Referentenentwurf: BMDV plant Recht auf Verschlüsselung

Michael Schäfer
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Referentenentwurf: BMDV plant Recht auf Verschlüsselung
Bild: brenkee | CC0 1.0

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) will die sichere Kommunikation in Deutschland weiter stärken und plant daher, das bereits im Koalitionsvertrag verankerte Recht auf Verschlüsselung umzusetzen. Ein erster Referentenentwurf liegt nun vor.

Ungeachtet des aktuellen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das ein Aufweichen von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in der Kommunikation als rechtswidrig einstuft, plant Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) das im Grundgesetz verankerte Fernmeldegeheimnis sowie das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen um ein zusätzliches Recht auf Verschlüsselung zu ergänzen und damit das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vorhaben durch eine Erweiterung des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) umzusetzen.

Verschlüsselung mindestens als Option

Der nun veröffentlichte erste Entwurf sieht vor, dass nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste, zu denen vor allem Messaging- und Videokommunikationsservices, aber auch gewöhnliche E-Mails zählen, eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durchführen oder zumindest optional anbieten müssen. Gleiches gilt für Cloud-Dienste, bei denen Nutzer ihre Daten speichern können. Da diese unter das TTDSG und nicht unter das Fernmeldegeheimnis fallen, reicht es nicht aus, nur letzteres um die entsprechenden Inhalte zu erweitern.

Ist eine Implementierung der Verschlüsselung aus bestimmten Gründen nicht möglich, müsse der Anbieter diese darlegen. Das spätere Gesetz soll dazu beitragen, dass Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen überall dort eingesetzt werden, wo es technisch möglich ist und so die Kommunikation insgesamt sicherer machen. Derzeit ist dies laut dem Ministerium nicht oder nicht immer der Fall: So bietet unter anderem Telegram keine Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation in Gruppenchats. „Obwohl die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung inzwischen Branchenstandard ist, setzen einzelne Messenger-Dienste die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht oder nur bei bestimmten Funktionen ein, ohne dass das mit technischen Restriktionen begründet werden kann“, so Wissing.

Werben um größere Akzeptanz

Mit dem Entwurf verfolgt das Ministerium das Ziel, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Wirtschaft für mehr Akzeptanz gegenüber Verschlüsselungen zu sorgen. Gleiches gilt dem Text nach auch für öffentliche Einrichtungen. Für den Bundesminister handelt es sich dabei „um einen essentiellen Beitrag zur Gewährleistung der Grundrechte auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses sowie der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und zur Cybersicherheit“.

Geteilte Meinungen

Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser sieht den Entwurf vor allem als Antwort auf die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle und als Vorbeugung gegen zukünftige Angriffsversuche auf das digitale Briefgeheimnis: „Nutzern von Messenger-, E-Mail- und Clouddiensten gewähren wir das Recht, ihre Kommunikation und Datenübertragung stets Ende-zu-Ende-verschlüsselt zu übertragen, und verpflichten Anbieter, diese Option anzubieten“, so Funke-Kaiser gegenüber netzpolitik.org. Auch er ist sich sicher, dass das neue Gesetz die Akzeptanz gegenüber Verschlüsselungstechnologien bei den Bürgern steigern würde, was gleichzeitig dem Schutz des digitalen Briefgeheimnisses zugute käme.

Den Juristen Dennis-Kenji Kipker von der Universität Bremen überzeugt der Entwurf hingegen noch nicht, er sieht in diesem eher eine PR-Aktion als eine Stärkung der Sicherheit. Für ihn geht es bei den Verkündungen des Ministeriums „gar nicht um ein wirkliches Recht auf E2EE, sondern vielmehr nur um eine Unterstützungsleistung für technische Maßnahmen, die Nutzer eigentlich aber selbst ausführen müssen“.

Umsetzung ungewiss

Wann und ob der Entwurf überhaupt als Bundesgesetz umgesetzt werden wird, ist derzeit mehr als offen. Der nächste Schritt würde diesen zur Beratung ins Bundeskabinett führen, nach entsprechender Einigung und Zustimmung würde der Entwurf dann in den Bundestag eingebracht. Dort dürfte das Vorhaben vor allem mit den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kollidieren.