Mhm, ich habe es gestern ein wenig anzocken können und muss sagen, dass mir das Spiel zwar Spaß macht und der Mehrspieler durchaus reizt, ich aber den Preis (noch?) nicht wirklich gerechtfertigt finde. Ich unterstütze liebend gerne Spiele aus dem Genre der Weltraumsimulationen, da das meines Erachtens mit FreeSpace 2 und vielleicht noch Starlancer am Rande fast vollkommen verschwunden ist, aber hier habe ich noch meine Zweifel, ob ich das nicht doch noch bereue.
Aber gut, ich gebe dem Spiel eine Chance - immerhin dümpel ich noch in Sapphire rum und sehe mir erst einmal in Ruhe alles an.
Die Steuerung ist solide. Wer FreeSpace gespielt hat, wird sich auch gleich mit dem HUD oder eher den Funktionen des HUD und der Tastaturbelegung heimisch fühlen. Außerdem gibt es ein X3-Leckerli bzw. etwas, das einigen wohl aus Freelancer bekannt sein dürfte: Steuerung per Pointer. Wer es mag. Der Großteil wird wohl weiterhin einen Joystick und Direktsteuerung nutzen.
Erstaunt und begeistert bin ich soweit vom Fluggefühl bei Gravitationseinflüssen. Wenn man den Schub beim Absinken in die Planetenatmosphäre wegnimmt, darf man sich mit einigen Flugturbulenzen vergnügen und so wie ich ganz elegant trudelnd auf den Boden klatschen.
Überzeugen kann mich auch die Trägheit des Fluggefährts. Beschleunigt man mit dem Nachbrenner weit über die Grenzen der menschlichen Reaktionsfähigkeiten hinaus, kann das mit der Rechtskurve vor der Weltraumstation sehr interessant und medienwirksam enden. Sachen wie das Angleichen von Schildstärke oder das Verändern der Energiezufuhr dürften da auch bereits aus FreeSpace bekannt sein. Da hat es bereits gut funktioniert und sollte hier auch seinen Zweck erfüllen, wenn man ein langsames Schiff fliegt und wieder Mal die Piraten-Gewerkschaft am Hintern kleben hat.
Ich konnte zwar noch nicht allzu viel testen, aber das Abbauen von Rohstoffen zum Beispiel ist wie aus Eve Online gewohnt ein sehr berauschendes Feuerwerk von Eindrücken und Explosionen mit Körperteilen... also man drückt B, oder verkeilt die Taste so wie ich mit einem Stück gefaltetem Papier, und wartet. Interessanter ist da eigentlich, die richtigen Asteroiden mit dem Platin und den Diamanten zu finden. Behaupte ich zumindest.
In Sapphire, dem absolut sicheren Startsystem, das fest in der Hand der Allianz ist, hält sich die Schwierigkeit der Missionen in einem überschaubarem Maß. Die Rennen kann man auch mit einem Rentner-Ferrari schaffen und Kampfaufträge sind eher rar gesäht. Für die Systembewohner scheint das Reinigen von mobilen Solarstationen der Höhepunkt einer aufregenden Woche zu sein. Was mich überzeugen konnte, war das Fordern von eigenem Hirn und Grips. Wer über den Tellerrand blickt, kann mit einigen Missionen eine Menge Spaß haben.
"Sichern Sie eine Handelsroute für die Sapphire Energieunternehmen und zerstören Sie 20 Asteroiden." - Wer hat eigentlich gesagt, dass ich die nicht abbauen kann?
Das Universum ist auch nicht ganz leer und leblos. Auch wenn es nah dran ist, kriegt man ab und an Handelsanfragen von anderen Piloten. Dass man dabei mehrere Gebote abgeben kann, macht mir zumindest das Feilschen etwas leichter. Wobei ich deren Schrott bis jetzt noch nicht haben wollte. Diese faulen Schweine wollen das nur nicht zur nächsten Raumstation bringen und haben beim Scannen der hiesigen Raumschiffe einen leeren Frachtraum entdeckt.
Zwar gibt es im Spiel so etwas wie ein globales Missionssystem, das planetare und andere Notrufe an den Spieler weitergibt, aber ansonsten ist man abgesehen von den Handelsnachrichten und Vertragsmissionen des jeweiligen Systems relativ vom Geschehen abgeschnitten. Mir fehlen irgendwie die Funksprüche mit nettem Gesicht oder gekräuseltem, leeren Bild rechts oder links oben. Ich lasse mir die auch gerne ohne Sprachausgabe von Microsoft Mary oder seit Windows 7 von Microsoft Anna vorlesen. Da bin ich schon so einiges von den FreeSpace-2-Mods von hard-light(.)net gewohnt, wobei die auch immer mehr zum Voice Acting übergehen.
Die eher schlichte Navigationskarte wurde ja schon erwähnt. Ich weiß noch nicht so recht, ob ich sie verfluchen oder lieben soll. Mein erster Anflug eines Planeten mit dem Sprungantrieb endete in einem ungeplanten Feuerwerk. Und ich hatte noch vorher leise zu mir selbst gesagt "Bestimmt sterbe ich, weil ich auf den Planeten geklickt habe."
Warning. Woooosh~ Pfffrrttttt... Wollen Sie den letzten Spielstand landen? Gnah!
Diese Schlichtheit zieht sich durch das komplette Spiel. Ich sehe da aber durchaus Potenzial. Die wichtigen Dinge sind da und die Komfort-Spielereien wie zum Beispiel eine -zum Cursor- zoombare Navigationskarte, ein nach Kategorieren sortierbares Logbuch, Mouseover-Beschreibungen von Gegenständen, Legenden in manchen Menüs - sind immer Sachen, die entweder nach und nach hinzu kommen können oder aber auch durch Mods erreicht werden können. Ebenso mehr Gegenstände, mehr Schiffe und wer weiß noch alles. Grafisch sollte man auch nicht zu viel erwarten. Allgemein ist es zwar recht stimmig und braucht als Simulation sowieso nicht in einem teuren Abendkleid glänzen, aber etwas mehr hätte ich mir 2012 erhofft. Aber gut, es ist Indie und das nicht zu wenig.
Noch weiß ich nicht so recht, was ich von dem Spiel halten soll. Ein für mich haltbares Langzeitziel wäre möglicherweise die Stabilisierung der Wirtschaft in einigen Systemen und das Vertreiben von Rebellen oder Piraten, gerne auch im Mehrspieler. Aber ob das überhaupt möglich ist, muss ich erst einmal herausfinden. Von den 'War Zones' bin ich nun wirklich noch weit entfernt. An sich würde ich das Spiel - so wie mein erster Eindruck davon ist - erst einmal nur den Entdeckern und Abenteurern empfehlen. Eben jenen, die auch mal eine Stunde in die Leere des Weltraums und auf ihre Scanner starren können, während sie sich einen Notizblock mit Koordinaten anlegen. Alle anderen, so wie ich, dürften ein Problem mit der Langzeitmotivation über ihr erstes, gekauftes Raumschiff hinaus haben. Das Steigern von zivilen und militärischen Rängen hat mich in X auch nie begeistern können - aber gut, es gibt eine Menge verschiedene Spieler, bzw. Spielstile, und darauf scheint Evochron Mercenary ja auch abzuzielen.
Cheers,
Ein Frühstückskaffee schlürfender Berichterstatter