Fake News und Hassbeiträge: Ein Gesetz, vor dem praktisch jeder warnt

Andreas Frischholz
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Fake News und Hassbeiträge: Ein Gesetz, vor dem praktisch jeder warnt
Bild: TheGabeC | CC BY 2.0

Nun hat auch das Bundeskabinett den Gesetzentwurf abgesegnet, mit dem das Justizministerium die Verbreitung von Hassbeiträgen und Fake News in sozialen Netzwerken eindämmen will. Das Vorhaben ist mittlerweile aber so umstritten, Unterstützer gibt es praktisch keine mehr.

Grundsätzlich lautet das Ziel des Gesetzes: Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube sollen schneller auf Hinweise der Nutzer reagieren. Offensichtlich strafbare Inhalte müssen 24 Stunden nach einer Beschwerde entfernt oder gelöscht werden, bei den übrigen beträgt die Frist sieben Tage. Ebenso müssen sämtliche Kopien entfernt werden, die sich auf der jeweiligen Plattform befinden, heißt es in der Mitteilung der Bundesregierung. Verstößt ein Unternehmen gegen die Vorgaben, drohen Bußgelder. Fünf Millionen Euro können das für die verantwortliche Person in einem Unternehmen sein, gegen das Unternehmen selbst kann sich die Geldbuße auf bis zu 50 Millionen Euro belaufen.

Praktisch jeder warnt vor Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit

Was das Justizministerium als Vorgaben bezeichnet, um das Recht effektiver durchzusetzen, bewerten allerdings praktisch alle anderen als Risiko für die Meinungsfreiheit. Die Kritik: Angesichts der kurzen Löschfristen können soziale Netzwerke die Einzelfälle nicht genau prüfen. Um Bußgelder zu vermeiden, müssen die Unternehmen also alles entfernen, was irgendwie anrüchig erscheint.

Das könnte allerdings erhebliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit im Netz haben. Davor warnen nicht nur Netzaktivisten und Wirtschaftsverbände wie der Bitkom. Selbst die Amadeu-Antonio-Stiftung, die gegen Hassbeiträge im Netz kämpft, schreibt in einer Stellungnahme: „Eine festgeschriebene Löschfrist von 24 Stunden ist kein Beitrag zur qualitativen Verbesserung der Behandlung von Hate Speech seitens der Betreiber.“ Die Zeit wäre schlicht zu kurz, um Beiträge zu prüfen. Da die Betreiber der sozialen Netzwerke daher im Zweifelsfall eher löschen werden, hat dies „damit eine faktische Einschränkung der Meinungsfreiheit zur Konsequenz“ – was die Stiftung ablehnt.

Im Kern lautet also die Kritik: Was mit dem Gesetzentwurf de facto droht, ist eine Privatisierung des Rechts. Denn letztlich müssen die Unternehmen entscheiden, welche Beiträge legitim sind und welche nicht. „Die Entscheidung darüber, welche Inhalte strafbar sind und welche nicht, gehört nicht in die Hände von Social-Media-Unternehmen, sondern in die von Staatsanwaltschaft und Gerichten“, erklärt etwa der Bürgerrechtsverein Digitale Gesellschaft.

Derweil verteidigt Justizminister Heiko Maas (SPD) das Gesetz. Es gehe etwa nicht um eine Privatisierung des Rechts, so Maas im ARD-Morgenmagazin. Vielmehr wolle die Bundesregierung sicherstellen, dass bestehende Regeln auch eingehalten werden. Die Unternehmen hätten lange genug Zeit gehabt, um selbstständig zu reagieren. Die freiwillige Kooperation habe aber keine zufriedenstellenden Ergebnisse geliefert, wie die jüngste Untersuchung gezeigt habe. Deswegen folge nun eben das Gesetz.

Nicht nur Facebook und Co., sondern auch Plattformen wie Steam?

Eine weitere Schwäche ist zudem noch die Reichweite des Gesetzes, bemängelt der IT-Branchenverband Bitkom. Eigentlich ist es für Branchengrößen wie Facebook, Twitter und YouTube konzipiert, deswegen sollen auch nur soziale Netzwerke betroffen sein, die mehr als zwei Millionen Mitglieder haben. Allerdings sind die Vorgaben so vage, dass auch weitere Online-Plattformen betroffen sein können. „Dies beinhaltet große Spieleplattformen, auf denen sich die Nutzer auch in Foren oder Chats austauschen, ebenso wie E-Mail-Kommunikation“, so Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder.

Nochmals veränderter Entwurf

Den Entwurf (PDF), den das Bundeskabinett heute beschlossen hat, wurde nochmals leicht überarbeitet. Eingefügt wurde eine Klausel, die Unternehmen bei einmaligen Verstößen vor Bußgeldern schützen soll. Von einem „behutsamen“ Vorgehen der Bußgeldbehörde ist die Rede, wenn Unternehmen einen Beitrag nicht entfernt haben, weil er als nicht rechtswidrig eingestuft wurde. Damit soll offenkundig verdeutlicht werden, dass die Bundesregierung vor allem ein funktionierendes Beschwerdemanagement verlangt, nicht aber jedes einzelne Vergehen explizit ahnden möchte.

Obwohl der Entwurf erst wenige Wochen alt ist, hat er schon einige gravierende Änderungen hinter sich. In der ersten Fassung zielte das Gesetz noch auf Hassbeiträge und „strafbare“ Fake News, wozu Tatbestände wie etwa Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten und Volksverhetzung zählten. Später wurde das Gesetz ausgeweitet, in der aktuellen Form umfasst es weitere Straftaten wie (Kinder-)Pornographie und terroristische Inhalte.

Später reingerutscht ist zudem noch der Auskunftsanspruch, der ebenfalls höchst umstritten ist. Das Ziel der Bundesregierung ist: Betroffene sollen von den sozialen Netzwerken erfahren können, wer hinter den Hassbeiträgen steckt und damit die Rechtsverletzung begangen hat. Nach Ansicht von Juristen ist die Regel aber so exzessiv ausgelegt, dass sie die Anonymität im Internet gefährde.

Nachdem das Bundeskabinett das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz bestätigt hat, ist als nächstes der Bundestag an Reihe. Die Abgeordneten sollen sich möglichst rasch mit dem Entwurf befassen, sodass das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden kann.