abgekanzelt werden.

Ähnlich fallen auch die Reaktionen in der Netzgemeinde aus, so kommentiert etwa der Blogger Fefe gewohnt ironisch:

Ja aber echt mal, wo kämen wir da hin, wenn die Abgeordneten sich in ihren Tätigkeiten von den Bürger stören lassen müssten, die sie vorgeblich vertreten!