NSA-Überwachung in Frankreich stößt auf Kritik

Andreas Frischholz
24 Kommentare

In Frankreich sammelt die NSA pro Tag mehrere Millionen Telefondaten und analysiert gezielt den Datenverkehr von französischen Providern, berichtet LeMonde. Mit den Daten werden nicht nur Terrorverdächtige überwacht, sondern auch die Aktivitäten von Personen, die in Unternehmen, in der Politik oder in Behörden tätig sind.

Grundlage der LeMonde-Berichte sind Dokumente, die wie gehabt aus dem Fundus von Edward Snowden stammen. Demnach hat die NSA in den 30 Tagen vom 10. Dezember 2012 bis zum 8. Januar 2013 gut 70 Millionen Metadaten in Frankreich erfasst. Neben dem obligatorischen Sammeln von Telefon-Verbindungsdaten werden die Gespräche von bestimmten Anschlüssen automatisch aufgezeichnet und SMS-Nachrichten anhand von Schlüsselwörtern durchsucht. Die Datensammlungen erfolgen offenbar mit verschiedenen Technologien, darauf deuten zumindest Ausschnitte von dem NSA-Programm Boundless Informant hin. Demzufolge werden 62,5 Million Metadaten unter dem Codenamen „DRTBOX“ gespeichert, die übrigen 7,8 Millionen entfallen auf „WHITEBOX“ – technische Details konnte LeMonde den Dokumenten nicht entnehmen.

Die NSA führt die französische Metadaten-Sammlung unter dem Titel „US-985D“, ähnelt also den aus Deutschland bekannten Programmen „US-987LA“ und „-LB“. Im Gegensatz zu Frankreich sollen bei den hierzulande positionierten Datensammelstellen jedoch keine Verbindungsdaten von deutschen Staatsbürgern erfasst werden – laut Bundesnachrichtendienst (BND) handelt es sich mutmaßlich um Verbindungsdaten aus Afghanistan, die vom BND an die NSA übermittelt werden.

Außerdem berichtet LeMonde, dass die NSA gezielt die Internet-Kommunikation überwacht, die über den französischen Provider Wanadoo (heute Teil von Orange) und den Telekommunikationsausrüster Alcatel-Lucent läuft. Es bestehe ein besonderes Interesse an E-Mail-Adressen mit den Endungen „wanadoo.fr“ und alcatel-lucent.fr, die im Rahmen des Upstream-Programms analysiert werden. Dieses ermöglicht den Zugriff auf die Datensammlungen, die durch das Anzapfen von Unterseekabeln generiert werden.

In einem weiteren Bericht schildert LeMonde Details über NSA-Programme wie „Genie“, die darauf ausgelegt sind, komplette Netzwerke mit Malware zu infizieren und unter Kontrolle zu bringen. Diese habe die NSA auch eingesetzt, um die französische Botschaft in Washington sowie die französische Vertretung bei den Vereinten Nationen (UN) zu überwachen, wie bereits Anfang September publik wurde. Die gewonnen Informationen nutzte die US-Regierung etwa in einer UN-Verhandlung über Sanktionen gegen den Iran im Jahr 2010.

Die französische Regierung zeigt sich nach den Enthüllungen verärgert über die NSA-Spionage. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius bezeichnete das Ausmaß als „vollkommen inakzeptabel“, während Präsident François Hollande die enthüllten Überwachungsprogramme in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama kritisierte. Dieser erklärte zwar, dass die neuen Enthüllungen zum Teil ein verzerrtes Bild darstellen würden, einige Berichte würden allerdings auch „legitime Fragen“ über das Vorgehen der US-Geheimdienste aufwerfen. Allerdings hätte die US-Regierung laut Obama bereits begonnen, die Methoden bei der Informationsgewinnung zu überprüfen.