Oculus Rift CV1 im Test: Die bessere VR-Brille für Spiele im Sitzen

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Jan-Frederik Timm (+1)
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Gefühlt mehr Auflösung bei engerem Sichtfeld

Gleiche Auflösung, gleicher Eindruck? Weit gefehlt und es mit eigenen Augen erfahren zu können, ist eine echte Überraschung: Die Darstellung der Oculus Rift ist sichtbar schärfer als die der HTC Vive. Subpixel fallen weniger auf, der Fliegengittereffekt durch Abstände zwischen den Pixeln ist schwächer ausgeprägt. Texte im Cockpit von Elite: Dangerous, die auf der HTC Vive noch schwer lesbar waren, sind es mit der Oculus Rift nicht mehr. Beim Sichtfeld liegt hingegen die HTC Vive vorne.

Das Sichtfeld der Rift ist enger

Alle aktuellen VR-Brillen leiden unter dem „Taucherbrillen“-Effekt: Dadurch, dass VR-typische 3D-Wahrnehmung durch optische Verzerrung im Zusammenspiel von VR-Software, Linsen und dem dahinter platzierten Display entsteht, wird das natürliche Sichtfeld des VR-Nutzers künstlich eingeschränkt. Doch je nach VR-Brille und -Inhalt ist diese Einschränkung des natürlichen Sichtfelds mal mehr, mal weniger deutlich bemerkbar. Besonders beim Betrachten heller VR-Umgebungen fällt das gestauchte Field of View der finalen Rift sowohl in horizontaler als auch vertikaler Ebene auf. Beim starren Geradeausblick sind die Scheuklappen dabei stärker wahrnehmbar als beim Blick zu den Seiten.

Ein Foto-Vergleich, den Brandon Laatsch, Entwickler bei StressLevelZero (Hover Junkers), mit einer 180-Grad-Kamera (Modell: Theta) angefertigt hat, bestätigt den Eindruck, der sich auch bei mehreren Redakteuren innerhalb von Minuten festigte. Für die Vergleichsfotos wurde die Kameralinse mittig und direkt an die Linse der VR-Brille gehalten, was zwar nicht dem normalen Anwendungsfall von ein bis zwei Zentimetern Augenabstand zur Linse entspricht, aber zu reproduzier- und nachvollziehbaren Bildern des maximal möglichen Sichtfelds führt.

Für Brillenträger weniger ein Thema

Nahezu unberührt von den unterschiedlich großen Sichtfeldern der ersten Generation von VR-Brillen bleiben Menschen, die ohnehin auf eine Sehhilfe angewiesen sind: Durch das Abschließen des Brillenrahmens vor dem eigentlichen Ende des VR-Sichtfelds, fällt das eingeschränkte Field of View weniger auf als VR-Nutzern, die ohne Sehhilfe oder mit Kontaktlinsen spielen. Auch die periphere Unschärfe beider aktuellen VR-Brillen fällt dadurch weniger auf, da Brillenträger es ohnehin unterbewusst gewohnt sind, aus dem peripheren Sichtbereich weniger relevante Informationen zu erhalten.

Keine sichtbaren Ringe aber mehr Lensflare

Zwei weitere Unterschiede betreffen optische Störungen durch die Fresnel-Linsen an sich: Bei der Oculus sind deren konzentrische Kreise auch auf hellen Hintergründen im Gegensatz zur Vive trotz bewusstem Suchen danach nicht sichtbar, dafür tritt bei hohen Kontrasten immer wieder Lensflare auf. Aus Sicht der Redaktion wird der jeweilige Nachteil beider Brillen allerdings in vielen Berichten als zu gravierend eingestuft, in Spielen fallen sie in der Regel nicht auf.

Die Kreise der Fresnel-Linse sind feiner als bei der HTC Vive
Die Kreise der Fresnel-Linse sind feiner als bei der HTC Vive

Timewarp verschleiert zu wenig FPS

VR-Anwendungen haben einen immensen Leistungshunger: Zwei Blickfelder mit jeweils 90 Bildern pro Sekunde zu versorgen, bedeutet alle 11,1 Millisekunden ein neues Bild berechnet zu haben und bereit für die Darstellung mit Vsync zu sein. Anwendungen für VR zu optimieren, ist für Entwickler noch herausfordernder als klassische 3D-Titel: Statt alle Szenarien auf einer Ebene abzulaufen und herauszufinden, wo die Leistung einbricht, müssen VR-Entwickler dies nun für alle Level und Umgebungen auf der X-, Y- und Z-Achse tun, da VR-Nutzer jederzeit die Kontrolle über ihr Sichtfeld (die Ingame-“Kamera“) behalten und auch nutzen.

Tricks gegen Probleme bei weniger als 90 FPS

Insofern werden VR-Nutzer zwangsläufig an den Punkt kommen, an dem sie „verpassten Bildern“ begegnen: Verpasst das System den richtigen Zeitpunkt zur Darstellung, sinkt die Bildwiederholrate unter 90 FPS. In Valves Fall springt nun die „Interleaved Reprojection“-Technik an, die als letztes und grobes Sicherheitsnetz verhindern soll, dass sich verpasste Bilder anhäufen. Dies geschieht, indem der VR-Anwendung bei Bedarf bis zu 18 ms Zeit als Verschnaufpause eingeräumt werden, während sich der VR-Compositor im „Halbzeit“-Modus mit 45 Hz befindet und ab diesem Zeitpunkt jedes zweite Bild nur mit Anpassungen an die Kopfrotation dargestellt wird.

Reprojection greift demnach ausschließlich retroaktiv ein, wenn abzusehen ist, dass auch die nächsten Frames nicht das Render-target erreichen können und „drosselt“ durch das Einschieben „alter“ angepasster Bilder den Berechnungsaufwand sukzessive herunter, um weitere verpasste Bilder zu vermeiden.

Oculus Timewarp braucht aktuelle GPUs

Der von Oculus seit dem DK2 verwendete Ansatz nennt sich Asynchronous Timewarp und ist im Gegensatz zu „Interleaved Reprojection“, das nur in Extremsituationen anspringt, dauerhaft aktiv. Asynchronous Timewarp läuft parallel zur Renderpipeline für den VR-Prozess und dient als asynchroner Taktgeber: In den letzten Millisekunden vor einem Vsync-Refresh prüft der Algorithmus, ob das nächste Bild bereit ist. Ist das System aus irgendeinem Grund mit der Berechnung zu spät dran, zum Beispiel weil sich eine Anwendung im Hintergrund ein paar Millisekunden Arbeitszeit reserviert hat, entscheidet Asynchronous Timewarp, das vorherige Bild mit den aktuellsten Daten der in der VR-Brille verbauten IMU-Sensoren zu „verzerren“ und an das Display zu schicken.

Asynchronous Timewarp im Zeitverlauf
Asynchronous Timewarp im Zeitverlauf (Bild: Nathan Reed (Nvidia, GDC 2015))

Mit diesem Trick kann, zumindest über kurze Zeitstrecken, ein Abfallen der Bildwiederholrate verschleiert werden. Im Gegensatz zu Valves Methode ist Asynchronous Timewarp jedoch ausschließlich den neuesten Grafikkarten vorbehalten, da nur hier eine entsprechend genaue „Preemption“ (Vorbelegung) im Grafikscheduler möglich ist: Damit Asynchronous Timewarp funktionieren kann, muss es sich zuverlässig und immer in den letzten zwei bis drei Millisekunden vor dem VSync-Refresh mit Vorrang in die Rendering-Pipeline einhaken können, ganz egal welche anderen Prozesse bereits in der Pipeline sind.

Teils deutliche Vorteile durch ATW

Dieser technisch herausfordernde Ansatz zahlt sich aus, denn Timewarp sorgt für überraschend flüssige VR-Darstellung, selbst wenn die Framerate des jeweiligen VR-Titels deutlich unter die 90-FPS-Marke schreitet. Während Elite: Dangerous mit der HTC Vive bei einer Anhäufung von verpassten Bildern zu Unbehagen führt, ist davon mit der Oculus Rift keine Spur zu bemerken – und das obwohl die Spieleinstellungen mit der Rift absichtlich so hoch geschraubt wurden, um die Framerate in die „50 FPS“-Region zu drücken.

Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei ähnlich übertriebenen Einstellungen in Project Cars, das trotz des Einbrechens auf 40-60 Bilder pro Sekunde in der Spielengine zwar anhand optischer Artefakte verrät, dass Asynchronous Timewarp hier stark nachhilft die 90 Hz der VR-Brille zu befeuern, aber ansonsten flüssig auf den VR-Nutzer wirkt.

Es kommt auch hier auf das Spiel an

Beide Titel haben in dieser Hinsicht jedoch auch optimale Ausgangsbedingungen, da ein Großteil des Blickfelds oft ohnehin von relativ statischen Cockpit-Elementen ausgefüllt wird – der Blick des Spielers richtet sich auf die Ferne und hier ist ein Anpassen des alten Bildes auf den geringeren Abstand einfach zu bewerkstelligen. Beim Wechsel in einen Formel-Wagen fallen die Artefakte links und rechts der Farbahn dann sogleich auch deutlich auf.