Ex-Justizministerin: Kein Verständnis für neues Staatstrojaner-Gesetz

Andreas Frischholz
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Ex-Justizministerin: Kein Verständnis für neues Staatstrojaner-Gesetz
Bild: ccarlstead | CC BY 2.0

Die Regierungszeit der Großen Koalition neigt sich dem Ende zu, doch mit der geplanten Ausweitung des Staatstrojaner-Einsatzes hat sie noch ein Vorhaben beschlossen, das für Netzaktivisten und Bürgerrechtler ein Affront ist. Dem schließt sich Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) an.

Dass die Bundesregierung noch kurzfristig die Reform der Strafprozessordnung ändert um den Einsatz des Staatstrojaners deutlich auszuweiten, ist der „innenpolitische Skandal dieser Legislaturperiode“, so Leutheusser-Schnarrenberger in der aktuellen Ausgabe des Spiegel. Eine der „sensibelsten Ermittlungsmaßnahmen“ werde damit durch die „Hintertür“ eingeführt, obwohl sie im Alltag dazu führen kann, dass Betroffene vollständig ausgespäht werden.

Ein Affront für Netzaktivisten und Bürgerrechtler

Leutheusser-Schnarrenberger reiht sich damit ein in die Schar der Kritiker, die kaum ein gutes Wort für den Gesetzentwurf übrig haben. Eines der Probleme ist die Reichweite. Dass Behörden den Trojaner nicht nur bei schwerwiegenden Delikten wie dem Anti-Terror-Kampf, sondern auch bei Alltagskriminalität nutzen sollen, ist einer der expliziten Vorwürfe von Netzpolitik.org. Aber auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) geht aktuell nicht davon aus, dass sich der Entwurf mit den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts vereinbaren lässt.

Die Quellen-TKÜ – also das reine Überwachen von Messenger-Diensten wie Skype und WhatsApp – soll künftig immer möglich sein, wenn eine herkömmliche Telefon-Überwachung nicht mehr klappt. Schärfer sind die Auflagen zwar bei der Online-Durchsuchung, da in diesem Fall das System eines Verdächtigen vollständig infiltriert wird. Doch auch hier wurde die Anzahl der Delikte ausgeweitet.

Neben rechtlichen Bedenken folgt zudem noch die Kritik auf technischer Ebene. Wollen Polizei und Geheimdienste die Systeme der Verdächtigen mit einem Trojaner überwachen, müssen sie dafür Sicherheitslücken horten. Die können dann aber auch Kriminelle ausnutzen, wie zuletzt der WannaCry-Angriff verdeutlicht hat.

Polizei und Geheimdienste fordern den Trojaner vehement

Ein anderes Bild zeichnen die Vertreter der Sicherheitsbehörden, die explizit den Einsatz des Staatstrojaners fordern. Nur so lasse sich die verschlüsselte Kommunikation von Verdächtigen überwachen. „Going Dark“ ist in diesem Fall das Stichwort, es geht um die Angst, dass Kriminelle in einer digitalen Welt agieren, die Polizeibehörden nicht mehr kontrollieren können. Der Zwiespalt zwischen Vertretern der Sicherheitsbehörden und Bürgerrechtlern prägte zuletzt auch die Anhörung im Bundestag.

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