Hass im Netz: EU-Politiker prüfen Facebook-Gesetz für Europa

Andreas Frischholz
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Hass im Netz: EU-Politiker prüfen Facebook-Gesetz für Europa
Bild: Sébastien Bertrand | CC BY 2.0

Noch kurz vor dem Ende der Legislaturperiode hatte die Bundesregierung das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz durch den Bundestag gedrückt, um den Hass in sozialen Netzwerken zu bekämpfen. So umstritten das als Facebook-Gesetz bekannte Modell ist, könnte es nun zu einer Art Testlauf für eine europäische Regelung werden.

Denn laut einem Bericht des Handelsblatts würden sowohl EU-Abgeordnete der CDU als auch der Grünen eine europaweit einheitliche Lösung begrüßen. Gegenüber der Zeitung erklärte Axel Voss (CDU), Abgeordneter bei der EVP-Fraktion im EU-Parlament: „Wir benötigen ein effizientes System und eine ebenso effiziente Kontrolle, um Hassinhalte zu stoppen.“ Genauso spricht sich Jan Philipp Albrecht, justizpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, für ein abgestimmtes Vorgehen in Europa aus.

Deutsches Modell als Vorbild?

Die Frage ist nur: Taugt das deutsche Gesetz zum Vorbild? Bis dato setzt die EU auf die Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie in Kombination mit einer freiwilligen Selbstkontrolle. Was in der Praxis bedeutet: Soziale Netzwerke müssen Inhalte der Nutzer erst löschen, wenn sie erfahren, dass ein Beitrag rechtswidrig ist. Die rechtliche Bewertung findet also außerhalb der Unternehmen statt.

Anders ist es beim deutschen Gesetz. Wenn Nutzer einen Beitrag melden, müssen die sozialen Netzwerke nun selbst binnen 24 Stunden oder sieben Tagen entscheiden, ob ein Inhalt rechtswidrig ist. Betroffene Dienste wie Facebook, Twitter und YouTube müssen die entsprechenden Inhalte also nicht nur innerhalb einer bestimmten Frist löschen – so wie es die E-Commerce-Richtlinie vorsieht –, sondern in dieser Zeit auch noch rechtlich bewerten, was Kritiker letztlich als privatisierte Rechtsdurchsetzung bezeichnen.

Europäisches Gesetz soll aus Fehlern der Bundesregierung lernen

Was dem Grünen-Abgeordneten Albrecht nun vorschwebt, ist zwar ebenfalls „eine Verpflichtungen abseits der E-Commerce-Richtlinie“, die soziale Netzwerke in die Verantwortung nimmt, gleichzeitig aber eine Kooperation mit Behörden und der Justiz vorsieht. Denn das deutsche Gesetz könne seiner Ansicht kein Modell für Europa sein, zu gravierend wären die Mängel.

Seine Kritik entspricht den bekannten Vorwürfen: Dazu zählen etwa die „starren Löschfristen“, also dass die sozialen Netzwerke unter Androhungen von Bußgeldern verpflichtet werden, Beiträge innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu entfernen. Befürchtet wird dadurch ein Overblocking, bei dem die Unternehmen im Zweifel alles entfernen, was in irgendeiner Form anrüchig erscheint, um Geldbußen zu entgehen. Ebenso problematisch wären laut Albrecht die unbestimmten Rechtsbegriffe wie die „offensichtlich rechtswidrigen Inhalte“ – solche Beiträge müssen die sozialen Netzwerke in Deutschland nun binnen 24 Stunden entfernen.

Offen ist nur, wie eine Alternative aussehen kann. Nötig für eine europäische Regelung wären, so Albrecht im Handelsblatt, „rechtssichere Verfahren und Begriffe“, die deutlich konkreter ausgestaltet sind. Außerdem fehle noch ein Rechtsschutz für Betroffene. Dass eine europaweit einheitliche Regelung sinnvoll ist, steht für ihn aber außer Frage, allein schon um den EU-Markt nicht durch zig nationale Vorgaben zu zerstückeln.

Die EU-Kommission hält sich bedeckt

Zurückhaltend äußert sich derweil noch die EU-Kommission. Die bleibt auf der bekannten Linie, die dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“ folgt. Vorerst setzt man noch auf Gespräche mit den sozialen Netzwerken und lobt bereits erreichte Fortschritte. Sollten die Ergebnisse im Endeffekt aber doch nicht zufriedenstellend ausfallen, könnte trotzdem noch eine europäische Regelung folgen. EU-Justizkommissarin Vera Jourova hatte so eine Lösung im Juli in Aussicht gestellt.

Beobachtet wird aber zunächst, wie sich die neuen Regeln in Deutschland bewähren. Das betrifft sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte – also etwa die Rolle von Behörden in den Löschverfahren, bei denen die Unternehmen eine zentrale Rolle einnehmen. Somit wird das deutsche Gesetz gegen den Hass im Netz zu einem Testlabor für Europa.

Facebook selbst hat auf die neue Rechtslage bereits reagiert. In Essen wird ein zweites Löschzentrum aufgebaut, zudem sollen noch mehr Mitarbeiter eingestellt werden, die von Nutzern gemeldete Beiträge prüfen.