Was tun nach PhD in HCI

Henrik28

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Hallo,

ich muss vorab die Situation kurz umreißen. Es geht nicht um mich und ich habe sowohl von Academia als auch HCI (Human-Computer-Interaction, falls die Abkürzung nicht allgemein gültig ist) keinen Plan. Es geht um meine Lebensgefährtin, die nicht aus Europa kommt und seit 2017 in Deutschland ist. Deutschland gilt als eines der schwierigsten Länder für Migranten, man glaubt es kaum, aufgrund der Sprachbarriere, die Bürokratie und leider auch Alltagsrassismus. Auch das hat sie stark getroffen, was ihre aktuelle Situation insgesamt sehr negativ beeinflusst (Angststörung und Depression).

Ihre gesundheitliche Situation verschlechtert sich gerade durch die berufliche. Ich persönlich würde sie ja als hochbegabt bezeichnen :) Sie hat 2 europäische Masterabschlüsse und einen deutschen PhD mit 1,0. Das sage ich jetzt nicht zum Angeben, sondern weil es evtl. wichtig ist.

Meine Lebensgefährtin versucht in der akademischen Welt zu bleiben und befindet sich gerade in ihrem 2. PostDoc. Sie sucht seit einem Jahr aktiv nach einer Professur in Europa (USA steht aktuell nicht zur Debatte, da sie (auch mir zu Liebe) in Europa bleiben möchte, Deutschland bevorzugt (auch mir zu Liebe, wie gesagt dieses Land hat ihr nicht gut getan), aber eben auch nahes EU Ausland.
Darüber hinaus spricht sie englisch, französisch, italienisch und spanisch fließend. Deutsch auf B1-Niveau, wobei ich hier sagen muss, dass das wohl kein professionelles Sprachniveau ist.

Mit jeder Absage einer Professur schwindet ihre Motivation und ihre Verzweiflung wächst. Sie hat Angst, keine Position zu kriegen und mit 36 schon bald zu alt für die Industrie zu sein (diese Angst versuche ich ihr zu nehmen). Des Weiteren bezeichnet sie sich selbst als schlechte Programmiererin und Designerin, sodass sie Design nicht könne und Programmieren nicht wolle. Sie möchte sich hier besonders auf den Social Science Aspekt konzentrieren und Forschung weiterbetreiben. Ihr Hauptziel seit fast 10 Jahren ist eine Professur.

Ich versuche sie zu bekräftigen, dass sie es weiter versuchen soll, sie war wohl schon einige Male sehr nah dran, sich des Weiteren aber langsam auch einen Plan B zurechtlegen muss, da der aktuelle PostDoc natürlich befristet ist und es in Deutschland ja diesbezüglich zeitliche Limits gibt. Sie weiß aber gar nicht für was für Jobs sie in Frage kommen würde.

Ich habe mich daher hingesetzt und mal etwas geforscht. Ich bin hier explizit auf den Begriff "UX-Researcher" gestoßen, der wohl als Bindeglied zwischen den Konsumenten bzw. Usern, den Entwicklern und den Designer fungiert. Probleme identifizieren, erforschen und Anforderungen kommunizieren. Stimmt das so? Ich könnte sie mir hier sehr gut vorstellen. Auch finde ich viele internationale Arbeitgeber, mit passenden Sprachanforderungen, bei denen Deutsch nicht unbedingt notwendig ist und viel Homeoffice für unsere Fernbeziehung.

Frage 1: Gibt es weitere Berufsfelder nach denen sie Ausschau halten sollte?
Frage 2: Stimmt ihre Einschätzung, dass Sie mit 36+ (ihr aktueller PostDoc läuft noch bis 2025 und sie hätte dann auch noch 2 weitere Jahre, theoretisch) zu alt für Industrie und/oder Professur ist und ihre Zeit daher "abläuft"?
Frage 3: Stimmt ihre Einschätzung, dass man aus der Industrie häufig nicht wieder zurück in die Academia kommt? Mein Tipp wäre ja: Weiter auf Professuren bewerben und nach dem aktuellen PostDoc in Richtung Industrie gehen. Auch von hier könnte sie sich ja weiter auf Professuren bewerben.

Zu mir: Ich habe wie gesagt keinen Plan von der Materie und möchte ihr helfen, weswegen ich mich hier beraten lasse. Bitte seht es mir daher nach, wenn ich widersprüchlich schreibe. Ich selbst arbeite im ö.D. und orientiere mich gerade Richtung EU (long shot!), sodass ich auch europaweit agieren könnte, um die Fernbeziehung zu beenden. Aber die USA sehe ich nicht als Chance für mich an, auch wenn hier die Chancen für meine Lebensgefährtin wohl besser stünden. Mein Lebenslauf ist für den internationalen Arbeitsmarkt, abseits von EU oder UN leider komplett useless und diese beiden Arbeitgeber sind irrsinnig schwierig zu erreichen. Ich poche aber nicht darauf in Deutschland zu bleiben.
Ergänzung ()

Wichtige Anmerkung noch: Sie ist nicht deutsch, was Professuren in Deutschland fast unmöglich machen. Allerdings gibt es in den Niederlanden, Belgien und Frankreich keine Beamtenlaufbahn wie bei uns, sodass für Professuren dort weder Kenntnisse der Landessprache (für Belgien, Frankreich eh egal) noch die entsprechende Staatsangehörigkeit notwendig sind. Deutsche Professuren erfordern scheinbar alle die deutsche Staatsangehörigkeit (W-Beamte) und sehr gute Deutschkenntnisse, auch wenn Forschung und Studienangebot auf Englisch ist... Deutschland halt.

Darüber hinaus strebt sie gerade auch die Einbürgerung an um diese Hürde ebenfalls zu nehmen.
 
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Ich kenne mich auch nur rudimentär mit Professuren an deutschen Universitäten aus, daher kann ich nicht allumfänglich weiterhelfen. Dennoch möchte ich gerne ein paar Anregungen anbringen:

  • Warum versteift sich deine Freundin auf eine Professur? Im Gegensatz zu z.B. eine Professur in den USA ist es in Deutschland nicht nur ein Lehr- sondern meist auch ein Forschungsauftrag. Bei mir in der Chemie sind Professoren eher "Leiter eines Forschungsbereichs" und sollte nicht mit wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Dozenten verwechselt werden
  • Warum sollte man mit 36 zu alt sein? Sie hat noch locker 10 Jahre - ein Verwandter wurde mit Anfang 50 berufen! Durschnitt liegt bei 42 Jahre. Für die Industrie ist das kein Problem. Es kommt drauf an, was sie aktuell macht (Forschung, Lehre, ...) und was in der Industrie benötigt wird.
  • Der Bereich HCI ist ein Nischenthema und es gibt nur sehr wenige Hochschulen, die so einen Lehrstuhl anbieten. Um so einen zu bekommen, ist sehr viel Glück und ein gutes Netzwerk notwendig.
  • Bei manchen Professuren ist sogar Erfahrung aus der Industrie notwendig. Gerade im Bereich HCI würde ich sogar lieber in die Industrie und dort in Forschung gehen.
  • Publikationen sind sehr wichtig in der Forschung. Was hat sie bereits veröffentlicht? Kann sie mehr machen?

Eine Professur ist ein extrem begehrter Titel bzw. Beruf, auf den fast alle wissenschaftliche MAs, Dozenten, PostDocs usw. aus sind, daher ist es auch für Deutsche sehr schwer da dran zu kommen. Das hat weniger mit Rassismus zu tun oder weil sie Ausländerin ist: es gibt viel mehr Bewerber als Stellen - gerade in Nischenbereichen.
 
Danke für die Antwort :)

Leranis schrieb:
Warum versteift sich deine Freundin auf eine Professur? Im Gegensatz zu z.B. eine Professur in den USA ist es in Deutschland nicht nur ein Lehr- sondern meist auch ein Forschungsauftrag. Bei mir in der Chemie sind Professoren eher "Leiter eines Forschungsbereichs" und sollte nicht mit wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Dozenten verwechselt werden
Das kann ich dir auch nicht sagen. Sie ist sich darüber im klaren, ich denke sie hat es sich einfach in den Kopf gesetzt und es ist nun mal ihr berufliches Ziel, ohne wirklichen Plan B. Ich möchte ihr nur helfen, diesen Plan B nun auszuarbeiten.

Leranis schrieb:
Warum sollte man mit 36 zu alt sein? Sie hat noch locker 10 Jahre - ein Verwandter wurde mit Anfang 50 berufen! Durschnitt liegt bei 42 Jahre. Für die Industrie ist das kein Problem. Es kommt drauf an, was sie aktuell macht (Forschung, Lehre, ...) und was in der Industrie benötigt wird.
Ich denke auch nicht, dass sie zu alt ist. Sie aber. Ich möchte nur meinen Standpunkt nachversichern, aber du bestätigst meine Auffassung der Situation dann schon sehr gut.
Leranis schrieb:
Der Bereich HCI ist ein Nischenthema und es gibt nur sehr wenige Hochschulen, die so einen Lehrstuhl anbieten. Um so einen zu bekommen, ist sehr viel Glück und ein gutes Netzwerk notwendig.
Ich denke, dass das Thema tatsächlich ein Problem ist.
Leranis schrieb:
Bei manchen Professuren ist sogar Erfahrung aus der Industrie notwendig. Gerade im Bereich HCI würde ich sogar lieber in die Industrie und dort in Forschung gehen.
Werde ich ihr so auch nochmal versuchen näher zu bringen.
Leranis schrieb:
Publikationen sind sehr wichtig in der Forschung. Was hat sie bereits veröffentlicht? Kann sie mehr machen?
Ja sie hat definitiv schon publiziert, es ist auch ihr größter Antrieb. MEHR MEHR MEHR, ich würde ihren wöchentlichen Aufwand auf ca. 60-70 Stunden schätzen. In ihrem Projekt aber auch in Nebenprojekten in den USA etc. Zudem konzentriert sie sich aktuell auf Lehre, um hier mehr Erfahrungen zu sammeln. Ich könnte aber leider keine Zahl nennen. Meiner Meinung nach arbeitet sie deutlich zu viel aber sie sagt selbst immer: Jede verpasste Professur bedeutet, da war jemand der mehr gemacht hat. Aber irgendwann ist halt auch ein Limit erreicht.

Leranis schrieb:
Eine Professur ist ein extrem begehrter Titel bzw. Beruf, auf den fast alle wissenschaftliche MAs, Dozenten, PostDocs usw. aus sind, daher ist es auch für Deutsche sehr schwer da dran zu kommen. Das hat weniger mit Rassismus zu tun oder weil sie Ausländerin ist: es gibt viel mehr Bewerber als Stellen - gerade in Nischenbereichen.
Ja das ist mir auch bewusst. Das mit dem Alltagsrassismus war tatsächlich auf Alltagsrassismus bezogen. Verweigerte Bedienung in der Bäckerei und sowas.
 
Zur 3. Frage kann ich sagen, dass es bei den öffentlichen und privaten Fachhochschulen (Hochschulen für angewandte Wissenschaften) gerade so ist, dass Professoren Praxiserfahrung (Industrie, Dienstleistung usw.) mitbringen müssen. Insoweit ist der Weg in die Industrie keine Sackgasse, sondern Voraussetzung.

Professoren müssen auch in öffentlichen Hochschulen nicht unbedingt Deutsche sein. Ca. 20 % sind Angestellte im öffentlichen Dienst.
 
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Das war mir auch neu. Ich dachte Professoren sind grundsätzlich verbeamtet und allgemeine Einstellungsvoraussetzung für Beamte in Deutschland ist gem. § 7 BeamtStG die deutsche Staatsangehörigkeit. Die wichtigen Gründe nach Abs. 3 Nr. 2 sind in der Realität nur sehr schwer erfüllbar.

Vielleicht bin ich hier aber fehlinformiert, sowohl bei der Verbeamtung von Professoren als auch bei der Erfüllung der wichtigen Gründe.
 
Henrik28 schrieb:
.... MEHR MEHR MEHR, ich würde ihren wöchentlichen Aufwand auf ca. 60-70 Stunden schätzen ... in Nebenprojekten in den USA .... Jede verpasste Professur bedeutet, da war jemand der mehr gemacht hat.
Oh Gott - das ist das komplett kranke Mindset, welches in den USA vorherrscht. Erstens ist dies totaler Irrsinn, da es nur zu Lasten der eigenen Gesundheit führt (Burnout, Depressionen, ...) und zweitens hier in Deutschland weniger gelebt wird, da der Output nicht nur nach Anzahl der geleisteten Stunden geht - der Arbeitgeber dankt dennoch!

Hilf ihr bitte aus dieser verkopften Situation herauszukommen!

Bei ihren Qualifikationen würde ich eher in die Industrie gehen, die im Gegensatz zu den Profs ein gutes Gehalt beziehen, und mein Leben genießen. Das höchste Gut auf dieser Welt, und das merke ich mit meinen 46 Jahren jeden Tag mehr, Gesundheit und eine schöne Lebenszeit (Kinder, Freizeit, Hobbies, ...). Arbeiten bringt nur den Chefs etwas.

Btt: Beschäftigt euch am besten mit dem Berufsbild des Professors, der hier in Deutschland anders ist, als in anderen Ländern. Darüber hinaus informiert euch welche Möglichkeiten sie in der Industrie hat. Dort ist die Konkurrenz nicht so groß.
 
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Schon mal über Wissenschaftscoaching nachgedacht? Mit den genannten Problemen steht sie ja nicht allein da.
 
Leranis schrieb:
Oh Gott - das ist das komplett kranke Mindset, welches in den USA vorherrscht. Erstens ist dies totaler Irrsinn, da es nur zu Lasten der eigenen Gesundheit führt (Burnout, Depressionen, ...) und zweitens hier in Deutschland weniger gelebt wird, da der Output nicht nur nach Anzahl der geleisteten Stunden geht - der Arbeitgeber dankt dennoch!

Hilf ihr bitte aus dieser verkopften Situation herauszukommen!

Bei ihren Qualifikationen würde ich eher in die Industrie gehen, die im Gegensatz zu den Profs ein gutes Gehalt beziehen, und mein Leben genießen. Das höchste Gut auf dieser Welt, und das merke ich mit meinen 46 Jahren jeden Tag mehr, Gesundheit und eine schöne Lebenszeit (Kinder, Freizeit, Hobbies, ...). Arbeiten bringt nur den Chefs etwas.

Btt: Beschäftigt euch am besten mit dem Berufsbild des Professors, der hier in Deutschland anders ist, als in anderen Ländern. Darüber hinaus informiert euch welche Möglichkeiten sie in der Industrie hat. Dort ist die Konkurrenz nicht so groß.
Ich bin da voll bei dir. Leider beiße ich mir da die Zähne aus, kann es auch nur bedingt kontrollieren weil wir aktuell ca. 500km außeinander wohnen und uns nur alle 2 Wochen für je eine Woche sehen.

Kinder sind kein Thema bei uns, die Entscheidung hat sie schon vor Jahren getroffen. Ich habe auch keinen Kinderwunsch und den biologischen Druck nicht so sehr, weswegen das aktuell kein Thema in der Beziehung ist.
Hobbies hat sie quasi auch nicht mehr, sie arbeitet eigentlich nur noch oder schaut Netflix, das ist während Covid, wo sie im Homeoffice quasi nonstop weitermalocht hat, wirklich extrem geworden. Ich denke auch dass sie so in eine Depression reinsteuert oder schon ist, damit kann ich ihr aber nicht helfen, dafür isr sie bereits in Therapie.

Ich habe ihr gerade einen TED-Talk gegeben ;D ich fürchte nur ich erreiche sie nicht so einfach.

Sorti schrieb:
Schon mal über Wissenschaftscoaching nachgedacht? Mit den genannten Problemen steht sie ja nicht allein da.
Das hat sie längst durch. :/
 
Sorti schrieb:
dass Professoren Praxiserfahrung (Industrie, Dienstleistung usw.) mitbringen müssen.
Und das ist auch mehr als gut so. Gibt schon genug Fachtheoretiker, die einem die Welt erklären wollen und noch nie vor der Tür in selbiger waren^^

@Henrik28 : Deine Freundin braucht dringend wieder ein Leben außerhalb ihrer Arbeitsblase. Ansonsten besteht ihr leben nur aus Rückschlägen und keinerlei positiver Erlebnisse (Wie man sie bei hobbies sammeln kann).
Dann ist klar, dass die dadurch depressiv wird.
Den Traum der Proffessur zu begraben wäre voreilig. Es wäre sicher nicht verkehrt, wenn sie hier Praxisreferenzen sammelt.
Sich blank auf eine solche Stelle zu bewerben ohne Netzwerk dahinter ist meist mehr als schwierig.
 
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Henrik28 schrieb:
Frage 1: Gibt es weitere Berufsfelder nach denen sie Ausschau halten sollte?
Frage 2: Stimmt ihre Einschätzung, dass Sie mit 36+ (ihr aktueller PostDoc läuft noch bis 2025 und sie hätte dann auch noch 2 weitere Jahre, theoretisch) zu alt für Industrie und/oder Professur ist und ihre Zeit daher "abläuft"?
Frage 3: Stimmt ihre Einschätzung, dass man aus der Industrie häufig nicht wieder zurück in die Academia kommt? Mein Tipp wäre ja: Weiter auf Professuren bewerben und nach dem aktuellen PostDoc in Richtung Industrie gehen. Auch von hier könnte sie sich ja weiter auf Professuren bewerben.

Ad 1) Alles was ihr Spaß macht. Als PostDoc wird erwartet, dass man sich selbstständig in Bereiche einarbeiten kann. Das sie den technischen Aspekt ihres Feldes ablehnt ist natürlich hinderlich, denn gerade damit würde man am einfachsten in die Industrie kommen.
Sie sollte mal ihren idealen Traumjob beschreiben - abseits des akademischen Bereiches.

Ad 2) Das ist eine berechtigte Sorge und auch der Grund warum ich eine akademische Laufbahn sehr früh für mich ausgeschlossen habe. Allerdings ist das nicht unbedingt auf das Alter bezogen. Die Regel die wir damals hatten war, nach 2 PostDoc Stationen sollte man eine Fixstelle haben, sonst wirds schwierig. Die Befristungen wird man sonst sein Leben lang nicht los und sollte mal mehr Angebot an Jungen PostDocs vorhanden sein, wird man nichts mehr finden. Auch die Industrie bedient sich lieber bei jüngeren, sofern vorhanden bzw. sofern keine außergewöhnliche Leistung für den älteren Kandidaten spricht.

Ad 3) Eine Professur zu bekommen ist sehr schwer, vor allem wenn man sich auf ein bestimmtes Land festlegt. In der Regel bewirbt man sich zumindest EU Weit auf solche Stellen, sonst auch International. Entsprechend groß ist auch die Konkurrenz für jede Stelle.
Meiner Erfahrung nach kann man eine Professur schaffen, wenn man gut im Anträge schreiben und bekommen ist. Publikationen sind wichtig, aber Drittmittel sind entscheident. Mit einem ERC Grant im Rücken, sollte eine Professur fast immer möglich sein, zumindest wenn man EU Weit in Kauf nimmt. Was ist ihre Erfahrung mit Grants, hat sie schon welche bekommen? Wenn nein, dann sollte sie das Thema Professur mMn begraben. Lecturer Stellen könnten dann eher etwas für sie sein.

Die Einschätzung, dass man aus der Industrie häufig nicht zurück in den akademischen Bereich kommt ist richtig. Das liegt aber an den wenigen Stellen im akademischen Bereich und auch am Interesse. Einmal in der Industrie angekommen, geht man denke ich nicht so gerne zurück - da muss schon viel passen und die Lebensumstände erlauben es häufig dann einfach auch nicht mehr. Trotzdem kenne ich jemanden der es gemacht hat, also unmöglich ist es nicht.
 
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Danke, ich kann deine Rückfragen nicht beantworten. Nur dass sie bereits EU weit aktiv sucht. Grundsätzlich möchte sie in Europa bleiben wenn auch eher Belgien, Frankreich, Italien und Spanien, perspektivisch überall wo sie professionell kommunizieren kann. Die Sprachbarriere und daraus resultierende Hürden in Deutschland ist einfach zu groß.

Ich hatte gestern Abend nochmal mit ihr gesprochen und sie sagte, dass sie es noch ein Jahr probieren möchte. Nächstes Jahr würde sie dann die Industrie anpeilen wenn es nichts wird.

Aus meiner komfortablen Situation denke ich, dass sie sich zu sehr auf das Ziel Professur eingeschossen hat und die Industrie o.ä. auch nicht so schlimm wäre. Am kritischsten finde ich, dass sie alles für dieses Ziel aufgegeben hat, sodass ich sie zwar immer zu Off Work Aktivitäten verleite, wenn wir zusammen sind, wenn sie alleine am Arbeitsort ist ist eigentlich nichts macht außer zu arbeiten. Sie schläft bis 10 Uhr, weil sie nicht aus dem Bett kommt und arbeitet dann bis 22 Uhr. Next day, repeat. Das finde ich so kritisch… aber ich kann es nicht ändern. Ihr Supervisor hatte ihr in der PhD Phase mal um 3 Uhr Nachts eine Nachricht geschrieben, sie solle doch mal einen Abschnitt in einem Paper überlesen… und die steht auf und fängt an zu arbeiten oO ich glaube das war unser erster arbeitsbedingter Streit. Das war mir als Beamter zu viel :D

Wobei ich ihren Ehrgeiz natürlich auch bewundere… faul ist sie sicher nicht.
 
Henrik28 schrieb:
Deutschland gilt als eines der schwierigsten Länder für Migranten, man glaubt es kaum, aufgrund der Sprachbarriere, die Bürokratie und leider auch Alltagsrassismus. Auch das hat sie stark getroffen, was ihre aktuelle Situation insgesamt sehr negativ beeinflusst (Angststörung und Depression).
Das habe ich von diversen Migranten und Migrantinnen auch schon mitbekommen, Stichwort Bürokratie. Wer von irgendwoher flüchtet, wird im Zweifelsfall auch ohne Papiere reingelassen, aber wer arbeiten will oder ganz offiziell migrieren möchte, der wird erstmal abgewiesen oder muss durch den Bürokratiedschungel.

Meine Kollegin aus dem Iran - mit PhD - hat das geschafft. Ihre Geschwister, beides Doktor im Medizinbereich, nicht.

Bezüglich Rassismus kann ich das allerdings nicht nachvollziehen. Sicher gibt es noch Rassismus in Deutschland, aber jedes Mal wenn man dazu eine Statistik sieht, sinkt das in den gebildeten Schichten.

Meine Kollegin meinte z.B. auch: sie hat tatsächlich erwartet, dass vielleicht ein paar dumme Sprüche kommen wegen Frau, Muslimin, ... aber seit den 3 Jahren, die sie jetzt schon hier ist, meinte sie hat sie (und auch andere Migrantinnen aus ihrem Bekanntenkreis) keinen einzigen Rassismusfall erlebt...ihr passiert es eher, dass sie von Landsleuten hier angemacht wird oder auch angefeindet, weil sie kein Kopftuch trägt.

Aus individueller Erfahrung kann ich dazu natürlich nichts sagen, aber von dem was ich mitbekomme, würde ich behaupten, liegt das ganz stark an der Selbstwahrnehmung. Sehe ich mich als Opfer und vermute Rassismus an jeder Ecke oder gehe ich selbstsicher durch die Welt und lasse mir Zeit, Dinge korrekt einzuordnen.

Henrik28 schrieb:
Mit jeder Absage einer Professur schwindet ihre Motivation und ihre Verzweiflung wächst. Sie hat Angst, keine Position zu kriegen und mit 36 schon bald zu alt für die Industrie zu sein (diese Angst versuche ich ihr zu nehmen).
Gerade in der IT-Branche ist das Alter relativ egal, wenn man Erfahrung oder sonstwie den richtigen CV mitbringt.

Wenn man allerdings schon so viel studiert hat, einen PhD usw. usf. frage ich mich, woher die emotionsgetriebene Angst und Verzweiflung kommt. Auf dem Bildungsweg muss man wissen, dass die Anzahl Professuren sehr begrenzt ist und es eine ganze Weile (und das richtige Fachgebiet) braucht, um da ran zu kommen.


Henrik28 schrieb:
Des Weiteren bezeichnet sie sich selbst als schlechte Programmiererin und Designerin, sodass sie Design nicht könne und Programmieren nicht wolle. Sie möchte sich hier besonders auf den Social Science Aspekt konzentrieren und Forschung weiterbetreiben. Ihr Hauptziel seit fast 10 Jahren ist eine Professur.
Wahrscheinlich stimmt das auch. Mein persönlicher Kontakt bisher mit jedwedem aus dem HCI-Bereich war, dass das eher (je nach Ausrichtung) Psychologen, Sozialwissenschaftler, ... mit ein wenig Informatikerfahrung sind.

Sowohl bei Projekten, wo es größtenteils um Softwarearchitekturen ging als auch theoretischen Gebieten, wo ich mal Kurse an der Uni geleitet habe, haben die HCI-Studenten durch die Bank immer sehr schlecht abgeschnitten.


Henrik28 schrieb:
Frage 1: Gibt es weitere Berufsfelder nach denen sie Ausschau halten sollte?
Was ich am meisten von HCI'lern mitbekommen habe war Medien-..., Marketing-..., UI/UX-... Schlicht weil die damit im Studium in Berührung kommen und im Gegensatz zu den reinen Medienstudis eben doch ein wenig mehr Informatik oder andere interdisziplinäre Bezüge mitbringen.

Eine alte Bekannte ist z.B. in die Industrie in Richtung Robotik gegangen: UX bei SmartHome Robotern.


Henrik28 schrieb:
Frage 2: Stimmt ihre Einschätzung, dass Sie mit 36+ (ihr aktueller PostDoc läuft noch bis 2025 und sie hätte dann auch noch 2 weitere Jahre, theoretisch) zu alt für Industrie und/oder Professur ist und ihre Zeit daher "abläuft"?
Wie gesagt, gerade in der IT-Branche würde ich sagen ist das Quark. Erfahrung und/oder passender CV und man ist drin. Wenn sie tatsächlich so gut ist wie dargestellt, sollte das absolut gar kein Problem sein.

Schwierig wird es halt, wenn man sich hauptsächlich nur fröhlich mit Kognitionswissenschaft, Soziologie, sozioökonomischen Aspekten, ... beschätigt hat an der Uni und nie etwas mit Substanz machte. Mit Substanz meine ich jetzt z.B. etwas Technisches oder konkretes Design oder ...
Zeug halt, das Unternehmen benötigen und auch verkaufen. Dafür wird man eingestellt. Wenn man nur Laberfächer belegt hat, ist es natürlich easy eine 1.0 zu ziehen - aber damit kann halt niemand was in der Wirtschaft anfangen und entsprechend sehen dann die Jobchancen aus.


Henrik28 schrieb:
Frage 3: Stimmt ihre Einschätzung, dass man aus der Industrie häufig nicht wieder zurück in die Academia kommt? Mein Tipp wäre ja: Weiter auf Professuren bewerben und nach dem aktuellen PostDoc in Richtung Industrie gehen. Auch von hier könnte sie sich ja weiter auf Professuren bewerben.
Wie hier schon erwähnt wurde hängt das stark von der Position ab. An Fachhochschulen ist das häufig sogar eine Anforderungen. Auch an Unis kann das gut ankommen. An meiner Alma Mater gibts z.B. einen im Machine Learning Bereich, der deshalb gute Karten hatte, weil der vorher bei Google in einem entsprechenden Research Team war.

Entscheidend ist hier halt auch was man macht und inwiefern das zu dem Fach und der gewünschten Professur passt. Wenn du eher fachfremd arbeitest, dann wird die Professur natürlich schwierig.


hallo7 schrieb:
Ad 3) Eine Professur zu bekommen ist sehr schwer, vor allem wenn man sich auf ein bestimmtes Land festlegt. In der Regel bewirbt man sich zumindest EU Weit auf solche Stellen, sonst auch International. Entsprechend groß ist auch die Konkurrenz für jede Stelle.
Würde ich genauso unterschreiben.

hallo7 schrieb:
Meiner Erfahrung nach kann man eine Professur schaffen, wenn man gut im Anträge schreiben und bekommen ist. Publikationen sind wichtig, aber Drittmittel sind entscheident.
Und das ebenfalls.

So wie sich der Beitrag liest @Henrik28 liegt hier wahrscheinlich auch das Problem. Bei Publikationen wird halt durchaus geschaut, was man gemacht hat und wo. Eine Facharbeit über ein komplexes, theoretisches Thema kann man halt nicht mit "ja ich hab hier mal in dieser Umfrage die Ergonomieaspekte von ... ausgewertet" vergleichen. Und das wissen natürlich insbesondere Leute, die in dem Feld arbeiten.

Drittmittel würde ich auch als noch wichtiger ansehen - da kommt es dann z.B. auch auf Reputation an und wie man sich verkaufen kann. Wenn man handfeste Forschung vorzeigt, die auch für die Industrie relevant ist, wird es easy. Ansonsten entsprechend schwerer...und das hier:
Henrik28 schrieb:
Sie möchte sich hier besonders auf den Social Science Aspekt konzentrieren
...hört sich auf den ersten Blick - ohne Hintergründe zu kennen - eher nach Letzterem an.
 
Glaube in der Industrie wird kein Unternehmen jemandem ohne aktuelle Berufserfahrung ein angemessenes Gehalt zahlen was zu diesen Abschlüssen passt. Da ist das Risiko einfach zu groß. Dazu ist der Bereich noch stark spezialisiert und das Angebot entsprechend problematisch. Und wenn dann noch persönliche Präferenzen, wie die Abneigung gegenüber Programmierung, dazu kommen siehts es wohl sehr sehr schlecht aus. Ich kenne eigentlich keinen Doktor der nicht mindestens den halben Tag am Programmieren ist... Besonders "HCI" hört sich stark danach an.
Denke in dieser Situation braucht man auf keine Karriere in der Industrie mehr hoffen. Natürlich kann man aber auch einfach Glück haben, klüger wäre es aber zu schauen warum es nicht klappt, an diesen Punkten zu arbeiten und entsprechend die Ansprüche etwas runter zu Schrauben - manchmal muss man auch einfach mal ein paar Jahre einen blöden Job machen. Und UX Research vereint eigentlich Design und Programmierung? Ist das nicht genau das, was sie nicht machen möchte?

Bleibt also eigentlich nur der (weitere) Weg durch die Wissenschaft. Davon hab ich aber keine Ahnung~ hört sich in der Position aber auch schwer an? Bekannte haben zwischendurch immer mal als Dozenten gearbeitet, alleine schon um Kontakte zu knüpfen. Viele Veranstaltungen finden auf Englisch statt, sollte also relativ gut passen und bringt Vorteile in beide Richtungen.

Vielleicht wäre es auch sinnvoll einfach mal etwas am persönlichen Wohlbefinden zu arbeiten und sich wieder etwas mehr in die Gesellschaft zu integrieren? Eine Freundin die nach ihrem Master of Science keinen Job gefunden hat, und unter ähnlichen Depressionen litt, arbeitet jetzt in einem kleinen Café... Und ist sehr glücklich damit. Glaube das geht sehr vielen so~
 
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Verbeamtung gibt es i.d.R. als deutscher Staatsbürger. Alternativ wäre bei manchen auch eine normale Anstellung nach TV-L. Das ist, soweit ich weiß, eher unüblich. Das dürfte auch das Hindernis für eine Junior-Professur sein.

Eine Professur ist heute eher Leitung eines Forschungsbereichs mit massiven Anteil in Drittmitteleinwerben und die Erfüllung der Lehrverpflichtung. Hinzu kommen die zahlreichen Gremien, in denen man sitzen (muss). Die Arbeit in den Projekten erledigen meist nur WissMit und HiWi bzw. Abschlussarbeiter.

Nach meiner Ansicht schauen Kommissionen erst auf die Drittmittelakquise und dann auf die Veröffentlichungen. Bei den Außeruniversitären zählt idR. nur Drittmittelakquise. Die Anzahl an Abschlüssen interessiert eigentlich auch niemanden wirklich.

Alternativen zu Uni-Profs:
-FH-Prof ohne Verbeamtung, dort i.d.R. mit Praxiserfahrung außerhalb der FH/Uni

-Angestellter Prof an einer privaten Einrichtung (gibt es diverse, wie z.B. cbs oder fom), Fokus liegt fast nur auf Lehre mit etwas Forschung, dort gibt es öfter UX

-Anstellung an einer außeruniversitären Forschungseinrichtung, ggf. als Gruppen/-teamleitung (E14). Für einen ganzen Bereich (E15, AT) definitiv zu wenig Erfahrung. Da gibt es die großen wie Fraunhofer, Max Planck, etc. aber auch zahlreiche kleinere, die z.B. in der Zuse-Gemeinschaft (klick) organisiert sind. Vorteil der außeruniversitären ist, dass sie entfristen können (also über die Limits des WissZeitVG hinaus) und in Anlehnung an TVöD zahlen können. Bei den meisten gibt es auch keine Lehre und eher geregelte Arbeitszeiten.

-Falls es sonst keine Forschung/Lehre werden soll, wäre auch die Tätigkeit bei einem (größeren) Projektträger mit internationaler Sparte (z.B. DLR, einer kleinerer mit internationalen Calls wie Ira-SME wäre die AiF-Projekt GmbH) eine Möglichkeit.

Bzgl. Alter: Meiner Ansicht nach zu jung für Professur mit den Angaben zum Lebenslauf. Wenn sie wenig Anträge durchbekommen hat, dann spricht das auch nicht für sie. Für die Industrie wird sie mit Schwäche in Programmierung und Design eher keinen Anklang finden bzw. sich nicht halten können.

Ich kenne mehrere Leute, die aus der Industrie an die FH gewechselt sind.

Änderung für die Besserwisser hier.
 
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Lol, Professur. Es hängt bestimmt vom Fachbereich ab, aber in Jura z.B. musst du ein kranker Überflieger sein. Wir reden nicht von Top 5%, sondern wirklich Top 0,01%. Macht sie schon ihre Habil? Für die FH Professur dürfte die Praxiserfahrung fehlen.
 
Die Wahrscheinlichkeit als nicht deutscher Staatsbürger eine verbamtete Professur zu bekommen ist vermutlich gering. Der Anteil (in 2022 7,4%) scheint aber zu steigen. Hier gibt es eine Statistik dazu: klick.
 
Ändert nicht das dran, das deine grundsätzliche Aussage:

Verbeamtung gibt es nur als deutscher Staatsbürger.

Einfach falsch ist.
 
Die Ursache warum es relativ wenige nicht-deutsche Professuren gibt ist schlicht, dass Deutsch als Sprache so gut wie immer ein Kriterium ist. Im Bachelor sind die Vorlesungen großteils auf Deutsch zu halten, das muss auch der Professor entsprechend können und wollen. Von Kooperationen auf Landesebene ganz zu schweigen, da gibt es nichts auf Englisch.

Steht ja auch im Eröffnungspost. In Österreich sind "ausländische" Professoren fast alles Deutsche.
 
Naja und dass viele Professoren sicher aus "intern" oder einer nahverbundenen Uni stammen. Akad. Lehre und Forschung ist nunmal oft ein Dorf
 
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