Gesundheits­minister Spahn: Corona-Tracing-App startet in der kommenden Woche

Andreas Frischholz
100 Kommentare
Gesundheits­minister Spahn: Corona-Tracing-App startet in der kommenden Woche
Bild: GitHub

Monate dauerte die Entwicklung, nun soll die Tracing-App aber bald fertig sein. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigt im Interview mit der Rheinischen Post an, dass die App in der kommenden Woche starten soll.

Datenschutz und Energieeffizienz

Die längere Entwicklungsdauer erklärt Spahn mit den hohen Anforderungen an die App. Diese soll auf allen Endgeräten funktionieren und müsse zudem strenge Vorgaben bei Datenschutz, Datensicherheit sowie Energieeffizienz vorweisen. „Eine App, die in wenigen Stunden den Akku des Handys leerzieht, nutzt keiner“, so Spahn.

Verzögert hatte sich die App aber auch durch den Ansatz- und Entwicklerwechsel. Ursprünglich wollte die Bundesregierung die Variante von Pepp-PT nutzen, die bereits kurz nach Ostern kommen sollte. Bei dieser Version wären die mittels Bluetooth-Beacon erfassten Kontakte auf einem zentralen Server ausgewertet worden. Nach massiver Kritik von Datenschützern, Bürgerrechtlern und IT-Sicherheitsexperten folgte der Wechsel auf einen dezentralen Ansatz, bei dem der Abgleich der Daten auf dem Handy der Nutzer erfolgt.

Die Entwicklung übernahmen die Deutsche Telekom und SAP, die mittlerweile auch den Quellcode vollständig auf GitHub veröffentlicht haben. Die App nutzt die Schnittstellen von Apple und Google, die die Konzerne ebenfalls in den letzten Wochen bereitstellten.

Werbekampagne geplant

Zusammen mit dem Start soll es eine breit angelegte Kampagne geben, um die App zu bewerben. „Wenn wir in den kommenden Wochen einige Millionen Bürger von der App überzeugen, dann bin ich schon zufrieden“, sagte Spahn in der Rheinischen Post. Damit bremst er aber auch die Erwartungen.

Das Ziel ist wie gehabt: Die App soll es den Gesundheitsämtern erleichtern, die Kontakte von Covid-19-Infizierten zu ermitteln. Bis dato hieß es stets, dass rund 60 Prozent der Bevölkerung die App nutzen sollten, damit das Konzept flächendeckend funktioniert. Ob das gelingt, bleibt aber zweifelhaft. In Frankreich haben kurz nach dem Start zwar schon mehr als 1 Million Personen die französische App „StopCovid“ heruntergeladen – das reicht aber nicht aus. Im Fall von Deutschland müssten es für eine Quote von 60 Prozent etwa rund 50 Millionen Nutzer sein.

Dementsprechend zurückhaltend ist nun auch Spahn: „Die App ist kein Allheilmittel. Sie ist aber ein weiteres, wichtiges Werkzeug, um die Infektionszahlen niedrig zu halten.“ Es sei eine Hilfe, um Kontakte von Infizierten schnell zu „informieren und zum Testen einzuladen“. Und je mehr Personen getestet werden, desto besser sei das.

Viele Labore nur über Hotline angebunden

Was den Start aber erschwert, sind die digitalen Defizite im Gesundheitssystem. Wie der Spiegel am Wochenende berichtete, ist die Infrastruktur zum Übertragen der Daten in vielen Test-Laboren nicht sicher genug. Eigentlich sollen mit Covid-19 infizierte Personen sich selbst über die App melden können, indem sie einen QR-Code einscannen. Mit der aktuellen Hardware in den entsprechenden Laboren sei die Datensicherheit aber nicht ausreichend gewährleistet. Die benötigen erst neue Server – und die Beschaffung dauere noch Wochen bis Monate.

Als vorübergehende Lösung planen das Robert Koch-Institut (RKI) und das Bundesgesundheitsministerium daher eine Hotline, bei der sich infizierte Nutzer verifizieren können. Die könnten dann auch Nutzer anrufen, wenn es Probleme gibt – also etwa der QR-Code nicht lesbar ist oder verloren wurde. Um einen Missbrauch der App-Warnfunktion zu verhindern, sollen die Hotline-Mitarbeiter entsprechend geschult werden und Testfragen stellen.

Datenschützer sind davon wenig begeistert. Anke Domscheit-Berg, Bundestagsabgeordnete der Linken, hält das Hotline-Verfahren für einen „neuralgischen Punkt“. Das sei „missbrauchsanfällig“ und gefährde die im Konzept verankerte Anonymität. Ähnlich bewertet es der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. „Plausibel“ wären die Gründe für das Einrichten einer Hotline, sagte er im Spiegel. Allerdings: „Es ist klar, dass der Weg über die Hotline nicht mit einer vollständig pseudonymen Nutzung der App über das automatisierte Verfahren mithalten kann.

Auf mögliche Datenschutz-Probleme bei dem Hotline-Verfahren wurde die Bundesregierung bereits hingewiesen. Außerdem will es die Behörde auch nach dem Start regelmäßig prüfen.