Soziale Netzwerke: Staatsanwalt kritisiert Meldepflicht für Hassbeiträge

Andreas Frischholz
158 Kommentare
Soziale Netzwerke: Staatsanwalt kritisiert Meldepflicht für Hassbeiträge
Bild: Olga Berrios | CC BY 2.0

Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, sollen soziale Netzwerke wie Facebook künftig strafrechtlich relevante Hassbeiträge wie Morddrohungen oder Volksverhetzungen direkt an die Staatsanwaltschaften melden. Ein bereits für kriminelle Hetze zuständiger Staatsanwalt sieht das Vorhaben mit Skepsis.

Bei dem Staatsanwalt handelt es sich um Christoph Hebbecker. Er arbeitet als einer von zwei Staatsanwälten bei der nordrhein-westfälischen Zentralstelle für Cyberkriminalität in Köln, die auf Hasskriminalität spezialisiert ist. Im Interview mit der Tagesschau erklärt er, dass bei einer Meldepflicht „sehr, sehr viele Anzeigen“ auf die Staatsanwalt zukommen würde. Mit dem aktuellen Personalbestand wäre das nicht machbar.

Eine Meldepflicht von Delikten sei zudem etwas völlig Neues, sodass er sich die Frage stellt, welchen Weg die Regierung damit nun einschlägt. „Wenn man das jetzt konsequent mit dieser Anzeigepflicht zu Ende denken wollte, wäre es dann nicht auch konsequent, von Ebay zu fordern, uns dann alle Straftaten anzuzeigen, die auf Ebay begangen werden?“, so Hebbecker.

Bundesregierung plant erweitertes NetzDG

Die Meldepflicht für Hassbeiträge ist einer der Punkte, der seit Monaten diskutiert wird, um vor allem rechte Hetze im Netz zu bekämpfen. In dem Maßnahmenpaket, auf den sich die Bundesregierung nun in der letzten Woche verständigt hat, ist sie der erste Punkt. Konkret lautet der Plan, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) um eine entsprechende Pflicht für Dienstanbieter zu erweitern.

Im dem Papier ist explizit von Morddrohungen und Volksverhetzung die Rede, bei solchen Beiträgen sollen die sozialen Netzwerke tätig werden. Neben den Inhalten sollen die Anbieter zudem die IP-Adressen übermitteln, sodass sich auch Nutzer mit Pseudonym identifizieren lassen. Die Daten werden an eine Zentralstelle beim Bundeskriminalamt (BKA) gehen, die explizit für diesen Zweck errichtet wird.

Alternative: Nur Extremfälle melden

Ob das der richtige Weg ist, bleibt umstritten. Eine Alternative zu den Plänen der Bundesregierung skizziert Staatsanwalt Hebbecker in dem Tagesschau-Interview. So könnte es seiner Ansicht nach ausreichen, wenn soziale Netzwerke nur Extremfälle melden – also etwa die Nutzer, die auf den Plattformen gesperrt wurden. So könne man ein „deutliches Zeichen“ setzen und „hätte nicht gleichzeitig den negativen Nebeneffekt, dass sich die Betreiber der sozialen Plattformen als 'Hilfssheriffs' in der Breite sehen müssten, indem sie alles anzeigen müssten, was sie sehen“.

Ohnehin legt Hebbecker Wert darauf, dass es sich bei seiner Staatsanwaltschaft um keine „Zensurbehörde“ handele. Beiträge erhält sie über einen digitalen Anzeigeweg, dann wird zunächst geprüft, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorliegt oder ob es nur eine extreme Meinungsäußerung sei. Er selbst sagt aber, dass die Einschätzung selbst für die spezialisierte Staatsanwaltschaft sehr schwer sei, vieles bewege sich im Grenzbereich und sei bei einer „näheren juristischen Betrachtung“ nicht strafrechtlich fassbar. In solchen Fällen würde dann auch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Bis dato habe es etwa 700 bis 800 Strafanzeigen auf diesem Weg gegeben, etwa bei der Hälfte folgte dann ein Ermittlungsverfahren. Allerdings schildert Hebbecker auch, dass die Staatsanwaltschaft auf Daten der sozialen Netzwerke angewiesen ist. Doch diese würden nur „in einem Bruchteil der Fälle“ tatsächlich kommen.