CES 2016

Audi VR Experience ausprobiert: Eine Reise zum Mond im und durch den R8

Nicolas La Rocco
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Audi VR Experience ausprobiert: Eine Reise zum Mond im und durch den R8

Mit der VR Experience will Audi in seinen Schauräumen ab dem zweiten Quartal dieses Jahres über die VR-Brillen von HTC und Oculus zwei Möglichkeiten anbieten, alle Fahrzeuge des Konzerns virtuell aus nächster Nähe in allen möglichen Konfigurationen zu betrachten. ComputerBase hat sich das System auf der CES 2016 angeschaut.

Wie bereits in der Ankündigung von VR Experience erklärt, möchte Audi das System im zweiten Quartal dieses Jahres zunächst über die Oculus Rift anbieten, bevor im späteren Verlauf des Jahres, parallel zur Rift, eine Ausbaustufe mit der HTC Vive angeboten werden soll, bei der Kunden virtuell um das Fahrzeug laufen und dieses aus nächster Nähe in Augenschein nehmen können. Nach Las Vegas hat Audi die zweite Version von VR Experience mit einer HTC Vive Pre mitgebracht. Bei der ebenfalls im VR-Raum liegenden CV1 der Oculus Rift hat es sich lediglich um ein Mock-Up gehandelt, das veranschaulichen soll, wie Kunden das System präsentiert werden soll.

Deaktiviertes Chaperone-System

Audi nutzt aufgrund des Platzmangels im oberen Stockwerk des CES-Standes einen Raum mit etwas geringeren Abmessungen, als ihn HTC für seine eigenen Demos der Vive zur Verfügung stellt (5 × 5 Meter). Damit Nutzer während der Vorführung nicht ständig in Berührung mit dem Chaperone-System kommen, das durch ein Gitternetz rechtzeitig signalisiert, dass sich der VR-Nutzer einer Wand nähert, hat Audi dieses für die Demo ausgeschaltet. Auch vor Ort beim Händler mit mehr Platz soll es jedoch kein Chaperone-System geben, weil dieses das Erlebnis stören würde, auch sei es ungeeignet dafür, sich rückwärts vom Fahrzeug zu entfernen. Nähert sich bei Audi der Kunde einer der vier Wände, wird das Bild dunkler und signalisiert, dass hier Schluss ist.

Die Kabel kommen aus der Decke

Interessant ist zudem, wie Audi die Kabel der Vive im Raum verlegt hat. Anstatt diese von einem PC in der Ecke des Raumes über den Boden in die Mitte des Raumes zur VR-Brille und zum Träger zu leiten, steht der PC über dem Raum und die Kabel werden durch eine kleine Öffnung zentral über dem Nutzer hinaus geleitet. Bei solch einem Aufbau kommt es viel seltener dazu, dass man über den Kabelstrang treten muss oder sich in diesem verheddert. In einem Schauraum ist solch ein klar besserer Aufbau jedoch deutlich einfacher zu realisieren als in den eigenen vier Wänden.

Die Workstation für die Berechnung der Szenen stellt Audi auf die Decke des Raumes. In dem Computer stecken unter anderem zwei M6000-Grafikkarten aus Nvidias Quadro-Serie, die im SLI-Verbund laufen. Die Grafikkarten sind jeweils mit einem GM200-Chip im Vollausbau und 12 Gigabyte GDDR5-Speicher bestückt. Für den Einsatz auf einem VR-System nutzt Audi einen speziellen Beta-SLI-Treiber. Die Latenz zwischen den Kopfbewegungen des Nutzers und der Darstellung des Bildes in der Brille gibt Audi mit aktuell 30 Millisekunden an, das Ziel seien jedoch 20 Millisekunden. Bereits in der kommenden Woche soll ein neuer SLI-Treiber zum gewünschten Ziel führen.

Im Sitzen geht es los

Die Simulation selbst fängt im Sitzen auf einer elektronisch in der Höhe justierbaren Sitzbank an. So können sich Kunden erst einmal an die VR-Welt gewöhnen, bevor es in vollem Umfang darum geht, das Fahrzeug im Detail zu betrachten. Im zweiten Schritt wird der Kunde im konkreten Beispiel hinter das Steuer eines aktuellen Audi R8 gesetzt. Sofort ersichtlich ist der hohe Detailgrad, mit dem Audi das Fahrzeugmodell darstellt. Für die Darstellung haben die Ingolstädter mit den britischen Entwicklern von ZeroLight gearbeitet, die eine optimierte Grafikengine auf Basis der Unity-Engine nutzen, um die Modelle mit rund sieben Millionen Polygonen darzustellen. Rund 60 Prozent des Quellcodes der Engine sollen für das Projekt umgeschrieben und optimiert worden sein.

Als aktuell noch limitierenden Faktor der möglichen Darstellungsqualität nennt Audi die Auflösungen der VR-Brillen. Selbst die 1.080 × 1.200 Pixel pro Auge der Rift und Vive seien noch nicht ausreichend, um allerfeinste Details wie die digitalen Instrumente des Fahrzeugs gestochen scharf darzustellen. Bei genauer Betrachtung der Anzeigen lässt sich diese Aussage bestätigen. Hier würden Panels mit 4K-Auflösung einen weiteren Schritt nach vorne ermöglichen, erklärt Audi. Dennoch: Der erste Eindruck im Cockpit des R8 ist sehr gut, solch einen hohen Detailgrad bietet aktuell keine andere VR-Demo.

Mit Röntgenblick kleinste Bauteile begutachten

Audi will mit der VR Experience aber nicht einfach nur einen VR-Konfigurator auf die Beine stellen, sondern ein echtes Erlebnis für Kunden schaffen, das Dinge ermöglicht, die in der echten Welt nicht umsetzbar wären. Die X-Ray-Ansicht des Fahrzeugs ist ein solches Anwendungsszenario. Teil zwei der Demo stellt den Nutzer neben das Fahrzeug und erlaubt ihm, um das Automobil zu laufen und dabei nicht nur bis zum Lack zu blicken, sondern hinter das Blechkleid zu schauen. Sobald der Kopf das Fahrzeug berührt, kann der Kunde in dessen Karosserie eintauchen. So lässt sich die Struktur einer Felge, der Scheinwerfer oder sogar des Motorblocks betrachten.

Geht man als VR-Träger in die Hocke, lässt sich der Kopf in den Motorblock versetzen, wo dann Brennkammern, Zylinder und alle weiteren Bauteile sichtbar sind. Kniet man sich hingegen vor eine Felge und steckt den Kopf in den Radlauf, werden Bremsscheiben und Fahrwerk in allen Einzelteilen sichtbar. Noch werden die Bauteile in der X-Ray-Ansicht nur in ihren dreidimensionalen Umrissen abgebildet, Audi will die Bauteile in Zukunft aber mit Texturen versehen. So könnten im Zylinder beispielsweise Schleifspuren des Kolbens dargestellt werden.

Im letzten Abschnitt der Demo schickt Audi den Nutzer auf den Mond, direkt neben das Lunar Module der Mondlandung von 1969. Das Auto schickt Audi erst im zweiten Schritt nach, damit sich Kunden erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen und den Blick über die Kraterlandschaft und den Horizont in Richtung Erde genießen können. Auch hier zeigt Audi eindrucksvoll, dass die VR Experience mehr ist als einfach nur ein VR-Autokonfigurator. Nach wenigen Minuten kommt dann schließlich wieder der Audi R8 hinzu. Auf dem Mond stehen die gleichen Funktionen wie auf der Erde zur Auswahl, auch hier lassen sich Türen oder der Motorraum öffnen und Bauteile in ihrer Struktur begutachten.

Der Auto Union Typ D kommt nicht aus der CAD-Pipeline

Eigentlich kommen alle Modelle der VR Experience direkt aus der CAD-Pipeline von Audi. Autos müssen deshalb nicht aufwendig nachmodelliert werden, sondern können mit wenigen Anpassungen direkt aus den Bauplänen der Entwicklung eingepflegt werden. Beim fast 80 Jahre alten Rennwagen Auto Union Typ D war dies allerdings nicht möglich. Damit Audi auch dieses Fahrzeug virtuell auf den Mond stellen kann, musste das Original mehrere Tausend Mal aus allen erdenklichen Perspektiven für die Nachmodellierung fotografiert werden. Auch hier hat Audi Wert darauf gelegt, dass einzelne Komponenten des Fahrzeugs durch das Blechkleid betrachtet werden können.

Nach der Reise zum Mond in die Jahre 1969 und 1938 folgte ein abrupter Sprung zurück auf die Erde zurück ins hier und jetzt: Die Vorführung war beendet und sie war beeindruckend. Dass nicht jeder Audi-Interessent auch ein Interessent an einer VR-Vorführung seines Wunschfahrzeugs sein wird, ist auch Audi bewusst. Die Zielgruppe liege bei Kunde im Alter zwischen 20 und 60 Jahren, erklärt der Hersteller.

Die VR-Probefahrt kommt noch

Mit den Autos fahren lässt sich aktuell noch nicht, diese Option soll jedoch in passiver Form zu einer späteren Zeit nachgereicht werden. Audi fertigt hierfür 360-Grad-Videoaufnahmen an, in die sich der Kunde dann hineinversetzen lassen kann. Die Frage, ob VR Experience nicht auch dem Interessenten zu Hause angeboten werden könne, beantwortet Audi grundsätzlich mit einem ja, allerdings seien die Hardware-Anforderungen für die aktuelle Simulation sehr hoch und kaum mit handelsüblichen PCs zu stemmen. In reduzierter Form wäre aber sogar die Umsetzung auf mobilen Lösungen wie der Gear VR von Samsung möglich. Grundsätzlich hält sich Audi alle Optionen offen, aktuell zeige man lediglich die erste Ausbaustufe der VR Experience.

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