Wie sollte man mit dem Thema Richard Wagner umgehen?

Ostfriese

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Moin!

Das Thema Richard Wagner ist ein zwiespältiges.
Da ist zum einen die hervorragende künstlerische Leistung des Genies Wagner, aber zum anderen sind da die anti-semitischen Schriften des selbigen.

Man fragt sich:
Hätte so ein Mann, der ein Genie und Künstler war, nicht weltoffener sein müssen? Gerade um 1850 herum, in der Revolutionszeit?

Ich habe hier einen interessanten Artikel, der aber auch zu keinem eindeutigen Fazit kommt.

http://www.klassikakzente.de/classics_mag/0106/rubrik_wagner06.html

Ich persönlich finde, dass man gar nicht zu einem eindeutigen Fazit kommen muss. Ein Mensch ist ein kompliziertes Objekt, das sich selbst und schon gar nicht andere 100%ig analysieren kann. (Es sei denn, der Mensch ist äußerst primitiv und dumm, was aber keine Diskriminierung meinerseits darstellen soll, sondern nur ein logische Konsequenz.)

Also wie, denkt ihr, sollte man mit diesem Thema umgehen?
Ist es schon anti-semitisch zu sagen "Wagner war ein toller Mann!" Sollte man lieber sagen: "Wagner war ein großartiger Komponist!"

Es gibt natürlich viele Anti-semiten in Deutschland und überall sonst auf der Erde. Schuld daran sind alte "Traditionen", die sich aus dem Christentum heraus gebildet haben, und nicht zuletzt die Tatsache, dass die dem Judentum angehörenden Menschen oft eine Minderheit sind und man ihre Bräuche nicht akzeptiert.

So, ich möchte nun mal eure Meinung hören.

Gruß
Frank

PS: Mehr von Richard Wagner gibt es unter dem Link in meiner Signatur.
 
Hi Ostfriese,
ich verstehe sehr gut die Problematik deines Themas (ich nehme mal an) Referats.
Stell einfach so einen Art Disclaimer an den Beginn deines Referats, in dem du kurz seine beiden Seiten darstellst und betonst, dass du dein Lob NUR auf seine künstlerischen Fähigkeiten beziehst.
Danach kannst du ungehindert auf sein Leben Stellung beziehen.
Am Ende hebst du noch einmal den Dualismus Wagner hervor und kannst so dein Referat mit einem Bogen "Einleitung - Schluss" beenden.
Hoffe geholfen zu haben :)
 
Du bringst mich da auf eine gute Idee, SchinziLord!

Das Thema habe ich eigentlich aus Privatinteresse heraus gefunden. Aber ich erstelle mal eben nach guter alter Schulmanier :) (denn ich bin schon seit über einem Jahr mit Abi aus der Schule geschmissen worden *heul* ;)) ein Referat nur für mich... vielleicht stelle ich das ja auch ins Internet.

Oh, ich sehe gerade, dass du Zivi bist.
Das war ich vor kurzem auch noch.
Der Dienst hat mich so fertig gemacht, dass ich mir als Kontra-Reaktion danach erstmal einen 4000€-Teuren PC kaufen musste... dann weiß ich wenigstens, wofür ich geschuftet habe! :D :lol: :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Zimtziege!

Richtig, man kann einen Menschen nicht in eine einzige Schublade stecken... hey, dass geht ja echt nicht :D:D:D ! (das wahr der Komiker meines inneren Teams ;))
 
Gelöscht

Hi,
ich war zu voreilig mit meiner Antwort.
Jetzt erst habe ich Deinen link gelesen.
Ich finde, daß das Verhalten Barenboims o.k. ist.
Den Wagner-Kult bei uns finde ich sehr fragwürdig, aus denselben Gründen wie im Artikel geschildert. Grenzt für mich an
Geschmacklosigkeit, diesen Mann immer noch als staatstragenden Musiker zu präsentiern.
Allerdings hätte ich auch ein Problem, wenn er nicht mehr aufgeführt würde AUFGRund seines Antisemitismus.
Das wäre so. als dürfe ein Katholik keinen Goethe lesen, weil der
jahrzehntelang in wilder Ehe lebte und dies nicht konform ist mit der herrschenden Doktrin.
ich glaube, große Kunst ist immer dann möglich, wenn das hervorbringende Individuum eine komplexe, spannungsreiche Persönlichkeit ist - Bravheit und Weltgeltung: wie sollte das gehen??
Zimtziege
 
Nach allem, was man mir bisher so über Wagner sagte (selber recherchiert habe ich da nicht, aber ich vertraue meinem alten Geschichtslehrer in solchen Fragen ;)), halte ich ihn für einen politisch recht opportunistischen Menschen, der seine Meinung gerne - vielleicht ohne es bewußt zu merken - nach der Meinung anderer ausrichtete. Speziell in jungen Jahren ist dieser Typ Mensch, von dem ich auch einige zeitgenössische Exemplare kenne, sehr empfänglich für die Ideen dominanter, charismatischer Persönlichkeiten aus seinem Umfeld. Sollte Richard Wagner einer dieser Menschen gewesen sein, es würde vieles erklären, einiges sogar entschuldigen.
Ich bin jedenfalls fest überzeugt, daß ein guter Mensch sehr viel Schlechtes denken und tun kann, wenn er sich zu sehr von Vorurteilen und Geboten leiten läßt. Man darf nicht vergessen, daß Wagner in einem latent antisemitischen Umfeld lebte. Auch das erklärt einiges, wirklich entschuldigen kann es Wagner nur insofern, daß es seine Schuld umdeutet und ein wenig entschärft.

Wie Frank denke ich aber auch, daß Wagners Musik getrennt betrachtet werden sollte, und zwar als geniale Großleistung. Was das Andenken des Menschen Wagner angeht, so betrachte zumindest ich ihn als genug gestraft mit der Vereinnahmung durch das NS-Regime. Natürlich sollte man dadurch nicht den kritischen Blick auf sein Leben verlieren, aber ihn posthum an den Pranger zu stellen, macht wohl auch keinen Sinn.
 
INformationsbedarf

Könnt Ihr mir bitte beschreiben, wieso Wagners Musik eine
geniale Großleistung ist?
Ich meine vom fachlichen her gesehen, die Themen und Stimmführungen lassen sich ja nicht beschreiben.
Mir fehlt leider völlig der objektive Zugang.
Danke.
Zimtziege
 
Um das hier zu erklären könnte ich stundenlang schreiben.
Aber dazu habe ich keine Lust,--- versteht ihr sicherlich. ;)

Nur mal ein Stichpunkt aus der wagnerischen Musik:

Richard Wagner erfand das heute in der Musik gar nicht mehr wegzudenkende "Leitmotiv" und war damit seiner Zeit voraus.

Komponisten wie Wagners Zeitgenosse Bedrich Smetana und insbesondere dessen Schüler Antonin Dvorak, dessen Symphonie Nr.9 e-moll Op.95 "Aus der neuen Welt" ja weltberühmt ist, haben sich das Leitmotiv gleich zueigen gemacht.

Auch damals war schon ein reger Verkehr zwischen den großen Komponisten und so ist es auch kein Wunder, dass Richard Wagner, Bedrich Smetana und Pyotr Ilyich Tchaikovsky sich zur selben Zeit mit den selben stilistischen Themen in der Musik befassten.

Das Genie Wagner jedoch stach immer insbesondere hervor, da er neue Stile (die mehr oder weniger erfolgreich waren/sind) erfand.

Um einen Eindruck von der Genialität des wagnerischen Könnens zu bekommen, empfehle ich jedem wenigstens einmal intensiv den Ring des Nibelungen zu hören. Wer ein wenig musikalisches Verständnis (angeboren oder erlernt) hat, wird nach 14 Stunden (so lang ist die Oper) dieses tragische Epos bewundern.

Wagner macht die Leitmotive an Personen fest und stilisiert dieses dann nochmals genauer, indem er auch die Emotionen der Person in das Leitmotiv mit einbettet.

Mein Lieblings-Leitmotiv ist das des Wotan.

Natürlich ist so ein Leitmotiv von der musikalischen Komplexität nicht zu vergleichen mit Werken Orchesterwerken von Beethoven (z.B. Symphonie Nr.9 molto vivace oder die weltberühmte Symphonie Nr.5). Aber Werke von Beethoven und Co. bieten wiederum nicht dieses Spektrum an neuen Motiven in der Musik.

Wie gesagt: ich bin absolut faszinierend von der Musik Wagners.
Es ist nur schade, dass man selten noch eine Aufnahme findet, in der vom Dirigenten nicht improvisiert wird. Ich halte nämlich die reine wagnerische Urform immer noch für die beste, auch wenn sie schwer verdaulich ist.

Übrigens:
Wenn man Wagner hört sollte man nicht wie ich mit dem schwersten Stück anfangen (Ring des Nibelungen). Nein ich empfehle zuerst den "Fliegenden Holländer" zu hören und dann den "Tannhäuser" um danach die "Meistersinger von Nürnberg" zu hören, wobe letzteres Stück sehr oft verhunzt wurde... leider.

Ich hoffe, ich konnte von meiner Faszination etwas rüberbringen

Gruß
Frank
 
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