Reed Hastings: Netflix-Chef wirbt für Netzneutralität in Europa

Andreas Frischholz
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Reed Hastings: Netflix-Chef wirbt für Netzneutralität in Europa

Netflix-Chef Reed Hastings wirbt nun auch in Europa für eine Verankerung der Netzneutralität. „Wir sollten nicht für eure Netze zahlen müssen, wenn ihr nicht für unsere Inhalte zahlt“, erklärte er während einer Konferenz in Brüssel, bei der neben Politikern auch Vertreter von europäischen Internetprovidern anwesend waren.

Die Kritik richtet sich gegen die Pläne von Providern, die Internetdienste künftig zur Kasse bitten wollen, wenn diese eine besonders schnelle Anbindung an die Netze benötigen. In dieser Hinsicht ist Netflix ohnehin kein unbeschriebenes Blatt. Der Streaming-Anbieter hat mehrere Abkommen mit den großen Netzbetreibern in den USA abgeschlossen, um eine schnellere Anbindung an die Netze zu erhalten. Allerdings erklärte Hastings bereits im März, man wolle sich keinen Vorteil gegenüber konkurrierenden Anbietern verschaffen. Stattdessen soll sichergestellt werden, dass der Traffic von Netflix-Nutzern in einer angemessenen Geschwindigkeit übertragen werde.

Die Provider rechtfertigen die Gebühren allerdings mit dem hohen Datenaufkommen, das Streaming-Angebote wie Netflix verursachen. Dennoch ist es nach Ansicht von Hastings keine Überraschung, dass zahlreiche Nutzer gegen diese kostenpflichtigen „Überholspuren“ protestieren. Viele würden befürchten, dass der „Verlust des digitalen Gemeinguts“ drohe, wenn die Provider den Datenverkehr von einzelnen Internetdiensten unterschiedlich priorisieren.

Hastings spielt mit dieser Aussage auf die 3,7 Millionen Kommentare an, die um den Streit um die Netzneutralität bei der US-Regulierungsbehörde FFC eingegangen sind. Diese hatte einen Regulierungsvorschlag vorgelegt, der das „offene Internet“ schützen soll, gleichzeitig aber auch Providern die Möglichkeit bietet, den Traffic von einzelnen Diensten und Anwendungen gegen Bezahlung zu bevorzugen. Angesichts des öffentlichen Drucks berät die FCC derzeit, ob die Regeln angepasst werden sollen. Eine abschließende Entscheidung wird Ende dieses Jahres erwartet.

In Europa hat sich der Streit um die Netzneutralität noch nicht in diesem Ausmaß zugespitzt. Die Provider fordern zwar eine Regulierung, die sich an dem Vorschlag der FCC orientiert, doch das EU-Parlament hat sich im April auf enge Grenzen für kostenpflichtige Spezialdienste verständigt. Inwiefern dieser Ansatz bestand hat, hängt allerdings von der sich derzeit konstituierenden EU-Kommission ab. Der designierte EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat zwar erklärt, die Netzneutralität sei nach wie vor ein Ziel. Die Aussage erfolgte jedoch mit dem Zusatz, es müsse noch geprüft werden, ob es sich um eine „absolute oder abgestufte“ Form handeln soll, berichtet der EU-Korrespondent Eric Bonse.