Project Titan: Das Apple-Auto steht vor weiteren Herausforderungen

Nicolas La Rocco
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Project Titan: Das Apple-Auto steht vor weiteren Herausforderungen
Bild: Apple

Apple soll die Pläne für ein eigenes vollständig autonom fahrendes Auto zurückgefahren und den Launch um ein Jahr auf 2026 verschoben haben, berichtet Bloomberg unter Berufung auf mit dem Projekt vertraute Personen. Stattdessen soll wie bei den Mitbewerbern nur auf der Autobahn das Fahren ohne Hände am Lenkrad möglich sein.

Das seit mehreren Jahren immer wieder von Rückschlägen betroffene Project Titan, wie das Auto-Projekt intern genannt wird, erfährt mit der Neuausrichtung abermals einen Dämpfer. Ursprünglich habe Apple ein vollständig autonomes Level-5-Auto anvisiert, das nicht mal mehr mit Lenkrad oder Pedalerie ausgestattet gewesen wäre. Die aktuellen Pläne sehen hingegen ein Auto vor, das autonomes Fahren lediglich auf der Autobahn beherrscht und ein klassisches Cockpit mit Fahrersitz, Lenkrad und Pedalen bieten soll, berichtet Bloomberg. Damit würde Apple ein Fahrzeug mit Assistenzsystemen bis Level 3 auf den Markt bringen, wie sie teils auch bei den Mitbewerbern angeboten werden.

Autonomes Fahren auf der Autobahn

Apple wird damit auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und mit den gleichen technischen Herausforderungen konfrontiert, die auch alteingesessene Automobilhersteller zu meistern haben. Der Konzern soll aber daran festhalten, dem Fahrer nach der Übergabe der Fahraufgabe an das Auto anderweitige Beschäftigungen zu ermöglichen, etwa Filme oder Spiele. Innerhalb einer Frist müsste der Fahrer wieder das Steuer übernehmen, etwa beim Verlassen der Autobahn oder bei schwierigen Wetterbedingungen. Das Feature soll zuerst in Nordamerika angeboten, sukzessive verbessert und in weiteren Regionen ausgerollt werden. Apple soll auch eigene Autoversicherungen anbieten.

CarPlay in iOS 16
CarPlay in iOS 16 (Bild: Apple)

Chip mit vierfacher M1-Ultra-Leistung

Für das autonome Fahren soll ein eigenes entwickelter Computer mit dem Codenamen Denali verantwortlich sein, der den Datenfluss mehrerer Sensortypen wie Kameras, Radar und Lidar verarbeitet. Die Rechenleistung soll sich auf dem Niveau von vier der aktuell schnellsten Mac-Prozessoren M1 Ultra bewegen. Der Chip befinde sich in fortgeschrittener Entwicklung und sei annähernd für die Produktion bereit, berichtet Bloomberg, aus Kostengründen könnte die Rechenleistung vor dem Marktstart aber nach unten angepasst werden. In der Cloud sollen weitere Berechnungen stattfinden, wofür Apple auf Amazon Web Services vertraue und 125 Millionen US-Dollar pro Jahr an Amazon zahle. Das gesamte Project Titan verschlinge rund 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr.

Kevin Lynch leitet Project Titan

Neben technischen Herausforderung sieht sich Apple immer wieder mit personellen Veränderung konfrontiert. Project Titan werde derzeit von Kevin Lynch geführt, der auch für watchOS verantwortlich ist. Nach der Übernahme des Projekts Ende 2021 soll Lynch das Team der Special Projects Group mit einem vollständig autonomen Auto bis 2025 beauftragt haben, doch diese Erwartungen hätten bislang nicht erfüllt werden können, sodass das Projekt jetzt zusammengestaucht worden sei, um überhaupt etwas liefern zu können. Ulrich Kranz, ehemals CEO von Canoo, sei für das Design des Autos verantwortlich, außerdem habe Apple Manager von Tesla, Lamborghini und Porsche abwerben können. Für Sicherheit, Erprobung und regulatorische Angelegenheiten sei eine ehemalige Führungskraft von Ford verantwortlich. Insgesamt sollen rund 1.000 Mitarbeiter verteilt über Sunnyvale, Ottawa, Zürich und Arizona an dem Projekt arbeiten. In Arizona hat Apple letztes Jahr für 125 Millionen US-Dollar ein Testgelände von Chrysler übernommen.

Preis unter 100.000 US-Dollar anvisiert

Zu den erwarteten Kosten für das Apple-Auto kursieren immer wieder unterschiedliche Angaben. Soll Apple bislang von einem Verkaufspreis oberhalb von 120.000 US-Dollar ausgegangen sein, werde derzeit ein Preis unter 100.000 US-Dollar anvisiert. Damit würde sich Apple auf dem Niveau der Basismodelle von Tesla Model S oder Mercedes‑Benz EQS bewegen, aber unterhalb eines BMW i7 oder Lucid Air bleiben.