Grafikkarten mit 450+ W TDP: Testreihen zur Temperatur der Grafikkarte

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Update 2 Wolfgang Andermahr
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Ein allgemeiner Blick ist nötig

Die Gesamtbetrachtung der Auswirkungen einer 450-Watt-Grafikkarte auf ein Gehäuse ist gar nicht so einfach. Den „einen Messwert“ gibt es gar nicht, stattdessen müssen mehrere Parameter nacheinander betrachtet, bewertet und schlussendlich zu einem einzigen Fazit zusammengefasst werden. Einzig und allein auf die Grafikkarten-Temperatur zu achten, wäre wenig aussagekräftig. Sie kann niedrig sein, während die Lüfterdrehzahlen und damit die Lautstärke aus den Fugen geraten. Die Temperatur allein ist also ein genauso ungeeigneter Indikator wie ein anderer einzelner Messwert.

Stattdessen müssen die Messungen zur Temperatur, Lüfterdrehzahl, Lautstärkeentwicklung und Taktrate nacheinander betrachtet und dann miteinander verglichen werden – das ergibt dann das Gesamtbild über die Kühleigenschaften eines Gehäuses und ob es Probleme mit einer 450-Watt-Grafikkarte gibt.

Die Temperaturentwicklung im Detail

Egal ob Edge- oder Hotspot-Temperatur der Asus GeForce RTX 3090 Ti TUF OC, ob DDRX6- oder die Temperatur auf der Kartenrückseite: Es zeichnet sich über alle 60-minütigen Messreihen ein einheitliches Bild zwischen den Gehäusen ab. Teilweise sind die Unterschiede allerdings groß.

Zumindest in Sachen Temperaturentwicklung ist die GeForce RTX 3090 Ti definitiv zu viel für das be quiet! Silent Base 802 mit niedrigen Lüfterdrehzahlen. Denn die Edge-Temperatur der Grafikkarte nähert sich der 89-°C-Grenze an und wie die Messungen weiter unten zeigen, agiert der Beschleuniger damit im Temperatur-Limit, sodass der GPU-Takt reduziert wird. Die Hotspot-Temperatur erreicht ebenso hohe 97 °C und der GDDR6X-Speicher liegt mit 98 °C im kritischen Bereich.

Alle anderen Gehäuse beziehungsweise Konfigurationen schneiden besser ab. Doch auch das Silent Base 802 kann mehr, dazu muss aber die Lüfterdrehzahl erhöht werden. Mit 900 Umdrehungen sinkt die Edge-Temperatur deutlich auf 82 °C ab und auch die anderen Messwerte bleiben hoch, gehen aber in einen sicheren Bereich zurück.

Temperaturentwicklung
Temperaturentwicklung – GPU-Edge
5060708090°C 15001.0001.5002.0002.5003.0003.500Sekunden

Trotz der Besserung deutet sich an, dass das Silent Base 802 mit den 450 Watt der GeForce RTX 3090 überfordert ist. Denn wer beim selben Gehäuse von der werkseitig montierten Silent-Konfiguration auf das Mesh-Top und die Mesh-Front wechselt, reduziert die Temperaturen noch einmal deutlich – und zwar bereits mit 600 Umdrehungen bei den Gehäuselüftern gegenüber 1.200 Umdrehungen.

Mit Mesh wird es deutlich besser

So sinkt die Edge-Temperatur in der Mesh-Konfiguration von 81 °C (1.200 rpm) auf 79 °C (600 rpm) ab, ohne Mesh liegt sie 8 °C höher. Die Hotspot-Temperatur reduziert sich von 90 auf 88 °C und der GDDR6X-Speicher wird in beiden Konfigurationen 88 °C warm. Dass die Temperaturen in der Mesh-Konfiguration trotz deutlich geringerer Drehzahlen bei den Gehäuselüftern besser ist, verdeutlicht, dass das Gehäuse in der auf einen Silent-Betrieb getrimmten Werkskonfiguration für das Einsatzszenario überfordert ist.

Apropos überfordert: Das gilt auch für das Phanteks Enthoo Evolv X. Mit 600 Umdrehungen bei den Gehäuselüftern schneidet das Gehäuse aber zumindest klar besser als das be quiet! Silent Base 802 ab. Wärmer als 85 °C wird die Edge-Temperatur zum Beispiel nicht. Höhere Lüfterdrehzahlen bringen dann nochmal bessere Temperaturen, offenbar kann das Enthoo Evolv X mit dem höheren Luftdruck aber weniger anfangen als das Silent Base 2. Das Gehäuse liegt dann ungefähr auf dem Niveau des be-quiet!-Exemplars, womit die Temperaturreduzierung deutlich geringer ist. Und damit gilt auch für das Enthoo Evolv X, dass das Gehäuse mit hohen Lüfterdrehzahlen die Grafikkarte schlechter kühlt als das Silent Base 802 in der Mesh-Konfiguration mit niedrigen Drehzahlen.

Das FD Torrent dreht Kreise um die Konkurrenz

So weit sieht also eigentlich alles gut für das Silent Base 2 mitsamt Mesh aus, doch zeigen die Messwerte des Fractal Design Torrent, dass auch das be-quiet!-Gehäuse mit den 450 Watt gut zu kämpfen hat. Denn das Torrent dreht dann selbst mit der niedrigsten Lüfterdrehzahl regelrechte Kreise um die Konkurrenz. Und zwar immer und überall.

Mit der niedrigsten Gehäuselüfterdrehzahl liegt die Edge-Temperatur der Asus GeForce RTX 3090 Ti TUF OC im Fractal Design Torrent bei nur 75 °C, mit höheren Drehzahlen sind bis zu 72 °C drin. Das Silent Base 802 mit Mesh und niedrigen Drehzahlen kommt dort lediglich auf 80 °C und selbst mit hoher Drehzahl geht es nur auf 77 °C herunter.

Die Hotspot-Temperatur ist im Torrent mit 84 °C ebenso am niedrigsten, dort schlägt das Gehäuse selbst mit minimaler Drehzahl erneut den besten Konkurrenten mit maximalen Touren. Und dasselbe gilt nochmal beim GDDR6X-Speicher, der im Torrent je nach Drehzahl bei maximal 80 bis 84 °C liegt.

Nur das Torrent ist bei minimaler Drehzahl stabil

Nicht erkennbar an den Messwerten ist, dass abgesehen vom Fractal Design Torrent alle anderen Gehäuse mit minimaler Gehäuselüfterdrehzahl schlussendlich nicht stabil laufen. Sowohl beim be quiet! 802 in der Silent- und der Mesh-Konfiguration als auch beim Phanteks Enthoo Evolv X schließt sich bei nur 600 Umdrehungen Doom Eternal nach spätestens einer Stunde und 15 Minuten, teils aber sogar schon nach 30 Minuten reproduzierbar bei hoher GPU-Last selbst ab. Da dies bei höheren Drehzahlen der Gehäuselüfter nicht mehr passiert, liegt mit großer Sicherheit ein Temperaturproblem vor – auch wenn unklar ist, welche Komponente genau dafür verantwortlich ist. Beim Fractal Design Torrent läuft der Rechner dagegen anstandslos weiter. Hier gibt es das Problem entsprechend nicht.