HTC Vive Pro im Test: Auf dem Weg Richtung High‑End‑PC‑VR 2.0

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David Pertzborn
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Benchmarks

Die gesteigerte Auflösung der HTC Vive Pro fordert eine deutlich stärkere Grafikkarte als von der ersten Generation der VR-Headset bekannt. Während gerade für Oculus Rift im VR-Benchmark-Test schon eine Nvidia GTX 1060 oder AMD Radeon RX 580 ausreicht, braucht es schon auf der HTC Vive für Spiele wie Fallout 4 VR eine Grafikkarte vom Kaliber einer Nvidia GTX 1070. Damit ist wenig verwunderlich, dass die HTC Vive Pro nach noch mehr Leistung verlangt. Die Nachfolgenden Benchmarks sind dem Artikel Fallout 4 VR & Skyrim VR im Test: AAA-Spiele auf HTC Vive (Pro) & Oculus Rift im Benchmark entnommen worden.

Nur die GeForce GTX 1080 Ti ist schnell genug für die Vive Pro

Diagramme
Fallout 4 VR
  • HTC Vive:
    • Nvidia GeForce GTX 1080 Ti
      161
    • Nvidia GeForce GTX 1070
      98
    • AMD Radeon RX Vega 56
      72
    • Nvidia GeForce GTX 1060
      69
    • AMD Radeon RX 580
      63
  • Oculus Rift:
    • Nvidia GeForce GTX 1080 Ti
      173
    • Nvidia GeForce GTX 1070
      101
    • AMD Radeon RX Vega 56
      95
    • Nvidia GeForce GTX 1060
      70
    • AMD Radeon RX 580
      64
  • HTC Vive Pro:
    • Nvidia GeForce GTX 1080 Ti
      106
    • Nvidia GeForce GTX 1070
      67
    • AMD Radeon RX Vega 56
      63
    • Nvidia GeForce GTX 1060
      43
    • AMD Radeon RX 580
      39
Einheit: Bilder pro Sekunde (FPS)

In allen Messungen weit vorne liegt Nvidias Topmodell GeForce GTX 1080 Ti. In Fallout 4 VR liegt sie im Schnitt 64 Prozent vor der jeweils zweitschnellsten Grafikkarte. In Skyrim VR schrumpft dieser Abstand, vor allem auf der HTC Vive Pro, aber auch hier sind es durchschnittlich noch 36 Prozent Vorsprung. Absolut macht das einen fast noch größeren Unterschied: Egal welches Spiel und welches Headset genutzt wird, die GeForce GTX 1080 Ti ist die einzige Grafikkarte im Test, die zuverlässig über die magische Grenze von durchschnittlich 90 Bildern pro Sekunde kommt.

Erstmals mit AR und bald mit Tracking 2.0

Bis jetzt gab es immer eine klare Trennung zwischen Augmented und Virtual Reality. Vollwertige Virtual-Reality-Headsets wie HTC Vive (Test), Oculus Rift (Test) oder PSVR (Test) können nur VR. Auf der anderen Seite kann Microsofts HoloLens nur AR und Anwendungen wie Apples ARKit laufen nicht einmal auf Headsets.

Doch seitdem HTC die entsprechenden SDKs veröffentlicht hat, die es Entwicklern erlauben, AR-Anwendungen für die HTC Vive Pro zu schreiben, gibt es die erste eierlegende Wollmilchsau: Unter Ausnutzung der beiden Kameras auf der Vorderseite der HTC Vive Pro kann jetzt erstmals die echte Welt auf den Headsetbildschirmen dargestellt und mit virtuellen Gegenständen angereichert werden. In der HTC Vive Pro liefern die Kameras laut HTC Tiefeninformationen und können die Oberflächen der Umgebung durch ein statisches oder ein dynamisches Gitternetz approximieren.

Damit liefert HTC das, was Headsets für Windows Mixed Reality (Test) dem Namen nach schon heute bieten, trotzt ebenfalls vorhandener Kameras aber noch nicht können – hier dient die Optik nur dem autarken 6DoF-Tracking.

HTCs Vive Pro erkennt die Umgebung
HTCs Vive Pro erkennt die Umgebung (Bild: community.viveport.com)

Unter Verwendung der von der Vive Pro erhobenen Daten können virtuelle Objekte im Raum platziert werden und sich korrekt aus dem Sichtfeld schieben, wenn der direkte Blick auf sie verstellt wird. Des Weiteren ist eine grundlegende Gestensteuerung integriert.

Noch ungenau, aber schon vielversprechend

Eine erste im SDK integrierte Demo erlaubt es diese Funktionen selbst zu testen, auch wenn der Demo-Charakter für Entwickler noch deutlich zu erkennen ist. Trotz dieser Einschränkung zeigt sich aber bereits eindrucksvoll, was mit dieser Art von Technologie möglich werden könnte.

Schon das erste Aufsetzen des Headsets sorgt in der Demo für einen kurzen Moment der Überraschung. Denn statt wie üblich in eine andere Umgebung versetzt zu werden, sieht man durch die beiden Kameras weiterhin die reale Umgebung oder – besser gesagt – eine weniger hoch aufgelöste Version der realen Umgebung. Damit kann man sich plötzlich mit Headset in der realen Welt zurechtfinden, hat dabei eine funktionierende Tiefenwahrnehmung und die erwarteten Größenverhältnisse sind auch vorhanden. Störend ist nur, dass das dargestellte Bild (derzeit noch) mit einer zu niedrigen Bildwiederholungsrate läuft und damit bei Bewegungen hinterherhinkt.

Im zweiten Teil der Demo lässt sich dann ein Scan der Umgebung erstellen. Dieser legt ein Gitter über die Umgebung und speichert es zusammen mit Texturen ab. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade photorealistisch. stellt die Umgebung aber in Anbetracht des frühen Entwicklungsstadiums aber gut genug dar um eine Vorstellung davon zu erhalten, was möglich sein könnte: Entfernt lebende Freunde oder Verwandte zu einem Besuch im virtuellen eigenen Zuhause einzuladen ist keine weit entfernte Zukunftsvision mehr, sondern nur noch ein weiterer Schritt in der aktuellen Entwicklung.

Warum also nicht in Zukunft ein virtuelles Modell einer Ferienwohnung hochladen, statt zu versuchen, die Räumlichkeiten durch Fotos darzustellen, oder vor dem Möbelkauf die neue Einrichtung schon am vorgesehenen Platz testen, statt sich auf das Metermaß und die eigene Vorstellungskraft zu verlassen? Alles nur noch eine Frage der Zeit.

Wireless Adapter für drahtloses VR-Vergnügen

Ebenfalls nur noch für kurze Zeit Zukunftsmusik ist der neue Wireless Adapter, den Vive erstmals in selbst anbietet. Im Gespräch mit HTCs Graham Wheeler, Senior Director Virtual Reality, hatte der Hersteller im März bestätigt, dass die höhere Auflösung der Vive Pro in Kombination mit vier Lighthouses für Tracking 2.0 ohne Einschränkungen auf dem dann bis zu 10 × 10 Meter großen Spielfeld auch drahtlos genutzt werden kann. WiGig (802.11ad) sei prinzipiell zwar nur für die Kurzstrecke ausgelegt, die Übertragungstechnik limitiere aber selbst bei 100 qm nicht. Der Adapter soll im Sommer verfügbar sein.

Fazit

Mit der Vive Pro macht HTC die Vive in fast allen Punkten etwas besser. Doch trotz der Fortschritte in VR-Anwendungen und dem Wow-Gefühl in der Augmented-Reality-Demo bleibt die echte Begeisterung im Test aus. Der Grund: Die bessere Bildqualität, der besserer Tragekomfort und die deutlich bessere Ergonomie heben VR am High-End-PC nicht auf eine neue Stufe, sie machen das Erlebnis auf der bekannten namens „Generation 1“ nur besser.

Die neue HTC Vive Pro mit integrierten Kopfhörern
Die neue HTC Vive Pro mit integrierten Kopfhörern

Neben dem unveränderten Sichtfeld macht das die höhere Auflösung besonders deutlich: Gerade wenn es in der verwendeten Software feine Strukturen, Details oder Schrift im Allgemeinen gibt, macht sich das Mehr an Auflösung zwar sichtbar bemerkbar und die Vive sieht im Vergleich bereits schon wieder altbacken aus. Das Fliegengitter und damit eine wesentliche Einschränkung der ersten Generation der VR-Headsets bleibt aber auch bei der Vive Pro präsent.

Im Vergleich mit dem Prototyp, den Oculus als Vorschau auf die echte nächste Generation der Rift präsentiert hat, macht die Vive Pro damit auch deutlich, was die 2. Generation High-End-PC-VR bieten können muss, um das Erlebnis noch einmal auf eine ganz andere Ebene zu heben. Ein deutlich höheres Sichtfeld und nochmals deutlich mehr Pixel (im direkten Sichtfeld) werden hier eine wesentliche Rolle spielen. Ein perfektes autarkes 6DoF-Inside-Out-Tracking und die drahtlose Übertragung der Daten vom PC könnten weitere Bausteine sein.

Derart in der 1. Generation der VR-Headets eingeordnet, sind die Kosten für die Vive Pro von vielen Interessenten direkt mit denen der anderen Headsets zu vergleichen. Und sie sind nicht zu verachten. Eine Mittelklassen-Grafikkarte, die die Oculus Rift problemlos mit Bildern beliefert, und das Headset der Konkurrenz kosten zusammen gerade so viel wie eine GTX 1080 Ti, die nötig ist, um HTCs Vive Pro in AAA-Titeln zu befeuern – und dabei ist die Grafikkarte mit rund 750 Euro noch nicht einmal der größte Kostenpunkt.

Das Fazit für private Enthusiasten ist damit klar: Rift und Vive sind die besseren Alternativen. Sie liefern zwar den bekannten Standard der 1. Generation und nicht dessen bessere Aufbaustufe, der Aufpreis der Vive Pro ist deren Mehrwert aber nicht wert. Wer es sich leisten kann und will, erhält mit der HTC Vive Pro das aktuell beste VR-Erlebnis. Aber der Unterschied ist nie so groß, dass die grundlegende Faszination an der virtuellen Welt nicht auch schon mit den erschwinglichen Alternativen auftritt.

Für Pros kann das Tracking kaufentscheidend sein

Anders sieht das bei professionellen Anwendern aus, die mit VR Arcade-Spielhallen füllen, virtuelle Schulungen veranstalten oder im Team Entwicklungen am virtuellen Objekt vornehmen wollen. Hier bietet die Vive Pro mit SteamVR Tracking 2.0 vollkommen neue Möglichkeiten.

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