Falsche Netzteil-Zertifikate: Diese Rechte hat der Käufer

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Maximilian Schlafer (+1)
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Wettbewerbsrecht

Das Verhältnis zwischen Kunde und Hersteller/Händler ist jedoch nicht das einzig relevante, falsche Netzteilzertifikate können auch rechtliche Konsequenzen im Verhältnis der Hersteller untereinander hervorrufen – geregelt im Wettbewerbsrecht. Anzumerken ist hier noch, dass das folgende nur dann anwendbar ist, wenn die agierenden Unternehmen deutschem Recht unterliegen.

Theorie

Das Wettbewerbsrecht dient der Regulierung von unternehmerischer Tätigkeit, um so einen mit schmutzigen Tricks geführten Wettbewerb zu unterbinden. Dieser würde ansonsten die Mitbewerber, aber auch die Verbraucher und letztlich die Allgemeinheit schädigen. Wenn nun ein solches „unlauteres“ Verhalten stattfindet, so können einerseits davon betroffene Mitbewerber – also Unternehmer, die gleiche oder verwandte Leistungen anbieten – dagegen rechtlich vorgehen. Andererseits können neben staatlichen Behörden auch Verbraucherschutzverbände – sowohl deutsche als auch solche aus dem EU-Ausland – aus eigener Kraft solche Klagebegehren vor Gericht einbringen. Der normale Verbraucher selbst kann so gut wie keine rechtlich aktive Rolle bei der Geltendmachung derartiger wettbewerbsrechtlicher Ansprüche einnehmen. Einzig indirekt über das Zukommenlassen von Informationen an Verbraucherschutzorganisationen kann er hier Dinge ins Rollen bringen.

Anwendung auf den Sachverhalt

Laut der Einschätzung von Rechtsanwalt Dirk Streifler handelt es sich beim systematischen und ungerechtfertigten Verwenden von Zertifikaten zur Vorgaukelung höherer Leistungsfähigkeit um eine sogenannte irreführende Geschäftspraktik. Eine solche liegt nach §5 UWG unter anderem auch dann vor, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware beinhaltet. Da die Effizienzangaben der Zertifikate gerade bei Netzteilen ein wesentliches Merkmal darstellen dürften und mit deren Verwendung bei den betroffenen Geräten über die tatsächlichen Fähigkeiten der Geräte getäuscht wird, dürfte dieser Tatbestand erfüllt sein.

Sofern eine der oben genannten zur Klage berechtigten natürlichen oder juristischen Personen gegen derartiges Verhalten vorgehen wollte, so kann sie jedenfalls einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Zusätzlich wären auch Schadensersatz-, Beseitigungs- und Gewinnabschöpfungsansprüche denkbar. Die Beweislast für ein eventuelles systematisches Verhalten liegt natürlich beim Kläger.

Strafrecht

Den betreffenden Unternehmen könnte jedoch nicht nur von der wettbewerbsrechtlichen Seite Ungemach drohen, unter Voraussetzungen könnte sogar die Staatsanwaltschaft für derartig gelagerte Sachverhalte zuständig sein.

Rechtsanwalt Streifler analysierte den vorliegenden Sachverhalt nämlich dergestalt: „Wenn dokumentiert wird, das dahinter ein System steht, dann ist das gewerbsmäßiger Betrug“.

Erfolgt die täuschende und somit Irrtümer verursachende Bewerbung der Netzteile also mit der Absicht, sich selbst oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, so ist der §263 StGB anwendbar. Dessen Strafrahmen liegt im Standardfall zwischen einem und zehn Jahren Haft, die die verantwortlichen Organe der Unternehmen treffen kann. Die Unternehmen selbst könnten im Zuge von etwaig vorhandenen Organisationsverschulden Geldbußen ereilen.

Zum besseren Verständnis der Problematik führt Herr RA Streifler folgendes Gleichnis des Spendenbetruges an:

„Jemand geht mit einer Box auf der Straße herum und sammelt Spenden für Obdachlose. Sobald die Dose voll ist, schüttet er den Inhalt in seine Jackentasche und „sammelt“ weiter, die Obdachlosen erhalten in Wahrheit nichts von dem Geld. Wenn jemand sein Geld zurück möchte, erhält er es ohne weiteres wieder, der Großteil verbleibt aber beim Spendensammler.“

Da in diesem Modell die Zahl derjenigen, die ihr Geld zurückwollen, stets gering bleibt, ist es wirtschaftlich gesehen eine lukrative Versuchung. Sollte es aber zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und in weiterer Folge zu einer Verurteilung kommen, so wird der ganze Gewinn „abgeschöpft“, zudem ist noch eine Strafe zu entrichten. Darüber hinaus könnten dann die Getäuschten – sowohl im Spendensammlerbeispiel als auch in Bezug auf die Netzteile – leichter wieder an ihr zuviel bezahltes Geld kommen. Man müsste dann nicht mehr umständlich Beweis führen, sondern könnte sich direkt auf das strafrechtliche Urteil als Rechtsgrund stützen. Das ist aber, wie bereits erwähnt, an eine Kette von Voraussetzungen – Strafanzeige oder amtswegiges Einleiten eines Strafverfahrens und letztlich ein entsprechendes Urteil – gebunden. Ob derlei überhaupt eintritt, steht ohnedies auf einem völlig anderen Blatt und bedarf zudem auch noch eines direkten Flusses des Kaufpreises vom Kunden zum Hersteller.

Liegt dieser nicht vor, so dürfte keine Strafbarkeit nach 263 StGB im Verhältnis Kunde-Hersteller vorliegen. Die Strafbarkeit wäre dann nur mehr im Verhältnis Händler-Hersteller denkbar.