Wie steht ihr zur eingeführten "Elektronischen Patientenakte (ePA)"?
Um hier eine gepflegte Diskussion über die ePA zustande zu bringen, versuche ich erstmal, meinen eigenen Eindruck bislang kurz wiederzugeben, gefolgt im Anschluss durch eine möglichst neutrale Auflistung von Vor- & Nachteilen.
Um ehrlich zu sein, bin ich momentan noch hin- und hergerissen, wie ich die ePA nun persönlich finden soll. Einerseits finde ich die Idee zwar gut, alle relevanten medizinischen Dokumente, die ich bislang akribisch in großen, dicken Leitz-Ordnern über die Jahrzehnte gesammelt habe, digital an einem Ort zu haben, wo man sie bei Bedarf direkt abrufen kann und ich nicht mehr bei neuen (Fach-)arztbesuchen erstmal relevante Unterlagen aus der Vergangenheit aus dem Leitz-Ordner rauskramen und dann für den neuen Arzt kopieren muss, der sie dann erstmal wieder bei sich einscannen und in meine dort angelegte Akte einpflegen muss...
Andererseits finde ich z.B. die Bedienung (zumindest bei meiner Krankenkasse (Techniker)) nicht sonderlich intuitiv. Bei mir gibt's z.B. keinerlei Option (oder ich habe es einfach noch nicht entdeckt trotz langem Suchen), hochgeladene Dokumente nur bestimmten Praxen als "sichtbar" darstellen zu lassen.
Entweder kann ich die Sichtbarkeit für alle rausnehmen (also sichtbar dann nur noch für mich selbst), oder sie sind sichtbar für alle Praxen, die ich unter "Berechtigungen" eingespeichert und die somit von mir das "OK" haben, die eingestellten Dokumente zu sehen. Schön wäre, wenn man innerhalb den nun bereits berechtigten Praxen dann nochmal auswählen könnte, wer welche Dokumente sehen darf und wer nicht, denn auch unter einer vor-selektierten Praxenauswahl sollen nicht alle direkt alles sehen können.
Mein vor-selektierter Zahnarzt, den ich freigegeben habe, braucht z.B. keine Dokumente sehen, die über Zahngesundheit und Co hinausgehen. Damit er aber die zahmedizin-relevanten Dokumente dort sehen kann, kann ich ihm nur die Berechtigung für ALLE jemals hochgeladenen Dokumente erteilen, nicht speziell nur für die hochgeladenen Zahnmedizindokumente...
Er sieht also entweder ALLES, oder nichts.
Auch scheint es so zu sein, dass man hochgeladene Dokumente nicht speziell einem bestimmten Arztbesuch zuordnen kann. Bei meiner Version der ePA von der TK werden alle hochgeladenen Dokumente per Datum chronologisch aufgelistet, aber nicht konkret einem Arztbesuch zugewiesen.
Hat man nun an einem Tag z.B. 2 Arztbesuche und davon jeweils 2 verschiedene Laborbefunde, dann wird meiner Meinung nach nicht direkt ersichtlich, welches Labordokument nun bei welchem der beiden Ärzte am selben Tag gemacht wurde. Man kann das zwar dementsprechend im Titel beschriften, aber meiner Meinung nach ist das sehr umständlich und auch nicht sehr ersichtlich. Besser wäre doch, wenn man alle relevanten Dokumente als Untergruppe einem Arztbesuch zuordnen könnte, sodass man auf einen Blick sieht, was an Tag X bei Arztbesuch Z an relevanten Dokumenten/Befunden erhoben wurde... Man klickt also auf den Arztbesuch an Tag X und dann öffnet sich ein Unterordner, wo dann alle dafür relevanten Dokumente hochgeladen sind. Aber so wird es zumindest bei mir nicht gehandhabt.
Desweiteren hat ja erst jüngst der
Chaos-Computer-Club erneut erhebliche Sicherheitsprobleme beim Thema Datenschutz festgestellt, wo ich dann mittlerweile auch nicht mehr so richtig weiß, ob es klug ist, sensible Gesundheitsdaten einer zentralen Platform zur Verfügung zu stellen...
Überwiegen nun also die Vorteile oder die Nachteile - oder läuft es womöglich auf ein Unentschieden hinaus?
ePA-Vorteile
- Patient*innen haben alle aktuellen Gesundheitsinformationen an einem digitalen Ort versammelt und können die Infos von Ärzt*innen selbst einsehen, wenn sie die zugehörige ePA-App oder Desktop-Anwendung nutzen.
- Ärzt*innen erhalten im Idealfall einen schnellen Überblick über die Gesundheitshistorie ihrer Patient*innen. Das umfasst zum Beispiel vorhergehende Befunde unterschiedlicher Ärzt*innen sowie Medikamenteneinnahmen.
- Es besteht die Hoffnung, dass durch die ePA Doppeluntersuchungen vermieden werden können, weil zum Beispiel bereits ein relativ aktueller Laborbericht vorliegt.
- Wechselwirkungen verschiedener Medikamente könnten mittels der vollständigen Medikationsübersicht gegebenenfalls besser identifiziert werden als bisher. Menschen müssen sich dafür nicht die Namen der Medikamente, die sie einnehmen, merken.
- Die Infos stehen auch in Akut-Situationen zur Verfügung, wenn man die Gesundheitskarte dabei hat, und können so zum Beispiel Notfallsanitäter*innen einen schnellen Überblick verschaffen.
ePA-Nachteile
- Man muss sich aktiv darum kümmern, wenn man nicht möchte, dass alle Gesundheitsinfos gegenüber allen Ärzt*innen, Apotheker*innen und weiteren Berufsgruppen bekannt sind. Möchte man z.B. eine HIV-Infektion oder eine psychische Erkrankung verbergen, sind immer mehrere Schritte erforderlich. Denn diese Informationen gehen nicht nur aus Dokumenten wie Befunden oder Laborberichten hervor, sondern lassen sich aus den ebenfalls verfügbaren Medikationslisten und Abrechnungsdaten herauslesen.
- Es fehlen Komfortfunktionen, um die Sichtbarkeit von Inhalten zu steuern. Verschiedene Patient*innengruppen erfahren Diskriminierung im Gesundheitswesen und haben daher ein Interesse daran, selektiv mit ihren Gesundheitsinformationen umzugehen. Darüber hinaus können Diagnosen schambehaftet sein.
- Es ist nicht ohne weiteres möglich, dass z.B. Zahnärzt*innen nur zahnärztliche Dokumente und Infos einsehen können, oder dass neu eingestellte Informationen im Standard nur für die Hausärztin sichtbar sind.
- Fehlt die Digitalkompetenz im Umgang mit der ePA, bleibt Patient*innen nur die Möglichkeit, sich an die Ombudsstellen der Krankenkassen zu richten oder eine*n Vertreter*in für die ePA zu bestimmen.
- Bei allen digitalen Angeboten kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Cyberangriffen und Datenlecks kommt. Ungeachtet aller Maßnahmen zur IT-Sicherheit: ein Restrisiko bleibt immer.