Google Daydream (View) im Test: VR für die Massen mit Fernglas-Sichtfeld

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Jan-Frederik Timm (+1)
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Laufzeit und Temperatur

Die hohen Leistungsanforderungen und das hell leuchtende Display zehren am Akku: Im Test verlor das verwendete Google Pixel XL ziemlich genau ein Drittel Akkukapazität pro Stunde. Nach etwa drei Stunden müssen Tagträumer also das Ladekabel zur Hand nehmen.

Die verwendete Anwendung war dabei nicht von Relevanz. Das Display und die jeweils aktive VR-Anwendung nahmen sich nichts – beide benötigten in der Regel annähernd gleich viel Energie.

Der Controller musste im Testzeitraum von rund 15 Stunden aktiver Nutzung nicht geladen werden. Geht die Akkuladung zuneige, signalisierte das der Controller nach dem Drücken des Home-Buttons durch ein dreimaliges Aufleuchten der Status-LED. Eine Anzeige in der App oder der VR-Oberfläche gibt es nicht.

Display und Anwendung sorgen gleichermaßen für 33 Prozent Verbrauch pro Stunde
Display und Anwendung sorgen gleichermaßen für 33 Prozent Verbrauch pro Stunde

Das Google Pixel XL wird im Daydream-Einsatz spürbar warm, aber nicht unangenehm heiß. Am Kopf beträgt die Oberflächentemperatur des Smartphones nach einer Stunde vorne 45 und hinten 48 °C – am unteren Ende sind es 39 respektive 35 °C. Die mit AIDA64 ausgelesene Temperatur des Akkus betrug nach einer Stunde Laufzeit 51 °C – also 29 °C über der Umgebungstemperatur und damit auch der Akkutemperatur im Standby. Das Samsung Galaxy S7 zeigt sich von einer Stunde Gear VR weniger beeindruckt: Hier sind es maximal 34 °C auf der Rückseite. Auch der Akkuverbrauch fällt mit 19 Prozent geringer aus.

Und Facebook?

Oculus Home für Gear VR ist eng mit Facebook verzahnt, in Daydream sucht man das soziale Netzwerk noch vergebens – so wie es in Oculus Home keine Google-Dienste gibt. Ob sich das ändern wird, ist vollkommen offen. Der Zweikampf der beiden Riesen Google und Facebook auf dem Sektor Mobile-VR hat mit dem heutigen Tag schließlich erst begonnen.

Perspektivisch dürfte die Reichweite, die Daydream von Google aufbauen kann, für Facebook von großem Interesse sein, die volle Kontrolle hat der Konzern aber nur über die Partnerschaft mit Samsung. Und zur Öffnung gegenüber Daydream gäbe es noch eine Alternative: Mehr Hersteller in die aktuelle Partnerschaft aufzunehmen. Da müsste allerdings Samsung mitspielen.

Fakt ist: Aktuell ist Facebook auf Daydream außen vor und eine eigene Lösung für das große Trendthema Social VR hat Google noch nicht präsentiert. Nicht auszuschließen, dass dafür vorerst eine eigene Community wie bei Oculus geschaffen wird.

Fazit

Mit Daydream bringt Google VR für Android auf die ganz große Bühne, denn jedem interessierten Hersteller stehen ab sofort ein Ökosystem mit Apps und die Möglichkeit, eigene VR-Gestelle dafür zu entwickeln, offen. Und jedes Daydream-Smartphone funktioniert mit jedem Daydream-VR-Gestell. Die bisher quasi exklusive Stellung der Partnerschaft Facebook-Samsung ist nicht mehr.

Kein Gear VR von Google

Zumindest Daydream View ist dabei eindeutig kein zweites Gear VR. Das fängt beim deutlich gefälligeren Design und dem sehr hohen Tragekomfort an und setzt sich über die einfachere Handhabung bis hin zu aktuell handfesten Nachteilen fort: Gear VR hat weniger Probleme mit dem Lichteinfall und ein sichtbar größeres Sichtfeld. Die Schärfe nimmt sich im Vergleich Daydream View mit Pixel XL (QHD, 5,5 Zoll) zu Gear VR mit Galaxy S7 (QHD, 5,1 Zoll) nicht viel, auf noch kleineren Smartphones könnte Daydream aber Vorteile haben, sofern sie bei QHD bleiben - das kleinere Pixel hat hingegen nur Full HD.

Einen ganz klaren Vorteil stellt der im Preis von 69 Euro für das VR-Brillengestell und den bereits inbegriffenen Controller dar, der es selbst absolut unbedarften VR-Anwendern ermöglicht, spielend leicht durch Menüs und Anwendungen zu navigieren. Je unerfahrener der Anwender, umso weniger fielen hingegen die Unterschiede bei Schärfe und Sichtfeld zwischen Daydream View und Gear VR aus. Das ist kein Aspekt, mit dem sich der unerfahrene Anwender zum Start befasst.

Die offensichtlichen Kinderkrankheiten wie den nicht erkannten Controller oder das nicht automatische Deaktivieren der stereoskopischen Ansicht beim Entfernen des Smartphones sollte Google allerdings sehr kurzfristig lösen. Die Einschränkungen nerven und stehen dem Marktstart nicht gut.

Den Play Store und Samsungs Konkurrenz im Rücken

Wie bei jeder neuen VR-Plattform steht hinter der Software noch ein Fragezeichen. Für den Test standen lediglich zehn Anwendungen zur Verfügung, bis zum Jahresende sollen aber noch 41 weitere folgen. Oculus verfügt schon heute über eine große Auswahl an Apps, die zum Teil auch mit Gamepad bedient werden können. Bei Daydream ist hingegen bisher nur vom Controller die Rede. Sollten die Android-OEMs auf den Daydream-Zug aufspringen und mittelfristig viele Smartphones zur Plattform kompatibel sein, stehen die Chancen für Googles breiten Ansatz sehr gut. Auch Facebook müsste dann wohl mitziehen.

Ein gutes VR-Erlebnis für die (potentiell) breite Masse

Wer bereits über ein Google Pixel (XL) verfügt und Interesse an VR gefunden hat, kann den Griff zu Daydream View für 69 Euro zweifelsohne wagen. Günstiger gibt es gutes VR mit Ein-Hand-Steuerung für die (potentiell) breite Masse bisher nicht. Was noch fehlt, sind mehr kompatible Smartphones, die auch deutlich weniger kosten als Googles aktuelles Angebot. Denn in Summe kostet Pixel mit Daydream fast immer über 1.000 Euro.

Daydream View gibt es ab sofort für 69 Euro bei Google zu kaufen. Vorerst nur in der Farbe Schiefer, später folgen Rot und Hellgrau.

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