The Division Beta: Zwischen MMO‑Hoffnung und grauer Maus

Max Doll
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The Division Beta: Zwischen MMO‑Hoffnung und grauer Maus

Haupttteil

The Division wird in zahlreichen Vorabberichten als Mehrspieler- und MMO-Hit des Jahres 2016 gehandelt. Die quasi offene Betaphase deutet das Potenzial des Shooters zwar an, lässt aber trotz eines vorsichtig positiven Eindrucks noch Fragen offen.

Im PvE eine graue Maus

Der Einzelspieler-Part von The Division befasst sich mit dem Versuch einer autonom agierenden Spezialeinheit, den Zerfall der USA nach einem Biowaffenangriff in einer völlig verheerten Version von New York zu verhindern. Gespielt werden darf in der Beta lediglich die wahrscheinlich erste Mission der Kampagne, die in das Hauptquartier der Regierungssoldaten einführt. Gezeigt wird am Beispiel der Krankenstation, wie sich verschiedene Sektionen des Stützpunktes in der verwüsteten Stadt mit Rohstoffen ausbauen lassen. Dazu muss zunächst ein Arzt aus den Klauen einer Gang in einem Krankenhaus befreit werden.

Von dem hübsch in Szene gesetzten Level und der aggressiv flankierenden KI einmal ausgenommen, zeigt Ubisoft eine sehr konservativ geschnittene Mission, die kaum als Aushängeschild taugt. Mehrere Areale mit aufeinanderfolgenden Wellen von Kombattanten mit dem klassischen Gameplay eines Deckungs-Shooters bis schließlich zu einem Boss zu durchstehen, ist solide, mehr aber auch nicht. Durch eine stark eingeschränkte Auswahl an Fertigkeiten sowie durch den Entfall von Perks und Talenten lässt sich aber noch kein Urteil über den Unterhaltungsfaktor abgeben. Zumindest im kooperativen Gruppenspiel hat The Division durch seine Rollenspielmechaniken eine Menge Potenzial, zumal das Modifizieren von Statuswerten wie Lebensenergie, Waffen- und Fertigkeitsschaden durch Ausrüstungsgegenstände eine Menge Spielraum für eine spezifische Rollenverteilung in den taktisch angehauchten Gefechten ergibt.

Basisbau, Crafting und die Suche nach stärkeren oder seltenen Waffen werden allerdings in klassischem Grind münden. Die Nebenaufgaben, vor allem aber „Begegnungen“, die als Einnahmequelle für Rohstoffe dienen, erscheinen als eine Menge generische Lauf- und Schießarbeit nach kaum verhülltem Schema F und sind in der Beta mehr lästige Pflicht als Unterhaltungsfaktor. Das Dargebotene verfehlt aktuell außerdem, das hervorragend präsentierte, verlassene New York auch inhaltlich in Szene zu setzen; über hübsche Bilder kommt der Ausschnitt aus dem Spiel nicht heraus, die Geschehnisse und Dramatik eines Biowaffenangriffs bleiben im Dunkeln – es sei denn, es werden die unvermeidlichen Audiologs berücksichtigt. Diese narrative Dimension wirkt allerdings aufgesetzt – letztlich bleibt die Welt zu kulissenhaft. Das, was Ubisoft letztlich zeigt, scheint mehr das Standardrepertoire eines MMORPGs zu sein: Der Einzelspielerteil ist eine graue Maus.

Die „Dark Zone“ ist in Gruppen spannend

Als Zeitkiller empfiehlt sich hingegen die „Dark Zone“. In diesen von der Einzelspielerwelt getrennten, großflächigen Arealen mischt Ubisoft Destiny und das aktuell populäre Survival-Sandbox-Genre. Hier durchstreift eine größere Anzahl von Spielern die instanziierte Welt und wird sanft dazu animiert, in wechselseitigen Allianzen zu interagieren: Ausgenommen Mitglieder des eigenen Trupps, können alle anderen Agenten jederzeit ins Jenseits befördert werden.

Um Konflikte zwischen Gruppen zu motivieren, befinden sich auch besonders starke Gangs sowie die beste Beute des Spiels in den Dunkelzonen, die allerdings kontaminiert ist und deshalb per Hubschrauber nach einer gewissen Wartezeit extrahiert werden muss – ansonsten können sie nach dem Ableben von jedem anderen Spieler geplündert werden. Vor allem an den Extraktionspunkten treffen naturgemäß immer wieder Gruppen aufeinander, die von einem Countdown, der das Eintreffen des Helikopters ankündigt, angelockt werden – entweder, um Beute zu machen oder Gegenstände in Sicherheit zu bringen, oftmals auch beides. Die Analogie zu Motte und Licht funktioniert hier ganz ausgezeichnet.

Spieler generieren die Spannung

Wer auf Kollegen schießt, erhält allerdings eine Art Fahndungsstufe und wird auf der Karte für andere Nutzer als Abtrünniger markiert. Solcherart markierte Agenten sind zur Eliminierung freigegeben, wofür je nach Schwere der Vergehen eine unterschiedlich hohe Belohnung winkt. Abhängig von der Fahndungsstufe scheint das Spiel der Instanz zudem unterschiedlich hohe Spielerzahlen zuzuweisen – so wird der Druck geschickt reguliert, während Erzschurken schnell Opfer einer Treibjagd werden. Wer sich eine Zeit lang den Verfolgungen entziehen kann, erhält ebenfalls eine Belohnung. Auch böse zu sein lohnt sich damit, wenngleich das Vorgehen beim Tod mit höherem Verlust an den für Dark Zones spezifischen Rängen und der Währung einhergeht, die für den Einsatz und Kauf besonders mächtiger Waffen benötigt werden. Egoisten müssen folglich mit einer Spur mehr Risiko leben – aber das macht gegenwärtig den Reiz der Grenzüberschreitung aus.

Das MMOG schafft so geschickt Grauzonen und dynamische Situationen. Andere Spieler werden durch die freien Allianzen zu einer „Wildcard“, Begegnungen bleiben durch Zu- und Abgang anderer Trupps unberechenbar, weil eine Koexistenz von den lokalen Kräfteverhältnissen abhängt. Zusammenarbeit ist temporär und wird von den Interessen der Spieler, also Egoismen, geleitet. Agenten, die alleine oder in starker Unterzahl ihre Beute in Sicherheit bringen möchten, werden schnell zum Opfer ihrer „Kollegen“, während sich gleich starke Gruppen zumeist nur kritisch beäugen. So lernt man schnell und schmerzhaft, eine Situation einzuschätzen und im Zweifelsfall lieber einen Bogen um größere Gruppen zu machen; auf sich alleine gestellt sind Abstecher in die Zone aber weniger unterhaltsam, weil die Opferrolle zu klar definiert ist.

Cheatern könnten Tür und Tor offenstehen

Die geschickt generierte, spielerbasierte Dynamik der Dark Zones macht in der Beta den Reiz von The Division aus und lässt die PvE-Inhalte völlig verblassen – hier weiß das Konzept zu glänzen. Dennoch stören zwei Dinge: Gegner stehen unmotiviert in den ihnen zugewiesenen Arealen herum, es fehlen Missionen oder organische Szenen als stützendes Korsett. Analog fehlen außerdem Besonderheiten und Inhalte, die eine langfristige Motivation außerhalb der Grind-Spirale und der beschriebenen Interaktionsdynamiken schaffen. Hinweise auf Endgame-Inhalte fehlen zudem noch völlig. The Division muss sich also inhaltlich noch beweisen.

Die Technik gibt in der Beta keinen Anlass zur Klage. Maßnahmen gegen Cheater scheint Ubisoft aber nicht ergriffen zu haben. Laut einem Beitrag auf Reddit werden „fast alle Statistiken“, darunter die Chance auf kritische Treffer, vom Client lokal berechnet und vom Server widerspruchsfrei akzeptiert. Eine solche Ausführung würde den Erstellern von Hacks das Leben stark vereinfachen. Als mögliche Erklärung wird ausgeführt, dass Ubisoft zum Schutz der Schutzmaßnahmen in der Beta auf übliche Anti-Cheat-Mechaniken verzichtet habe, um Hackern keinen frühzeitigen Start ihrer Arbeit zu ermöglichen. Das System lasse sich in diesem Falle mühelos implementieren und aktivieren. Der Publisher spricht hingegen von Nutzern, die lediglich „Glitches“ ausnutzen würden, an deren Behebung gearbeitet würde.

Qualität im Konjunktiv

Eine kurz vor Erscheinungstermin abgehaltene Beta und ein dank freizügiger Key-Vergabe fast freier Zugang machen aus einer Testphase immer auch eine Demo. In dieser Rolle muss der Eindruck gespalten bleiben: Das, was Ubisoft anspielen lässt, ist zunächst eine funktionierende Mischung aus Destiny und DayZ. Dass der Mix darüber hinaus Potenzial zumindest andeutet und durch Dark Zones einen einzigartig abgemischten Spielmodus anbieten kann, lässt vorsichtig für die Vollversion hoffen. Deren Qualität muss Ubisoft aber vor allem im Endgame und Einzelspieler-Part noch unter Beweis stellen. Jubelstürme sind zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht angebracht.

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