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C:\B_retro\Ausgabe_31\: OS/2 Warp warb mit Lichtgeschwindigkeit

Sven Bauduin
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C:\B_retro\Ausgabe_31\: OS/2 Warp warb mit Lichtgeschwindigkeit
Bild: IBM

tl;dr: Mit dem im Oktober 1994 erschienenen Betriebssystem OS/2 Warp wollte IBM in Sachen Internet und Multimedia Lichtgeschwindigkeit bieten, wie seinerzeit bereits der neue Suffix im Produktnamen unmissverständlich suggerierte. Das Betriebssystem positionierte sich in direkter Konkurrenz zu Windows 95 und scheiterte.

Jeden Sonntag wirft diese Serie einen unterhaltsamen Blick zurück auf drei Jahrzehnte voller bewegter Geschichten und interessanten Entwicklungen der Computerszene. Mythen, Meilensteine und Meisterwerke: C:\B_retro\.

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IBM OS/2 Warp

Die Informationstechnik der frühen 1990er des 20. Jahrhunderts war vor allem durch den immer stärker werdenden Einfluss des Internets geprägt, das sich zu dieser Zeit bereits von einem Militärwerkzeug der US Air Force – dem Arpanet – zu einem universitären Netzwerk entwickelt hatte und sich gerade anschickte, auch private Haushalte und Unternehmen zu erobern.

Internetdienste wie das WWW, E-Mail, Telnet, SSH und FTP lösten die klassischen Mailboxen langsam aber sicher ab und die ersten Privatanwender „surften“ bereits per Modem mit 28,8 bis 33,6 kbit/s oder gar per ISDN mit 64 kbit/s im Internet.

Die Verbreitung des Internets sollte in den folgenden Jahren zu umfassenden Umwälzungen in vielen Lebensbereichen und einem Modernisierungsschub führen, der einen grundlegenden Wandel des Kommunikationsverhaltens und der Mediennutzung im beruflichen und privaten Bereich zur Folge hatte. Diesem Wandel konnten sich auch die Betriebssysteme nicht verschließen und wurden Mitte der 1990er zur Eintrittskarte ins Internet.

Am 8. November 1993 veröffentlichte Microsoft sein Betriebssystem Windows für Workgroups 3.11 mit verbesserter 32-Bit-Netzwerksoftware und TCP/IP-Protokoll, das die Kommunikation mehrerer Computersysteme in einem lokalen Netzwerk und den Internetzugang über ein Standardmodem mit AT-Befehlssatz mit bis zu 19,2 kbit/s ermöglichte.

Mit OS/2 Warp wollte IBM dem immer mächtiger werdenden Betriebssystem aus Redmond Einhalt gebieten und einen ernstzunehmenden Widersacher entgegensetzen, der Windows vor allem in Sachen Internet- und Multimedianutzung überlegen sein sollte.

Der YouTube-Kanal Aldo Computers hat den Bootvorgang und die Bedienung des „Operating System/2 Version 3“, so der offizielle Name der ersten Warp-Version, auf einem 486er mit ATI Mach64 für die Nachwelt archiviert.

Systemvoraussetzungen

Mit der Vorstellung des Operating System/2 Version 3 läutete IBM das „Warp-Zeitalter“ seines Betriebssystems ein, das sich bis zum Release des „Convenience Pack 2“ für die Version 4.52 im Jahre 2002 erstrecken sollte. Von 1994 bis 2002 änderten sich die Systemvoraussetzungen nur unwesentlich.

Minimale Systemanforderungen (OS/2 Warp 3.0)

OS/2 Warp 3.0 erschien im Oktober 1994 in einer Red Edition* und einer Blue Edition, die hardwareseitig aber identische Anforderungen stellten.

  • Intel i386 SX (oder höher)
  • 4 MB Arbeitsspeicher
  • 35 MB Festplattenspeicher
  • 3,5 Zoll Diskettenlaufwerk mit 1,44 MB
  • Grafikkarte mit VGA-Auflösung
  • IBM-kompatible Eingabegeräte

*) Die Red Edition benötigte zudem ein vorinstalliertes Windows 3.1 (oder höher)

OS/2 Warp 3 Red Edition
OS/2 Warp 3 Red Edition (Bild: OS2World)
OS/2 Warp 3 Blue Edition
OS/2 Warp 3 Blue Edition (Bild: OS2World)

Minimale Systemanforderungen (OS/2 Warp 4.0)

OS/2 Warp 4.0 enthielt eine komplett überarbeitete Benutzeroberfläche. Über das WarpCenter, das das LaunchPad ersetzte, konnten Programme über ein Drop-Down-Menü gestartet werden, ähnlich wie beim Startmenü unter Windows 95.

  • Intel i486 DX (oder höher) mit 33 MHz
  • 12 bis 16 MB Arbeitsspeicher
  • 100 bis 300 MB Festplattenspeicher
  • 3,5 Zoll Diskettenlaufwerk mit 1,44 MB
  • Grafikkarte mit SVGA-Auflösung
  • IBM-kompatible Eingabegeräte
  • Optional: CD-ROM-Laufwerk
OS/2 Warp 4 (Bild: OS2World)

Anwendungen für OS/2 Warp

Die größte Neuerung von OS/2 Warp war das beiliegende BonusPak, mit dem IBM dem Umstand begegnete, dass Softwareentwickler ihre Anstrengungen auf Windows 3.x sowie dessen Nachfolger Windows 95 konzentrierten und entsprechend wenige Anwendungen für OS/2 Warp erschienen.

OS/2 Warp BonusPak

Das OS/2 Warp BonusPak enthielt vor allem Anwendungssoftware von IBM, wie IBM Works, eine Sammlung von Büroanwendungen ähnlich den Konkurrenzprodukten Microsoft Works und Microsoft Office.

Zudem stattete IBM sein Betriebssystem mit einem Bundle an Internetprogrammen aus, die eine einfache Möglichkeit boten, sich über ein Modem oder ISDN mit dem Internet zu verbinden. Ein Browser sowie ein E-Mail-Client gehörten bereits damals zum Standardrepertoire von OS/2 Warp 3.0.

Mit OS/2 Warp Connect reichte IBM dann im Mai 1995 zusätzliche Netzwerkfunktionen, wie TCP/IP-Unterstützung, einen Client für NetWare, eine Datei- und Druckerfreigabe sowie einen Remote Access Service nach und hielt das Betriebssystem konkurrenzfähig gegenüber Windows 95.

Der auf Retro-Inhalte spezialisierte YouTube-Kanal LGR zeigt die unterschiedlichen Strategien von Microsoft und IBM sehr anschaulich auf.

OS/2 Warp heute

Im Jahre 2005 kündigte IBM an, die Unterstützung von OS/2 zum Ende des Jahres 2006 einzustellen. Das letzte große Release stellte das Convenience Pack 2 für OS/2 Warp 4.52 aus dem April 2002 dar.

Der Fangemeinde des Betriebssystems tat dies keinen Abbruch, noch bis heute erfreut sich OS/2 Warp einer aktiven und kreativen Community, deren Desktops über das Google Drive der Website OS2World geteilt wurden.

Im Januar 2015 erschien zudem eine Portierung der freien Office-Suite OpenOffice für OS/2.

Weitere interessante Informationen zu IBM OS/2 Warp hält das OS/2 Museum bereit.

OS/2 Warp lebt

Unter dem Namen ArcaOS 5.0 bietet das Unternehmen Arca Noae auch heute noch ein aktuelles Betriebssystem auf Basis von OS/2 Warp 4 MCP2 an.

ArcaOS 5.0 basiert auf OS/2 Warp 4 MPC2
ArcaOS 5.0 basiert auf OS/2 Warp 4 MPC2 (Bild: Arca Noae)

Die Redaktion dankt Community-Mitglied „0x8100“ für diese Ergänzung.

Warpstock Europe Conference 2020

Wie aktiv die OS/2-Community noch heute ist, zeigt die vor wenigen Tagen abgehaltene Entwicklerkonferenz „Warpstock Europe Conference 2020“, die live über YouTube gestreamt wurde und mittlerweile abgerufen werden kann.

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Die letzten fünf Ausgaben in der Übersicht

An dieser Stelle finden sich die letzten fünf Themen der vorangegangenen Ausgaben von C:\B_retro\:

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