Crucial MX200 und BX100 im Test: Sechs ungleiche SSDs im Schatten der MX100

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Michael Günsch
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Dynamic Write Acceleration

Funktionsweise

Im vergangenen September führte Micron mit der OEM-SSD M600 mit Dynamic Write Acceleration (dynamische Schreibbeschleunigung) einen dynamischen Schreibcache ein. Ein Teil des MLC-NAND-Flash wird dabei im SLC-Modus mit nur einem statt zwei Bit pro Speicherzelle beschrieben, was schneller vonstatten geht und somit die Leistung erhöht. Nachträglich werden die auf diese Weise zwischengespeicherten Daten in Leerlaufphasen erneut auf herkömmliche Weise mit 2 Bit pro Speicherzelle gesichert.

Während Samsung mit TurboWrite und SanDisk mit nCache die Größe eines solchen Pseudo-SLC-Caches auf wenige Gigabyte statisch festlegen, geht Micron ähnlich wie Toshiba mit Adaptive Size SLC Write einen anderen Weg: Die Größe des SLC-Cache wird in Abhängigkeit vom Füllstand des Laufwerks dynamisch angepasst. Steht viel ungenutzter Speicherplatz zur Verfügung, beträgt die Größe somit ein Vielfaches jener Lösungen von Samsung und SanDisk, was Micron entsprechend bewirbt.

Im Grunde lässt sich Microns Ansatz kaum noch als Cache beschreiben, denn nicht nur ein Teil, sondern der gesamte NAND-Flash kann je nach Bedingungen entweder im schnellen SLC-Modus oder im langsameren MLC-Modus mit hoher Datendichte angesprochen werden. Die Größe der gespeicherten Daten bestimmt dabei den SLC-Anteil, der mit steigender Befüllung abnimmt.

Microns Dynamic Write Acceleration vs. Konkurrenz
Microns Dynamic Write Acceleration vs. Konkurrenz (Bild: Micron)

Gerade bei SSDs mit wenig NAND-Flash, auf denen der Controller mangels Parallelisierung nicht sein volles Potenzial entfalten kann, bietet ein Pseudo-SLC-Cache Vorteile, sofern die zu schreibenden Daten in den Zwischenspeicher passen. Ist dies der Fall, erreichen auch Modelle mit 120 oder 250 GByte ähnliche Schreibraten wie ihre großen Geschwister. Eine Alternative ist der Einsatz von kleineren Die-Kapazitäten, um deren Anzahl bei gleicher Gesamtkapazität zu erhöhen. So werden bei manchen SSDs der gehobenen Klasse Dies mit 64 statt der inzwischen gängigen 128 Gigabit eingesetzt – die somit verdoppelte Zahl an NAND-Flash-Dies steigert die Parallelisierung und somit die Auslastung von Controller und Speicherkanälen. Doch immer mehr Hersteller bevorzugen inzwischen einen Pseudo-SLC-Cache, zumal 64-Gigabit-Chips fortlaufend seltener gefertigt werden und in Relation zur Datendichte auch teurer sind.

DWA-Technik nicht bei allen Modellen
DWA-Technik nicht bei allen Modellen (Bild: Micron)

Auch die neue MX200-Serie macht von der Dynamic Write Acceleration (DWA) Gebrauch. Auf Nachfrage erklärte der Hersteller, dass die Technik grundlegend von der M600 stamme und sich die Implementierungen „sehr ähneln“ würden. Allerdings kommt DWA nur bei dem kleinsten 2,5-Zoll-Modell mit 250 GB zum Einsatz – die großen benötigen den „Schreibbeschleuniger“ nicht.

Anders sieht es bei den Varianten der Formate M.2 und mSATA aus: Hier kommt DWA auch beim 500-GB-Modell zum Einsatz. Der Grund ist die durch DWA reduzierte Leistungsaufnahme und analog geringere Abwärme. Im SLC-Modus wird für die gleiche Menge zu schreibender Daten weniger Energie benötigt als im MLC-Modus. Bei den sehr kompakten Steckmodulen und im Mobilsegment spielen diese Kriterien eine besondere Rolle, weswegen DWA hier bei allen Modellen genutzt wird.

Schwachstelle: Dauertransfers

Damit DWA effektiv Vorteile bietet, müssen zwischen Dateitransfers Ruhepausen liegen, damit die im SLC-Modus zwischengespeicherten Daten final im MLC-Modus gesichert werden können. Herrscht jedoch eine kontinuierliche sequenzielle Schreiblast mit hohen Datenmengen vor, schlägt der Vorteil in einen Nachteil um. In einer Grafik veranschaulicht Micron ein solches Szenario des „Sustained Sequential Write Traffic“ anhand einer vollständigen Befüllung einer M600 mit 128 GB.

Verlauf der Schreibrate nach Füllstand (M600 128 GB)
Verlauf der Schreibrate nach Füllstand (M600 128 GB) (Bild: Micron)

Sind 59 GB und somit 46 Prozent der Nutzkapazität beschrieben, fällt die zuvor durch den SLC-Modus auf über 400 MB/s beschleunigte Schreibrate (Abschnitt 1) anschließend auf unter 200 MB/s (Abschnitt 2) zurück. Ab dieser Schwelle wird wieder im MLC-Modus geschrieben, um dem schwindenden Speicherplatz entgegen zu wirken – SLC benötigt schließlich doppelt so viel Speicherzellen. Ab 74 GB oder 58 Prozent der Kapazität ist der Zeitpunkt erreicht, von dem an die im SLC-Modus gesicherten Daten in den MLC-Modus umgewandelt werden müssen. Da der Host in diesem Szenario parallel noch neue Daten schreibt, kommt es zu einem Leistungseinbruch, der die Transferrate auf deutlich unter 100 MB/s (Abschnitt 3) fallen lässt. Wird das Laufwerk, ohne freien Speicherplatz zu schaffen, erneut beschrieben, könnte DWA nicht zum Einsatz kommen und die Leistung würde alternierend jener der Abschnitte 2 und 3 entsprechen. Eine SSD mit gleicher Technik aber ohne DWA würde wiederum konstant die Leistung des Abschnitts 2 bieten.

Eine andauernde sequenzielle Schreiblast ohne Ruhepausen ist allerdings kein typisches Szenario für Privatnutzer. Die MX200- wie auch die M600-Serie ist aber für das Verbrauchersegment mit typischer Weise kurzfristiger Schreiblast und vielen Ruhephasen konzipiert, wo DWA seinen Vorteil ausspielen kann, so lange genügend freier Speicherplatz vorhanden ist.

DWA und Haltbarkeit

Wie bei allen SLC-Cache-Lösungen führt das mehrmalige Schreiben der Daten – erst als SLC, dann als MLC – zu einem höheren Faktor der sogenannten Write Amplification, die die Differenz zwischen vom Host auf die SSD geschriebenen und intern auf den NAND-Flash geschriebenen Daten beschreibt. Im SLC-Modus geschriebene Daten, die nicht zwischenzeitlich überschrieben wurden, müssen erneut im MLC-Modus geschrieben werden, was einen Write Amplification Factor (WAF) von zwei bedeutet. Bei vor der Migration hinfällig gewordenen Daten, oder Daten, die aufgrund gewisser Umstände (wenig freier Speicher oder Dauerlast) direkt im MLC-Modus geschrieben werden, beträgt der Faktor hingegen null.

Der durch DWA höheren Write Amplification begegnet Micron mit „proprietären NAND trims“ wodurch die Haltbarkeit des Flash-Speicher um 50 Prozent höher liegen soll, als bei SSDs ohne DWA. Was sich genau hinter dieser im offiziellen Whitepaper (PDF) beschriebenen Maßnahme verbirgt, wollte der Hersteller auch auf Nachfrage nicht preisgeben.

we compensate for the potential of slightly elevated WAF by using proprietary NAND trims to optimize for 50% more NAND endurance than SSDs that do not feature dynamic write acceleration

Micron

Das Szenario der Dauerschreiblast lässt sich mit dem Benchmark HD Tach gut abbilden, der im umfangreichsten Test sämtliche Datenblöcke (LBAs) der SSD in einem Zug beschreibt und die Entwicklung der Schreib- wie Leserate in einem Graphen veranschaulicht. Somit wird die Auswirkung der Dynamic Write Acceleration bei der MX200 mit 250 GB sichtbar – der Verlauf entspricht dem von Micron bei der M600 gezeigten Schema. Die anderen Testprobanden verfügen nicht über DWA, was die kontinuierliche Schreibrate bestätigt. Wird die SSD in einem Zug komplett beschrieben, erweist sich die BX100 mit 250 GB im Schnitt schneller als die MX200 gleicher Größe.