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Der Freiheit-Regulierungs-Trade Off in Computerspielen

lead341

Lt. Commander
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Apr. 2005
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Liebe Computerspiel-Freunde,

welches ist einer der grundlegenden Unterschiede zwischen der Realität/Alltag und der Virtualität ( = im engeren Sinne Computerspiel)? In ersterer ist man oft strikten Regeln (nicht immer sinnvollen und liebsamen) unterworfen - menschliches Zusammenleben ohne komplexe Regulierung ist undenkbar. In meiner nun fast zwanzigjährigen Computerspiel-Geschichte repräsentierten Spiele für mich stets eine Art wohltuenden Widerpart: Freiheit! Freiheit im Sinne des Erlebens fiktiver Welten, ferner Galaxien und Reiche, aber auch Freiheit im Handeln, Freiheit im Ausprobieren und Experimentieren - und es manchmal auch mit dem moralischen Kompaß nicht ganz genau zu nehmen. Bestes Beispiel dafür ist GTA IV - hier kann sich der Spieler unbegrenzt entfalten und besitzt einen Entscheidungsspielraum, der im Alltag unmöglich ist.

In letzter Zeit stelle ich und viele meiner (Spieler-)Kollegen jedoch fest, dass insbesondere im Multiplayer der Freiheitsaspekt zugunsten einer immer strengeren "Regelsetzung" zurückgedrängt wird. Ich möchte dies an zwei Spiele-Beispielen illustrieren, an welchen mir dies am deutlichsten geworden ist: Battlefield 2 und World in Conflict. Weiter möchte ich unterscheiden zwischen Regeln/Beschränkungen, die welt-immanent sind (also vom Entwickler vorgegeben) und solchen, die spieler-induziert sind (also Regeln, die Admins, aber auch die Spieler selbst sich auferlegen).

Fangen wir mal bei dem Echtzeitstrategie-Spiel World in Conflict an: im Laufe der Zeit war ein Novum im RTS - Bereich, dass die Einheitenanzahl im Spiel begrenzt wurde. Konnte man früher beim ersten Command und Conquer theoretisch unendlich viele Einheiten produzieren (zumindest bis zum Aufbrauchen der Tiberiumfelder) und selbst noch bei Supreme Commander ein sehr großzügiges Limit erreichen (= Bedingung für monumentale Massenschlachten), wurde dies bei Spielen wie Dawn of War, World in Conflict aber auch dem nächstes Jahr kommenden letzten C&C stark eingeschränkt. Spielerisch wurde dies von manchen sehr begrüßt und macht auch Sinn, ich habe dies eher bedauert, da ich Freund großer Schlachten bin. Kurz und gut: es handelt sich hierbei um eine welt-immanente, vom Entwickler vorgegebene Beschränkung.

Als ich nun kürzlich mich wieder mal an den Multiplayer-Part von World in Conflict traute, konnte man bei vielen Servern seltsame und für mich unverständliche Regeln finden: so erlaubt es das Spiel, bspw. 2 schwere Artillerie-Einheiten zu rufen. Auf vielen Servern wird dies aber explizit verboten und es ist nur eine erlaubt. Und selbst wenn man dann nur eine nutzt, wird man permanent gekickt - ich habe es sogar erlebt, wie das eigene Team die Einheiten eigener Mitspieler zerstört. Ein selbst ernannter Pro-Spieler erklärte mir dann, dass nur "noobs" schwere Artillerie benutzen und richtige Spieler nur den Zweikampf im Panzer suchen. Jawohl, es ist ja auch in einem Kriegsszenario sehr authentisch, wenn die Beteiligte Partei ihre eigenen Assets zerstört, nur um zu den "Pros" zu gehören. Für mich sind dies Spielspaß-Killer par excellence, sinnlose, spielerinduzierte Regelungen, die die Möglichkeiten, die das Spiel selbst bietet, sinnlos einschränken.

Zweites Beispiel: Battlefield 2. Vor gut 4 Jahren, kurz nach der Veröffentlichung, war Battlefield 2 für viele meiner bekannten Spieler der Hit. Hervorragendes Gameplay und vor allem auch Freiheit in den eigenen Entscheidungen. Es bestand kein Team-Zwang, man konnte auch sein "eigenes Süppchen" brauen. Wie sieht es heute aus: da es kaum noch public server gibt, ist man auf private Server angewiesen - und die sind i.d.R. überreguliert (do not attack uncaps, no spawnkilling etc.). Also am allerbesten: stelle Dich in die Ecke und mache gar nichts, dann kannst Du nicht gekickt werden. Ist man zu gut oder gibt man aus versehen einen Schuß 1 km von der gegnerischen Basis ab, rufen sofort zehn Leute nach dem Admin mit der Bitte, er möge den Spieler doch kicken. Kurz und gut: der Reiz, Battlefield 2 zu spielen, hat dadurch immens abgenommen.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass über die Begrenzungen hinaus, die der Entwickler setzt, vielen Spieler - anstatt die verbleibende Freiheit zu genießen - nach noch mehr Regeln schreien und die Möglichkeiten des Spiels systematisch einschränken. Sicher, manchmal können Regeln sinnvoll sein und den Spielspaß erhöhen, wenn es aber soweit geht, dass ganze Spielstrategien/Möglichkeiten (die vielleicht auch noch eindrucksvoll gestaltet und zur Atmosphäre beitragen) "sanktioniert" werden, dann verlieren Spiele Ihren Reiz.

Und mit dieser Überregelung ist eine entscheidende Gefahr verbunden: wenn ich bspw. mit einem Spieler konfrontiert werde, der mir überlegen ist, vielleicht sogar etwas "spoiling" betreibt - dann bin ich bestrebt, dieser Situation kraft der Mittel des Spiels Abhilfe zu schaffen. Darin liegt für mich eine besondere Herausforderung. Bei Battlefield hieße dies, die belagerte Basis mit eigenen Kräften zu befreien, und bei World in Conflict eben den Spieler, der die Artillerie benutzt, entsprechend auszuschalten: mit Hubschraubern, Panzern oder welche Waffen auch immer. Was passiert jedoch immer häufiger? Anstatt Spieler, die etwas aus dem "Regel-Bereich" tanzen, eigene Anstrengungen entgegenzusetzen, schreien die meisten sofort nach dem Admin, initiieren kick-votes und dergleichen - suchen also den "kindischen" und völlig unspielerischen Weg.

Ich vertrete folglich die Ansicht, dass es außer den welt-immanenten, d.h. vom Entwickler gesetzten Beschränkungen und Variablen es keine weitere Regulierung geben dürfe. Und der einzige "Straftatbestand" ist m.M. nach die Nutzung von Cheats - diese stellen einen direkten Eingriff in die Welt dar und berauben das Spiel jeder Authentizität.

Für mich ist eines klar: Regeln soweit wie notwendig, Freiheit soviel wie möglich.

Aber - was denkt die Community darüber? Was ist also wichtiger in Computerspielen - Freiheit oder Regeln? Und wo liegt die gesunde Balance?

Über Meinungen und Anregungen (gerade auch im Hinblick und in Vorfreude kommender Titel) würde ich mich freuen.

Gruß lead
 
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