Logitech G713 im Test: „Aurora Collection“ alias unverschämtes Marketing

Max Doll
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Logitech G713 im Test: „Aurora Collection“ alias unverschämtes Marketing

Logitechs Lifestyle-Drive erfasst das Gaming-Segment. Mit der kompakten G713 und ihrer kabellosen Schwester G715 aus der „Aurora Collection“ soll über das Tenkeyless-Format Chic Einzug halten, der mit Zubehör bunt werden kann, darüber hinaus für Gender-Fairness und besseres Gaming sorgen. Das Ergebnis ist unverschämt.

Die Logitech G713 TKL Aurora Collection im Überblick

Mit der G713 und dem kabellosen Schwestermodell G715 versucht Logitech nun auch im Gaming-Segment, Kaufimpulse mit farblicher Gestaltung zu wecken. Das Produkt widerspricht diesem Vorhaben auf den ersten Blick: Die Tastatur ohne Nummernblock wird lediglich in neutralem, zwar untypischem, aber schwerlich auffallendem Weiß geliefert. Bunt gibt es nur im Zubehör, denn die Oberseite des Gehäuses wird lediglich magnetisch gehalten und lässt sich dadurch leicht austauschen. Alternativen in Rosa und Grün sowie farblich passende Tastenkappen und Kabel bietet Logitech im Webshop an.

Die „Faceplate“ lässt sich einfach abnehmen und ersetzen oder gestalten
Die „Faceplate“ lässt sich einfach abnehmen und ersetzen oder gestalten
Gehalten wird sie nur durch Magnete
Gehalten wird sie nur durch Magnete
Noch bleibt die Auswahl an Zubehör gering
Noch bleibt die Auswahl an Zubehör gering

Abseits der Farbe liefert Logitech eine ziemliche Standardtastatur mit Medientasten und einer „wolkenförmigen“ Handballenauflage. Weiter auf der Featureliste stehen andere, immaterielle Dinge: Ein „genderinklusives“ Design abseits eines auf Männer zugeschnittenen Gaming-Marktes und gesellschaftlicher Wandel via Gaming durch ein Produkt, das unter dem Motto „women first, but gender inclusive“ entworfen sei, werde geboten, erklärt Logitech im Pressematerial.

Women first, but gender inclusive!

Geschlechtsneutral vs. „Women first“ vs. inklusiv

Man mag sich durchaus fragen, ob es nicht ein wenig arg unverschämt wird, wenn die Farbe Weiß von Logitech als „geschlechtsneutral“ bezeichnet, die Serie als zugeschnitten auch auf Frauen vermarktet wird, mit der Farbe Rosa und einer Handballenauflage in weicher „Wolkenform“ dann aber Geschlechterstereotypen bedient werden. Dass der Kelch babyblauen Zubehörs am Käufer vorübergeht, liegt wohl nur daran, dass, wie Produktseiten und Marketing für die Aurora Collection deutlich machen, vor allem Käuferinnen zur Zielgruppe auserkoren wurden. Der Farbe Grün kommt die Rolle eines Feigenblatts zu, schließlich gibt es zwar die Eingabegeräte mit diesem Ton, das Blue-Yeti-Mikrofon hingegen nur in Weiß und Rosa.

Inklusiv geht so übrigens nicht, Sexismus aber schon. „Gaming zum besseren zu wandeln“ kündigt Logitech an – das klappt demnach, indem man Frauen stereotype, rollenaffirmative Klischees zur Identifikation anbietet. Genau das richtige Werkzeug in einer Branche, die mit frauenfeindlichen Tendenzen zu kämpfen hat. Sexy!

Die Überhöhung zu geschlechtsneutralem Eingabegerät kann auch rechtfertigen, warum die Tastaturen nur in Weiß und nicht auch in Bunt in den Händlerregalen stehen. Wer eine von Logitech unter dem Motto „woman first“ entworfene Tastatur, also Rosa will, kann ja zukaufen, scheint die Devise zu lauten – lukrativ für den Anbieter, denn 20 Euro für eine Oberschale und rund 40 Euro für einen Satz (TKL!)-Tastenkappen sind sportlich bepreist. Corsair verkauft komplette Sätze aus 105 Kappen für 35 Euro im Direktvertrieb, im Handel gibt es PBT-Sets ab 20 Euro. Die Frage nach dem Warum beantwortet ein wohl ewig zeitloses Meme mit „Money!“ ebenso kurz wie zutreffend. Und nichts ergibt mehr „Money“ als die Kombination von Aufpreisen für Design und geschlechtsspezifische Produkte. Rosa kostet schließlich schon beim Rasierer mehr. Dass rosa als Frauenfarbe verstanden wird, zeigen die Produktseiten: Die gelbe Tastatur hält das richtige Geschlecht, Gelb ist für den Mann bestimmt.

Logitech G713
Größe (L × B × H): 37,0 × 15,6 (27,4) × 3,5 (4,3) cm
Handballenauflage
Layout: 88 ISO (erweitert)
Gewicht: 918 g
Kabel: 1,80 m, USB/Type-C-USB (modular)
Hub-Funktion:
Key-Rollover: N-KRO
Schalter: Logitech GX Red / Brown
Tasten: Form: zylindrisch
Material: PBT-Kunststoff
Beschriftung: Double-shot molding
Zusatztasten: 4 × Medien
2 × Extra
Scrollrad (Lautstärke)
Medienfunktionen: Stumm, Lautstärke, Abspielen/Pause, Vor/Zurück
Zusatzfunktionen: Helligkeit (regeln, ausschalten)
Beleuchtung: Farbe: RGB
Modi: Atmungseffekt, Welleneffekt, Reaktiver Modus, umlaufende Aktivierung, Gaming-Beleuchtung, Farbschleife
Sonstige: individuelle LED-Profile
Makros & Programmierung: 1 Profile, Hardware-Wiedergabe
teilweise programmierbar
Preis: ab 157 € / ab 149 €

Inklusion mit Basistastern

In der G713 gibt es ausschließlich GX-Taster in taktiler und linearer Abstimmung, die sich an Cherry MX Red und Brown orientieren. In der Taster-Hierarchie bei Logitech sind sie jedoch eher im unteren Mittelfeld anzusiedeln. Aber „wichtiger als Wettbewerb“ sind für die Zielgruppe „Komfort, Zugänglichkeit und Spielfreude“, heißt es in den Präsentationsmaterialien weiter, es gehe um das gemeinsame, kooperative Erleben eines Spiels. In Frauenspielen wird ja nicht schnell geschossen. So kann man es auch nennen, wenn das Produkt weniger bietet als „hyperschnelle“ Gaming-Peripherie und dafür wenigstens den Preis beibehält. Parodien dieses Denkens wirken so fast schon wie Dokumentationen.

Die GX-Taster tragen die Aufschrift „Long Hua“ und stammen von Kailh
Die GX-Taster tragen die Aufschrift „Long Hua“ und stammen von Kailh
Ihre Abstimmung ähnelt Cherry MX Brown
Ihre Abstimmung ähnelt Cherry MX Brown
„Überirdische“ Qualitäten fehlen der Beleuchtung
„Überirdische“ Qualitäten fehlen der Beleuchtung

Hinter den getesteten GX Brown steckt eine weitere, in Nuancen abweichende Variante von Cherrys MX Brown. Bei Logitech lässt sich der Druckpunkt deutlicher spüren, zudem wird er über noch etwas in Länge gezogen. Dazu kommt ein leicht erhöhter Widerstand, der die Taster eine Spur schwergängiger werden lässt. Das Nutzen des gesamten Hubweges wird dadurch unwahrscheinlicher, der Taster fühlt sich im direkten Vergleich mit MX Brown ein wenig weicher an. Was die durchaus angenehme Charakteristik angeht, hat Logitech erneut ein gutes Händchen.

Zu den Tasten gehört außerdem eine „überirdische RGB-Beleuchtung“. Die Ausleuchtung mit Helligkeitsverlauf im unteren Bereich der Tastenkappe entspricht genau dem Level, das jeder MX-artige Taster auch bietet. Die blinkende Beleuchtung blinkt genauso wie überall sonst. Unterirdisch.

Technische Eckdaten im Überblick

Logitech GX Red
Logitech GX Brown
Logitech GX Blue
Charakteristik: linear taktil taktil („clicky“)
Hubweg: 4,0 mm 3,7 mm 4,0 mm
Position des Signalpunktes: 1,9 mm 2,0 mm 1,9 mm
Widerstand am Signalpunkt: 50 g
Widerstand am Druckpunkt: 60 g
Lebensdauer (Anschläge): ? 50 Mio. 70 Mio.

Alltagserfahrungen

Aller Kritik am Gaga-Marketing zum Trotz, ist die G713 gar nicht so blöd, wie das Drumherum glauben macht. Die abgerundeten Kanten etwa fassen sich überaus angenehm an, man möchte sie eigentlich kaum mehr missen. Die rosa Akzente gefallen auf den Produktbildern auch mit einem kaputten X-Chromosom. Gerade mit der Akzentfarbe wirkt die Tastatur freundlich, hell, offen und hebt sich wohltuend vom Gaming-Mainstream ab. Kein schlechter Eindruck und einer, der als herausragendes Merkmal auch einen werbenden, vielleicht aber weniger preistreibenden Charakter hätte.

Farbakzente erzeugen einen schicken Look
Farbakzente erzeugen einen schicken Look (Bild: Logitech)

Die Tastatur an sich ist auch sonst nicht verkehrt. Das von der Logitech G915 TKL übernommene Layout ergibt Sinn. Scrollrad und tiefe Zusatztasten sind jedoch nicht ganz optimal zu erreichen, weil man um die hohen Tasten davor „herumgreifen“ muss. Lösungen dafür wären vielfältig. Die beste hat Logitech schon im Einsatz und zwar in Form flacher Taster oder zumindest flacher Tastenkappen, die bei der MX Mechanical Mini oder der G915 genutzt werden.

Das noch hell wahrnehmbare Klackern beim Schreiben entspricht zwar nicht mehr dem Stand des Möglichen, liegt aber relativ dicht an der aktuellen Referenz, die etwas dumpfer, also weniger wahrnehmbar agiert. Dank der geschlossenen Kulisse schluckt die Tastatur Schall von Haus aus besser als offene Konstruktionen, die bei Konkurrenten häufig eingesetzt werden. Auch wenn die G713 in diesem Aspekt gut abschneidet: Es fehlt ihr das besondere oder herausragend ausgeführte Feature, das es in der Preisklasse geben muss.

Logitech G713 (GX Brown)
Typisch: Die Tastenkappen werden im unteren Bereich schlechter ausgeleuchtet
Typisch: Die Tastenkappen werden im unteren Bereich schlechter ausgeleuchtet
Die Unterbodenbeleuchtung sieht nett aus
Die Unterbodenbeleuchtung sieht nett aus
Besonders im Dunkeln lässt sich der Abfall der Helligkeit erkennen
Besonders im Dunkeln lässt sich der Abfall der Helligkeit erkennen

Mit der Handballenauflage überzeugt Logitech, wenngleich es wieder Kleingedrucktes gibt. Die gummierte Oberfläche wird leicht schwitzig, funktional ist sie jedoch. Die Handballen rutschen in die Vertiefung und liegen sicher, durch die ebene Fläche liegen die Hände zudem deutlich höher und komfortabeler als bei „Gaming“-Auflagen mit Dreiecksprofil.

Mit der beworbenen Zugänglichkeit ist es zudem nicht ganz so weit her. Wie schwierig kann es sein, die Beleuchtung zu konfigurieren? „Ja“, sagt Logitechs Software. Als Stolperstein liegt die Trennung in einen Software- und einen „integrierten Speichermodus“ im Weg. Letzterer kann im Grunde gar nicht konfiguriert werden, sondern nur ein Profil übertragen. Ändern muss man die Profile aber im Software-Modus. Diese Konfigurationsebene kann ausschließlich über einen Doppelklick auf das Produktbild in der G-Software erreicht werden – aber nur, wenn der Speichermodus nicht aktiv ist. Sonst geht es automatisch in die Einstellungen. Es hat gedauert, bis der Redakteur dieses Schema verinnerlicht hat – er gehört mit beschädigtem X-Chromosom aber ohnehin nicht zur erkorenen Zielgruppe des Produkts.

Im Speichermodus kann nur der Standard-Blinkeffekt gewählt werden, nicht einmal statische Beleuchtung
Im Speichermodus kann nur der Standard-Blinkeffekt gewählt werden, nicht einmal statische Beleuchtung
Im Softwaremodus können LEDs einfach und einzeln programmiert werden
Im Softwaremodus können LEDs einfach und einzeln programmiert werden
Umständlich: Bei Tastenbelegungen muss auf den kleinen Punkt geklickt werden
Umständlich: Bei Tastenbelegungen muss auf den kleinen Punkt geklickt werden

Viel mehr als bei günstigen Logitech-Tastaturen für den Office-Bereich kann bei der G713 zudem nicht eingestellt werden. Gaming-Modus und LEDs lassen sich umfangreich konfigurieren, Makros und Tastenbelegungen passen aber nur auf die F-Tasten. Ebenen können über FN dauerhaft umgeschaltet werden, die Nutzung als FN-Tastenkombination scheint hingegen nicht vorgesehen zu sein. Im Vergleich mit Kompakttastaturen des Segments, die vollständig und auf zwei, drei oder mehr Ebenen komplett durchprogrammiert werden können, ist das mager.

Fazit

Technik wird Mode, das sagt die Einordnung in eine „Kollektion“, das sagen trendige Pastellfarben. Dagegen lässt sich erst einmal nichts einwenden. Bei Design handelt es sich schließlich um eine Geschmackssache; eine Alternative zu martialischen, kantigen und dunklen Eingabegeräten ist sogar zu begrüßen. Tatsächlich macht das Design einen freundlichen, fröhlichen Eindruck. Freundlichkeit am Schreibtisch? Gerne mehr davon.

Nicht so freundlich ist die Verpackung. Auf sie einzugehen, wird zur Pflicht, weil schöne Worte einen Preis rechtfertigen müssen, den das Produkt nicht rechtfertigen kann. Es war zwar überfällig, dass auch Logitech am Trend zu teurem, farblichem Zubehör mitverdienen will, der Turbo-Aufpreis und die Art und Weise der Bewerbung sind eine schlechte Kombination. Logitech möchte moralisch strahlen und zeigt eine diverse Welt, macht aber praktisch genau das Gegenteil der Ankündigung: Bestehende Vorurteile und Stereotypen bestätigen. Die strahlende „Aurora Collection“ entpuppt sich leider als „Prejudice Collection“, die mit Gendermarketing Geld machen soll.

170 Euro + Zubehör? Dafür bietet die G713 zu wenig.
170 Euro + Zubehör? Dafür bietet die G713 zu wenig.

Das reine Produkt ist also nicht schlecht, nur viel zu teuer, es bleibt jedoch bei der Ausstattung hinter der Konkurrenz zurück. 170 Euro zuzüglich gegebenenfalls 20 bis 60 Euro für die farbliche Gestaltung muten überzogen an, selbst für Logitech, wo Preisempfehlung und Straßenpreise oft weit auseinanderliegen. Mit erheblichem Nachlass hätte die Tastatur einen Platz am Markt, im Luxussegment zum Giga-Preis jedoch nur schwerlich.

Für rund 130 Euro gibt es mit der Ducky One 3 TKL (Test des SF-Modells) ein qualitativ besseres Produkt mit mehr, sinnvoll umgesetzten Eigenschaften wie Hot-Swap-Tastern und weitreichenden Konfigurationsoptionen, sofern man sie braucht. Die „Quack Mechanics“ des Herstellers liefern das, was sie versprechen, was auch eine Art von Fairness schafft. Bunte, auch rosafarbene Varianten gibt es dort schon, schwarze und weiße folgen. Mit dem übrigen Budget lassen sich eine Menge Handballenauflagen aus verschiedenen Materialien und Tastenkappen erwerben, sollte Bedarf bestehen. Nur lautstarke Weltenrettung wird dort nicht verkauft – man darf Mensch sein und sich einfach aussuchen, was gefällt.

Logitech G713 (GX Brown)
Produktgruppe Tastaturen, 05.09.2022
  • Gehäuse
    O
  • Tasten & Beschriftung
    O
  • Layout
    +
  • Ausstattung & Extras
    O
  • Software
    O
  • Ungewöhnliches Design
  • Bunte Gestaltungsoptionen
  • Relativ leise
  • Zum Preis magere Ausstattung
  • Software unübersichtlich
  • Taster nur Durchschnitt

ComputerBase hat die G713 als Leihgabe von Logitech zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht.

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